Beispiele für einen Sonnenaufgang und einen Untergang

Wetterthema Wann gibt es ein Morgen- oder Abendrot

Stand: 20.10.2023 09:51 Uhr

Sonnenauf- und Untergänge können sehr unterschiedlich verlaufen. Manchmal leuchten die Wolken in intensiven Rot- und Gelbtönen. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der Himmel rot wird?

Von Ingo Bertram, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Die Farbe des Himmels wird im Wesentlichen durch die Streuung des Sonnenlichts bestimmt. Unter Streuung versteht man den Effekt, dass die Sonnenstrahlen aus ihrer ursprünglichen Einfallsrichtung abgelenkt werden. Wenn diese an den Luftmolekülen stattfindet, welche klein gegenüber der Wellenlänge des Sonnenlichts sind, spricht man von der „Rayleighstreuung“. Ihre Besonderheit ist die, dass unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich stark gestreut werden. Von den sichtbaren Farben wird das blaue Licht am stärksten gestreut. Es erreicht den Beobachter daher aus allen möglichen Richtungen und der Himmel erscheint blau. Je tiefer die Sonne steht, desto länger ist der Weg ihrer Strahlen durch die Atmosphäre und desto weniger Blau befindet sich noch im direkten Sonnenlicht. Deshalb ist das Sonnenlicht umso röter, je tiefer sie steht.

Durch diesen Effekt geht die Sonne bei wolkenlosem Himmel häufig als leuchtend roter Ball auf und unter. Aber fast noch beeindruckender sind die Sonnenauf- und Untergänge, bei denen sich vorhandene Wolken rot verfärben. Das passiert, wenn das Licht der Sonne eine Wolkenschicht wie eine Leinwand anstrahlt. Die Wolken müssen sich dazu an der richtigen Stelle befinden. Die günstigste Situation ist gegeben, wenn der Horizont in Richtung Sonne wolkenfrei ist, sich zugleich aber Wolken in der Nähe des Beobachters befinden. Dann erreicht das rote Licht die Wolkenunterseite. Ein Morgenrot mit bunten Wolken ergibt sich, wenn ein Tiefausläufer aus Westen heranzieht und der Osthorizont noch wolkenfrei ist. Ein solches Morgenrot ist dann ein Schlechtwetterbot. Abends hingegen bedeutet ein wolkenfreier Westhorizont und rot ausgeleuchtete Wolken über dem Beobachter meistens eine Wetterbesserung. Da sich die Bewölkungsverhältnisse vorhersagen lassen, ist es für Fotografen mit ausreichender Erfahrung auch möglich, rechtzeitig vor Rotfärbung des Himmels fotogene Aussichtspunkte aufzusuchen und dafür im Falle des Morgenrots auch mal den Wecker zu stellen. In welcher Entfernung zum Beobachter der Himmel wolkenfrei sein muss, damit das rote Sonnenlicht seinen Weg bis zum Beobachter findet, hängt allerdings von der Höhe der Wolken ab.

Befinden sich tiefe Wolken am Himmel, so schafft es das Sonnenlicht darunter nicht einmal 50 Kilometer weit vorzudringen. Das heißt es gibt selbst dann keine Rotfärbung, wenn der Himmel in Richtung Sonne schon in nur 50 Kilometern Entfernung wolkenfrei ist. Bei mittelhohen Wolken kann das Sonnenlicht bereits sehr viel weitere Strecken unterhalb einer Wolkenschicht zurücklegen. Ein Beispiel hierfür zeigen die beiden oberen Bilder in unserer Abbildung. Über Speyer lag am Morgen des 29. September 2023 eine etwa 4 Kilometer hoch gelegene Altocumulusbewölkung. Zugleich war der Himmel über Bayern wolkenlos. Die Bewölkung erstrahlte zum Sonnenaufgang in einem intensiven Rot, wie das Foto zeigt. Solche mittelhohen Wolken werden aus Erfahrung auch dann noch rot, wenn sich der Wolkenrand etwa 200 Kilometer vom Beobachter entfernt befindet.

Bei hohen Wolken ergeben sich mitunter überraschend große Entfernungen zum wolkenfreien Gebiet, in denen sich die Wolken noch rot verfärben. Ein Beispiel hierfür zeigen die beiden unteren Bilder in unserer Abbildung. Über der Pfalz lag am 16. Oktober ein 7 Kilometer hoher Cirrostratus. Wolkenfrei war der Himmel erst in der Mitte von Frankreich im Raum Paris und südlich davon. Die Distanz zum Wolkenrand machte in dieser Situation etwa 450 Kilometer Luftlinie aus. Trotzdem konnte ein intensives Abendrot beobachtet werden. Mit weniger Erfahrung hätte man bei einem Blick auf ein Satellitenbild nicht unbedingt vermutet, dass es in dieser Situation für ein Abendrot reicht.

Zur Abschätzung, ob es rote Wolken geben wird, sind mehrere Dinge wichtig. Der Fotograf muss Erfahrung damit haben, bei welcher Bewölkung das wolkenfreie Gebiet wie weit weg sein darf. Er muss aber auch die Richtung kennen, in welche er auf einem Satellitenbild oder auf den Karten von Wettermodellen zur Wolkenvorhersage schauen muss. Im Winter geht die Sonne in Deutschland südöstlich vom Beobachter, im Sommer im Nordosten auf. Die Richtung des Sonnenuntergangs schwankt im Jahresverlauf zwischen Südwest und Nordwest. Oft ist es nicht einfach abzuschätzen, wie hoch die Wolkenschicht überhaupt liegt. Häufig befinden sich auch mehrere Wolkenschichten übereinander, was es dann kompliziert macht. Ein erfahrener Meteorologe ist in der Vorhersage roter Wolken noch immer deutlich besser als Apps, die es hierfür inzwischen gibt.