Kinobesucher sitzen vor der Leuchtreklame für den Film "Der Meister und Margarita" ist in einem Moskauer Kino.

Kinostart "Der Meister und Margarita" Ein Film - von der Wirklichkeit überholt

Stand: 30.04.2025 14:04 Uhr

Im Roman "Der Meister und Margarita" geht es um Unterdrückung in Russland unter Stalin. Jetzt wurde er erneut verfilmt. In Russland wurde der Film trotz staatlicher Kritik zum Kassenschlager. Doch der Regisseur gilt nun als "Volksfeind".

Von Christine Hamel, BR

Der ab 1928 entstandene Epochenroman "Meister und Margarita" von Michail Bulgakow handelt von der Kollision eines begabten Künstlers mit tyrannischer Macht. Er konnte erst 1966 in zwei Teilen der Zeitschrift Moskwa erscheinen - 13 Prozent des Textes waren dabei der Zensur zum Opfer gefallen.

In Russland gab es verschiedene Versuche, den Roman filmisch umzusetzen. Kein Leichtes, denn Bulgakow hat viele fantastische Elemente eingebaut - schließlich übersteigen der Terror und die Verdrehung der Wirklichkeit unter Stalin auch jede realistische Vorstellungskraft.

2021 hat der russisch-amerikanische Regisseur Michael Lockshin den Stoff erneut für den Film adaptiert. Jetzt kommt "Der Meister und Margarita" in die deutschen Kinos.

Filmstoff mit Parallelen in russischer Gegenwart

In Rückblenden erzählt der Film von der Zerstörung eines Schriftstellers - wunderbar dargestellt von Jewgenij Tsyganov -, müde, angefeindet, aber nicht kleinlaut beigebend. Er will ein Theaterstück über Pontius Pilatus auf die Bühne bringen, aber Stücke, die den Triumph der Wahrheit über die Lüge behaupten, haben im Moskau der 1930er-Jahre keine Chance. Mehr noch: Der Autor wird trotz seiner Berühmtheit aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, sein Verleger distanziert sich öffentlich von ihm, nur sein Freund Aloisius steht ihm vermeintlich bei, entpuppt sich später jedoch als mieser Verräter.

Doch zum Glück gibt es da noch eine Frau: Margarita, unglücklich verheiratet mit einem hohen sowjetischen Funktionär. Sie nennt den Schriftsteller "Meister" - die beiden entbrennen füreinander.

"Wir wollten einen Film machen, der zwar in der Vergangenheit angesiedelt, aber heute aktuell ist", sagt Regisseur Lockshin. "Wir hatten an eine warnende Geschichte gedacht, nur trauriger- und tragischerweise für die russische Gesellschaft und auch für den Film wurde unsere Geschichte plötzlich blanke Gegenwart."

Angriff auf Ukraine verzögerte Filmstart

Lockshin wurde in den USA geboren, seine russischstämmige Familie emigrierte jedoch Mitte der 1980er-Jahre nach Moskau, wo Lockshin später studierte und als Filmregisseur debütierte. Seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine lebt er wieder in Kalifornien.

2021 waren die Dreharbeiten in St. Petersburg, Moskau und Kroatien abgeschlossen, Universal Pictures sollte "Der Meister und Margarita" herausbringen. Mit 17 Millionen Dollar Kosten ist der Film eine aufwändige Produktion, gefördert wurde er u. a. vom russischen Filmfond.

Doch dann überfiel Russland 2022 die Ukraine und der Hollywood-Verleih zog sich zurück. Die Postproduktion war gefährdet, erst 2024 kam der Film in die russischen Kinos. 1,5 Millionen Menschen strömten in nur einer Woche in die Vorführungen. Angriffe auf Andersdenkende, Verrat und Mitläufertum - plötzlich war diese Geschichte keine surrealistische Parabel mehr auf Stalins Totalitarismus, sondern eine Story über den eigenen Alltag.

Perfekt besetzt: August Diehl als Mephisto

Wir lernen den verfolgten Schriftsteller in einer düster-wuchtigen psychiatrischen Klinik kennen, wo er festgehalten wird und heimlich ein Buch zu Ende schreibt. Wie in der Romanvorlage verschwimmen allmählich Fiktion und Wirklichkeit. Der Teufel tritt auf den Plan: Woland - an seiner Seite der schwarze, sprechende Kater Begemoth.

Woland rächt sich in Moskau an all jenen, die den Meister zu Fall gebracht haben. Lockshin hat die Rolle mit August Diehl besetzt, der einen infernalischen Mephisto abgibt. Bizarre Fantasy-Elemente wechseln sich ab mit realistischen Passagen aus der Diktatur, philosophischen Dialogen aus dem verbotenen Theaterstück des verfolgten Autors und Gesprächen in der Irrenanstalt. Ein wilder, brillant bebilderter, exzentrischer Mix, der nichtsdestotrotz den Kern der Wirklichkeit trifft.

Regisseur Lockshin wird zum "Volksfeind"

Lockshin erging es nach der Premiere seines Films in Russland 2024 genauso wie seinem Filmhelden: "Die wichtigsten Propagandisten Putins und die wichtigsten Fernsehsender, ja sogar die Duma, griffen mich und den Film an", erzählt er.

Chefpropagandist und Moderator Wladimir Solowjew wetterte über das "antisowjetische, antirussische Thema" des Films, Tigran Keossajan, Ehemann von RT-Chefin Margarita Simonjan, forderte Konsequenzen: "Angefangen bei den Produzenten bis hin zu den Strafverfolgungsbehörden."

Die Produzenten beeilten sich zu beteuern, dass sie seit 2021 nichts mehr mit Lockshin zu tun gehabt hätten. Der propagandistische Schriftsteller Sachar Prilepin nannte Lockshin wie zu besten Stalinzeiten einen "Volksfeind". "Das ist natürlich eine Ironie der Geschichte", lacht Lockshin verhalten, "denn der Film handelt ja genau von solchen Leuten."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern 2 am 29. April 2025 um 06:05 Uhr.