Nahaufnahme einer Orangenscheibe, die auf ein Glas mit Orangensaft gesteckt wurde.
analyse

"Luxusgut" O-Saft Wird Orangensaft jetzt noch teurer?

Stand: 20.05.2023 06:41 Uhr

Der Preis für Orangensaft steigt und steigt. Zur Begründung wird auf schlechte Ernten verwiesen. Doch die Rohstoffmärkte signalisieren bereits wieder sachte Entspannung.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Reich werden mit Orangensaft: Wie das funktioniert, machen Dan Aykroyd und Eddie Murphy in dem Film "Die Glücksritter" vor. Mithilfe eines falschen Berichts des US-Agrarministeriums über eine angeblich schlechte Orangenernte treiben sie den Preis für Orangensaft-Futures in die Höhe. Die beiden verkaufen - kurz bevor bekannt wird, dass mit der US-Ernte in Wahrheit alles in bester Ordnung ist und der Preis ins Bodenlose stürzt. Der Film, der im Original "Trading Places" heißt, stammt aus dem Jahr 1983.

40 Jahre später ist die US-Orangenernte tatsächlich miserabel, sogar so miserabel wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Und das hat Folgen - nicht nur für den Preis der Orangensaft-Futures an der Rohstoffbörse in New York, sondern auch für die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher.

Fruchtsaft-Verband erwartet steigende Preise

Diese dürften sich nach Einschätzung des Verbandes der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF) in den nächsten Monaten mit Preiserhöhungen bei ihrem liebsten Fruchtsaftgetränk konfrontiert sehen. "Die Ware ist knapp und die Rohstoffkosten steigen. Das heißt: Auch die Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass Orangensaft teurer wird", sagte VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger der Nachrichtenagentur dpa.

Der Chef des Mönchengladbacher Saftherstellers Valensina, Tino Mocken, hatte bereits bei Vorstellung des Geschäftsberichts im Februar gewarnt, dass angesichts der gestiegenen Kosten für Energie, Rohwaren, Verpackung und Logistik Preiserhöhungen "unumgänglich" seien.

Orangensaft an der Börse auf Rekordhoch

"Mit ihrer Ankündigung von Preiserhöhungen sind die Fruchtsaftproduzenten relativ spät dran - der große Preisanstieg war ja schon, die Preise an den Terminmärkten sind zuletzt wieder leicht gefallen", kritisiert Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. Insgesamt seien die Preise für Rohstoffe zuletzt wieder zurückgekommen, selbst im Lebensmitteleinzelhandel waren die Preise teils wieder gefallen.

Wie dramatisch ist die Lage bei Orangensaft also wirklich? Um das besser einordnen zu können, hilft ein Blick auf die jüngsten Entwicklungen an der Rohstoffbörse in New York. Dort ist der Preis für Orangensaft im April auf ein Rekordhoch von 2,88 Dollar gestiegen. Mit einem Plus von rund 21 Prozent seit Jahresbeginn ist Orangensaft unter den sogenannten "Soft Commodities" der Rohstoff mit dem zweitstärksten Preisanstieg. Einzig der Preis für Zucker ist mit rund 33 Prozent noch stärker gestiegen.

Als "Soft Commodities", also als "weiche Rohstoffe", werden an der Börse Agrarrohstoffe bezeichnet. Neben Orangensaft und Zucker zählen dazu etwa Kaffee, Reis, Weizen, Baumwolle - und Schweinebäuche. An der Börse wird übrigens nicht der flüssige Orangensaft gehandelt, sondern Terminkontrakte (Futures) auf ein gefrorenes Konzentrat: Die Orangen werden gepresst, der Saft dann eingedampft und gefrostet.

Mit Orangensaft gefüllte Gläser
Was ist ein Orangensaft-Future?

