Strahlungsbilanz der Erde

Wetterthema Wie funktioniert der Treibhauseffekt?

Stand: 05.04.2024 11:56 Uhr

Natürlicher Treibhauseffekt, anthropogener Treibhauseffekt - was steckt physikalisch gesehen hinter diesen Begriffen?

Von Rainer Behrendt

Die Sonne stellt mit ihrer zur Erde gesandten Strahlung die weitaus größte Energiequelle unseres Planeten dar. Den oberen Rand der Atmosphäre erreicht im räumlichen und zeitlichen Mittel ein Strahlungsfluss von circa 174.000 Terawatt, was der Leistung von etwa 125 Mio. mittleren Kernkraftwerken entspricht. Diesen Wert setzen wir in unserer Grafik mit 100% an. Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre wird ein Teil dieser Strahlung durch Luftmoleküle gestreut, an Wolken reflektiert und wieder zurück ins All geschickt. Die übrig bleibende Strahlung erreicht den Erdboden und wird dort nochmals teilweise reflektiert. Im globalen Mittel verlassen 30 % der von der Sonne kommenden Strahlung wieder das System Erde-Atmosphäre. Das bedeutet umgekehrt, der Erde stehen zusammen mit ihrer Atmosphäre 70% der ursprünglichen Strahlungsenergie von der Sonne zur Verfügung.

Was passiert nun mit dieser Energie? Jeder Körper strahlt in Abhängigkeit von seiner Temperatur Wärme ab (bei höheren Temperaturen deutlich mehr als bei niedrigen). Dies geschieht in Form elektromagnetischer Wellen (Infrarotstrahlung), die für das menschliche Auge unsichtbar bleiben. So schickt auch die Erde permanent Wärmestrahlung in Richtung Weltall. Denkt man sich die Erdatmosphäre einmal gänzlich durchlässig für Infrarotstrahlung, so kann man eine Gleichgewichtstemperatur errechnen, bei welcher der Gewinn durch die Einstrahlung von der Sonne gerade gleich dem Verlust durch die Abstrahlung wäre. Diese Temperatur würde sich an der Erdoberfläche bei nur -18 °C einpendeln.

In der Realität ist die Atmosphäre jedoch in der Lage, wegen ihres Anteils an sogenannten Klimagasen wie Kohlendioxid, Methan, Stickstoffdioxid und vor allem Wasserdampf, eine gewisse Menge der Wärmestrahlung aufzuhalten. Diese Gase absorbieren einen Teil der von der Erdoberfläche ausgesandten Strahlung und wandeln diese in Wärme um. Sie kommt zunächst der Atmosphäre selbst zugute. Da aber auch Gase Wärme abstrahlen, schicken sie über diesen Weg einen Teil davon wieder zurück in Richtung Erdboden (siehe Abbildung), der seinerseits einen Teil davon aufnimmt und sich dadurch erwärmt. Den Klimagasen kommt somit im System Erde-Atmosphäre die Rolle zu, welche jener der Glasscheiben in einem Treibhaus entspricht. Dadurch bleibt letztlich ein Stück der Energie im System gefangen, und es gelangt weniger Energie zurück ins Weltall.

Würde die Erde aber, absolut gesehen, tatsächlich weniger Energie abgeben, als sie von der Sonne erhält, käme es zu einer Aufheizung. Dies geschieht nicht, besser gesagt, geschah über lange Zeit nicht. Es hat sich vielmehr ein Gleichgewichtszustand bei einer höheren Temperatur und damit größeren Infrarotstrahlungswerten eingestellt. Diese Temperatur ist gerade so hoch, dass wieder die oben genannten 70% der einfallenden Strahlungsenergie den Planeten ins All verlassen. Damit liegt die globale Durchschnittstemperatur weitaus höher als -18 °C. Sie betrug vor Beginn der Industrialisierung etwa 13,5 °C. Das wirksamste Gas ist hierbei der Wasserdampf. Seine Anwesenheit alleine lässt die Mitteltemperatur auf +2 °C klettern. Für die restlichen Grade zeigen sich die übrigen Klimagase verantwortlich.

Diese Wirkung, welche die Klimagase bereits in ihrer einstmaligen und bekanntlich geringeren Konzentration geleistet haben, wird als natürlicher Treibhauseffekt bezeichnet. Er hat sich ohne menschliches Zutun entwickelt. Vor allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger hat, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre deutlich zu genommen. Demzufolge wurde der Treibhauseffekt verstärkt und die Erde heizt sich allmählich auf. Denn im Mittel verlässt tatsächlich etwas weniger Energie das System Erde-Atmosphäre als diesem von der Sonne zukommt (was mit dem „Kleiner“-Zeichen in der Grafik angedeutet wurde). Man spricht daher vom anthropogenen, also menschengemachten Treibhauseffekt.

Die globale Durchschnittstemperatur hat sich im Jahr 2023, laut WMO (World Meteorological Organization), bis auf circa 14,9 °C erhöht. Nach einhelliger wissenschaftlicher Meinung wird der Trend zur Erwärmung längerfristig anhalten. Die weitreichenden Veränderungen am Klimasystem, die derzeit stattfinden, sind, nach menschlichem Ermessen, nicht umkehrbar. Wir werden also mit dem neuen Klima in Zukunft leben müssen. Eine Dämpfung des Anstiegs der Temperatur und damit eine Abmilderung der Folgen kann durch eine Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen allerdings noch erreicht werden.

Freitag, 5 April 2024 (Erscheinungsdatum)