Gletscher in Argentinien

Wetterthema Abrupte Klimaschwankungen

Stand: 13.02.2024 11:12 Uhr

Am Ende der der letzten Eiszeit war das Klima innerhalb nur weniger Jahrzehnte extremen Schwankungen unterworfen.

Von Tim Staeger, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Im Zuge der Klimaerwärmung ist die mittlere Temperatur auf der Erde innerhalb der letzten 100 Jahre über ein Grad angestiegen. Doch während der letzten Eiszeit, die vor etwa 10.000 Jahren zu Ende ging, gab es auf der Nordhalbkugel Klimaschwankungen von über 10 Grad innerhalb weniger Jahrzehnte. Diese wurden durch Umstellungen der Meeresströmungen verursacht, welche sehr empfindlich auf Änderungen des Salzgehaltes reagierten.

Die Klimaforscher staunten nicht schlecht, als sie in den 1990iger Jahren die starken Temperaturschwankungen in den Grönländischen Eisbohrkernen entdeckten. Während der letzten Eiszeit, der sog. Würm- oder Weichsel-Kaltzeit, die von etwa 100.000 bis 10.000 Jahren vor heute andauerte, fanden sich über 20 kurzeitige Erwärmungen, die innerhalb weniger Jahrzehnte einsetzten und dann für mehrere Jahrhunderte andauerten. Nach ihren Entdeckern nennt man sie Dansgaard-Oeschger- oder kurz DO-Ereignisse.

Zudem gab es mehrere abrupte Abkühlungen, die letzte und markanteste vor etwa 13.000 bis vor 11.500 Jahren. Dieses sog. Jüngere Dryas-Ereignis fällt in die Kategorie der Heinrich-Ereignisse, plötzliche starke Abkühlungsphasen während der letzten Eiszeiten.

Verantwortlich für diese abrupten Klimaschwankungen sind Änderungen des Golfstromes und seines verlängerten Armes, des Nordatlantikstromes. Heutzutage liefert der Nordatlantikstrom sehr warmes Wasser vom Golf von Mexiko bis in das Nordpolarmeer, weswegen Europa deutliche mildere Winter genießt, als beispielsweise Nordamerika. Während der letzten Eiszeit reichte der Nordatlantikstrom jedoch nur etwa bis Island, wodurch die winterliche Vereisung im Nordpolarmeer deutlich ausgeprägter war als das gegenwärtig der Fall ist.

Temperaturschwankungen in Grönland rekonstruiert aus Eisbohrkernen

Vor Grönland befindet sich sehr kaltes und salzreiches Oberflächenwasser, welches aufgrund seiner hohen Dichte dort in die Tiefe stürzt und dadurch warmes Oberflächenwasser aus dem Süden ansaugt. Dieser Mechanismus steuert die Ausprägung des Golfstroms. Nun reagiert dieses Strömungssystem mitunter recht empfindlich auf Veränderungen des Salzgehaltes des oberflächennahen Meerwassers.

Bei einem DO-Ereignis kam es unter dem Zwang einer langsamen Erwärmung zu einer spontanen Umstellung des nordatlantischen Strömungssystems, welches sich dann bis weit in den Nordatlantik ausdehnen konnte. Die genaue Wirkungsweise ist noch nicht vollständig verstanden, jedoch verhält sich das System stark nichtlinear, was bedeutet, dass ab dem Erreichen einer kritischen Schwelle innerhalb kürzester Zeit ein gänzlicher unterschiedlicher Zustand eingenommen wird.

Bei einem Heinrich-Ereignis kam es bei einer kontinuierlichen Abkühlung zu Instabilitäten des Grönländischen und des Laurentischen Eispanzers über Nordamerika, wodurch innerhalb kürzester Zeit sehr große Eismassen in den Nordatlantik kalbten. Dieser massive Süßwassereintrag senkte den Salzgehalt des oberflächennahen Meerwassers so dramatisch ab, dass in der Folge der Golfstrom ganz zum Erliegen kam und die Vereisung weit nach Süden vorstoßen konnte. Wiederum reagierte das Klima abrupt auf eine kontinuierliche Veränderung, wahrscheinlich auf langfristige Schwankungen der solaren Einstrahlung mit einer Periode von etwa 1470 Jahren. Dieser dritte Zustand des Nordatlantischen Strömungssystems dauerte so lange an, bis der Salzgehalt wieder hinreichend angestiegen war.

Während des Holozäns, also den letzten 10.000 Jahren befindet sich das nordatlantische Strömungssystem sozusagen stabil in einem DO-Zustand. Seit dieser Zeit traten auch nur vergleichsweise geringe Klimaschwankungen auf, wodurch die Entwicklung der Hochkulturen und der menschlichen Zivilisation zumindest stark begünstigt wurden. Jedoch lehrt uns der Blick zurück, dass diese Stabilität mitunter trügerisch ist, und das Klimasystem zu sehr heftigen und kurzfristigen Reaktionen im Stande ist. Auch wenn das hier beschriebene dynamische Verhalten für die vergangenen Eiszeiten typisch war, ist nicht auszuschließen, dass bei einem Überschreiten einer noch unbekannten Temperaturschwelle im Zuge der globalen Erwärmung noch unerforschte Prozesse in Gang kommen, die dann innerhalb weniger Jahrzehnte ebenfalls heftige Reaktionen im Klimasystem hervorrufen könnten.