Bei einem Future handelt es sich um einen Finanzterminkontrakt. Dabei verpflichten sich Verkäufer und Käufer, den Basiswert zum festgelegten Preis am Ende der Laufzeit zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Bei Rohstoffen wie Orangen oder Weizen sind Termingeschäfte üblich, da diese aufgrund schlechter Ernten und Naturkatastrophen anfällig für plötzliche Preiserhöhungen sind. Die New Yorker Rohstoffbörse ist der traditionelle Handelsplatz für Orangensaft-Futures. Der liquideste Future bezieht sich dabei auf gefrorenes Orangensaft-Konzentrat der Kategorie A, das nur aus dem US-Bundesstaat Florida, Brasilien, Mexiko oder Costa Rica stammen darf. Der Orangensaft-Future wird in US-Cent pro amerikanisches Pfund (lb) gehandelt und umfasst 15.000 lbs (1 lb = 0,453592 kg).

Preis für Orangensaft mehr als verdoppelt

Noch deutlicher wird die fulminante Preisrally bei Orangensaft, wenn man den Zeithorizont ein wenig öffnet: Binnen zwei Jahren hat sich der Preis mehr als verdoppelt. Warum aber ist Orangensaft in den vergangenen Monaten so teuer geworden? Händler verweisen auf die US-Ernte, die in diesem Jahr so mickrig ausfallen wird wie seit 1937 nicht mehr.

Seit Jahren schon kämpfen die Produzenten in Florida mit "Citrus Greening". Die Krankheit, auch bekannt als Gelber Drache, wird ausgelöst durch ein Bakterium und verwüstet ganze Plantagen. Schäden durch die Hurrikane Ian und Nicole in vergangenem Herbst gaben der Orangenernte in Florida dann den Rest.

Durch Hurikan "Ian" verursachte Schäden an Orangenplantage in Florida, USA

Hurrikan Ian hatte im Herbst vergangenen Jahres auf den Orangenplantagen Floridas für verheerende Schäden gesorgt.

Exportweltmeister Brasilien sendet Entspannungssignale

Zu allem Überdruss kämpfen auch andere Anbauländer wie Mexiko, die Europäische Union und Brasilien mit wetterbedingten Problemen. Dabei ist die brasilianische Ernte entscheidend, stammen doch rund 80 Prozent des global gehandelten Orangensafts aus Brasilien. Zuletzt hatten sich in dem südamerikanischen Land allerdings etwas bessere Erntebedingungen abgezeichnet.

Die Prognose für die 2023/2024-Ernte sieht mit 309 Millionen Boxen (à 41 Kilogramm Orangen) nur einen minimalen Rückgang gegenüber der diesjährigen Ernte vor. Die Wetterbedingungen seien positiv, hieß es aus Brasilien, denn es hatte zuletzt 50 Prozent mehr geregnet als im historischen Durchschnitt. Das wiederum sorgte an der Rohstoffbörse in New York direkt für fallende Preise der Orangensaft-Futures. Überhaupt signalisieren die Orangensaft-Charts Entspannung; aktuell notiert O-Saft wieder knapp zwölf Prozent unter seinem Rekordhoch.

Experten wie Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest sind überzeugt, dass der große Orangensaft-Preisanstieg bereits überwunden ist, und rechnen mit weiterhin leicht rückläufigen Preisen - allerdings auf erhöhtem Niveau.

Verbraucher haben auch noch ein Wörtchen mitzureden

Hinzu kommt: Starke Preiserhöhungen bergen selbst ein gewisses Risiko. "Bei Orangensaft dürfte es sich um eine recht preiselastische Nachfrage handeln", erklärt Rethfeld. "Verbraucherinnen und Verbraucher dürften auf die tägliche Ration Orangensaft eher verzichten können als auf viele andere Lebensmittel. Steigen aber die Orangensaftpreise deutlich, dann wird die Nachfrage nachlassen und der Preis wieder zurückgehen."

Der Kunde hat es also durchaus in der Hand, ob die Fruchtsafthersteller die angekündigten Preiserhöhungen auch mittel- bis längerfristig durchsetzen können. Die große Frage wird sein: Was ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihr Glas Orangensaft zum Frühstück wirklich wert?

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der WDR in der Aktuellen Stunde am 17. Mai 2023 um 18:45 Uhr.