Pleite eines ganzen US-Landkreises Untergang in der Kanalisation

Stand: 14.11.2011 09:00 Uhr

Durchtriebene Banker und bestechliche Angestellte haben in den USA einen ganzen Landkreis in die Pleite getrieben. Auf Jefferson County im US-Bundesstaat Alabama lasten Milliardenschulden, weil die Kommune sich ein völlig überteuertes Sanierungsprojekt aufschwatzen ließ. Die Zeche zahlen die Bürger.

Von Ralph Sina, WDR-Hörfunkstudio Washington

Der Bankrott eines gesamten amerikanischen Landkreises samt seiner Hauptstadt Birmingham sei für alle eine neue Situation, sagt David Carrington, der Kommissionschef von Jefferson County im US-Südstaat Alabama. "Wir betreten da Neuland und müssen alle lernen", so der Landkreischef.

Jennifer Brown aus Jefferson County hatte die Lernerfahrung bereits hinter sich. Die Gemeindeangestellte wurde bereits vor einem Monat gekündigt, als der Countdown zur größten Pleite einer Gemeinde in der Geschichte der Vereinigten Staaten bereits anlief. "Es ist verheerend", sagt die alleinerziehende Mutter dem TV-Sender CBS.

Zwei Wochen lang habe sie nur geweint. Und jetzt, wo sich die Gemeinde für zahlungsunfähig erklärt habe, müsse sie auch noch um die Lebensmittelmarken bangen.

Selbst im Gefängnis wird gespart

So wie Jennifer Brown geht es vielen anderen Angestellten von Jefferson County. Im Gefängnis des Landkreises sind die Zelleninsassen in Zukunft weitgehend sich selbst überlassen. Wegen der leeren Gemeindekasse und einer Schuldenlast in Milliardenhöhe muss ab sofort eine Teilzeitkraft 100 Gefangene beaufsichtigen.

Das sei unverantwortlich, sagt Debbye Guye von der Jefferson-Gefängnisverwaltung der lokalen TV-Station. "Wir sind hier viel weniger als es die US-Bundesrichtlinien vorschreiben. Wir waren immer schon knapp besetzt. Aber diese Situation bringt uns jetzt zusätzlich in Gefahr."

Nur die erste von vielen Pleiten?

Im wirtschaftsschwachen US-Südstaat Alabama sind die Kommunen unverzichtbare Arbeitgeber. Der Bankrott eines ganzen Landkreises ist deshalb für viele ein Desaster. Und er sorgt landesweit für Schlagzeilen.

Die Vier-Milliarden-Dollar-Pleite hat den Landkreis Jefferson und seine Hauptstadt Birmingham über Nacht zum abschreckenden Beispiel von kommunalem Missmanagement und Korruption gemacht. Investoren werden um diesen Kreis einen besonders weiten Bogen machen. Und die 650.000 Einwohner müssen mit einer Gebührenexplosion rechnen, meldet der kommunale Radiosender - etwa beim Abwasser.

"Uneigennützige Tipps" von Bankern

Begonnen hatte das Birmingham-Desaster bereits in den Neunzigerjahren mit der völlig überteuerten und überdimensionierten Renovierung der städtischen Kanalisation. Das Projekt sei überhaupt kein Problem, suggerierten Wall-Street-Banker.

Jefferson County solle einfach Anleihen, so genannte Bonds, drucken, so wie es der amerikanische Staat auch mache. Die Schuldzinsen werde man schon trickreich niedrig halten, versprachen die Manager der US-Bank JPMorgan Chase.

Mit Bestechung nachgeholfen

Um mit Jefferson County ins Geschäft zu kommen, wurden Gemeindeangestellte kurzerhand bestochen. Doch dann kam 2008 die große Finanzblase. Bankenriesen wie Lehman kollabierten und die beiden Finanzunternehmen, welche die Anleihen von Jefferson County versichert hatten, brachen ebenfalls zusammen.

Über Nacht wurden die Anleihen zu Hochrisikopapieren, die Gemeinde musste immer höhere Zinsen bezahlen. Hinzu kamen wegbrechende Steuereinnahmen und die Folgekosten eines Tornados.

Milliardenschulden bleiben

Der Bankrott war nur noch eine Frage der Zeit. "Die Ärmsten zahlen jetzt die Zeche", sagt ein Bewohner von Jefferson County - für die Gier der Wall-Street-Banker und der korrupten Landkreisverwaltung. Drei Milliarden Dollar Schulden entfallen auf die Finanzierung der neuen Kanalisation. Eine Milliarde gehen auf das Konto der Wirtschaftskrise.

Die Insolvenz von Jefferson County trifft auch die Bayrische Landesbank. Die BayernLB hatte zwar nichts mit dem Abwasserdeal zu tun, zählte aber mit einem 52-Millionen-Kredit zu den Geldgebern der Alabama-Gemeinde. Und Jefferson ist kein Einzelfall: Amerikas Autozentrum Detroit und die Städte Harrisburg in Pennsylvania und Pritchard in Alabama sind ebenfalls akut bankrottgefährdet.