Ein Saugschiff auf der Elbe.
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Elbvertiefung Schlick schränkt Zugang zum Hamburger Hafen ein

Stand: 01.04.2022 11:03 Uhr

Schlick in der Unterelbe gefährdet den freien Zugang zum Hamburger Hafen. Das zeigen Recherchen von Panorama 3. Demnach steigt die Zahl schifffahrtspolizeilicher Verfügungen, die das Navigieren auf der Elbe einschränken.

Von Stefan Buchen, NDR

Die neunte Elbvertiefung gilt seit dem 24. Januar als vollendet. Hamburg und die Bundesverwaltung Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) gaben die neuen maximalen Tiefgänge auf der Unterelbe frei. Unabhängig von Ebbe und Flut könnten nun alle Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern den Hamburger Hafen anlaufen. Auf der Flutwelle seien nun Tiefgänge bis 14,50 Metern möglich. Vor der neunten Elbvertiefung waren die zulässigen Höchstwerte um einen Meter geringer. 

Doch Recherchen von Panorama 3 zeigen, wieviel Mühe die Hafen- und Schifffahrtsbehörden haben, die neue Fahrrinnentiefe und -breite zu halten. Die neuen Solltiefen auf den 120 Kilometern Wasserstraße zwischen der Elbmündung bei Cuxhaven und dem Hamburger Hafenbecken werden den Recherchen zufolge regelmäßig nicht erreicht. Die Fahrrinne läuft so schnell mit Schlick voll, dass die Baggerschiffe mit dem Wegräumen offenbar kaum noch hinterherkommen.

Elbvertiefung

Sprunghafter Anstieg der Baggermengen.

"Mindertiefen" werden zum Problem

Sogenannte "Mindertiefen" werden in der Unterelbe zum Problem. Auf Anfrage von Panorama 3 teilt die Schifffahrtsverwaltung des Bundes am 25. März mit, dass für ihren Zuständigkeitsbereich in der Elbe dieses Jahr bislang 91 "schifffahrtspolizeiliche Verfügungen" wegen Mindertiefen erlassen worden seien. Verglichen mit den drei Vorjahren zeichnet sich offenbar ein deutlicher Anstieg solcher Verfügungen für das Jahr 2022 ab. Denn in den vergangenen Jahren wurden im Durchschnitt rund 200 Verfügungen über das gesamte Jahr ausgestellt.

Mit solchen Warnmeldungen an die Schifffahrt schränken die Behörden das Navigieren für Schiffe ab einem bestimmten Tiefgang auf genau bezeichneten Streckenabschnitten ein. Werden die Sedimente, welche einen Streckenabschnitt verstopfen, beseitigt, heben die Schifffahrtsämter die Beschränkungen wieder auf.

Panorama 3 liegen zwei "schifffahrtspolizeiliche Verfügungen" vor. In der "Maßnahme 84/22" vom 11. März 2022 ordnet das dem Bund unterstehende Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee auf einem fünf Kilometer langen Elbabschnitt bei Wedel Beschränkungen wegen Mindertiefen von bis zu 1,30 Metern an. "Alle Fahrzeuge mit einem Tiefgang von 12,70 m und mehr" hätten die kritischen Bereiche zu umfahren oder mit "äußerster Vorsicht und stark reduzierter Geschwindigkeit zu passieren". Fahrzeuge mit dem "maximalen tideunabhängigen Tiefgang" (also 13,50 m, Anmerkung der Redaktion) und 0,30 Meter weniger "dürfen den Bereich zwischen den Tonnen 123 und 125 von 1,5 Stunden vor bis 1,5 Stunden nach örtlichem Niedrigwasser nicht befahren".

Die schifffahrtspolizeiliche Verfügung 79/22 vom 10. März 2022 schränkt die Navigation auf zweieinhalb Kilometern bei Freiburg an der Elbe wegen Mindertiefen von bis zu 1,70 Metern ein. Alle Schiffe mit einem Tiefgang von 12,10 Metern und mehr hätten den Bereich entweder zu umfahren oder äußerst vorsichtig und langsam zu passieren. "Begegnungen von zwei Fahrzeugen mit einem Tiefgang von 12,10 m und mehr sind im Bereich [...] nicht gestattet."

Bereits acht Verfügungen im laufenden Jahr

Die Hamburgische Wirtschaftsbehörde hat 2022, wie sie auf Anfrage mitteilte, bislang acht schifffahrtspolizeiliche Verfügungen für ihren Zuständigkeitsbereich erlassen. Der Trend geht auch im Hafen und den direkten Zufahrtsstrecken nach oben. Die Mindertiefen hätten auch hier bis zu 1,70 Meter betragen. Nur eine Verfügung sei wieder aufgehoben worden.

Es gibt weitere Indizien, dass auch in Hamburg das Fahrwasser immer wieder vollläuft. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion teilte der Senat am 17. Dezember 2021 mit, es seien "Mindertiefen von mehreren Dezimetern in der Unterelbe, dem Köhlbrand und der Süderelbe zu beobachten". In einem HPA-Gutachten vom Februar 2022 heißt es: "Als Ergebnis des unzureichenden Sedimentaustrages hat sich seit 2014 das Sedimentinventar im Hamburger Hafen deutlich erhöht […]. Die Folge sind Mindertiefen in von der Schifffahrt genutzten Bereichen."

Die Schifffahrtsverwaltung des Bundes betont gegenüber Panorama 3, dass die Mindertiefen bislang kein Schiff an einem geplanten Einlaufen in oder an einem Auslaufen aus Hamburg gehindert hätten. Der Hamburgische Senat hebt hervor, dass die schifffahrtspolizeilichen Maßnahmen ein gleiches Sicherheitsniveau für die Schifffahrt gewährleisten.

Containerschiff musste offenbar auf die Flut warten

Nach Recherchen von Panorama 3 kam es jedoch wegen der Mindertiefen zu konkreten Behinderungen der Schifffahrt. So soll ein Containerschiff kurz nach dem Ablegen im Hamburger Hafen am frühen Morgen des 14. März zur Unterbrechung seiner Fahrt bei Finkenwerder gezwungen gewesen sein. Der Großfrachter habe zwei Stunden bis zum Eintreffen der Flut warten müssen, wie dem NDR ein sachkundiger Informant berichtete. Dabei sei das Schiff von zwei Schleppern auf Position gehalten worden.

Die zuständige Reederei wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern. Doch allgemein werden Verzögerungen in den Monaten Februar und März aus Reedereikreisen bestätigt. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde bestätigt den Vorfall. Sie bezeichnet den Ablauf als "normale und anlassbezogene Verkehrssteuerung".

Jan Philipp Albrecht, Umweltminister Schleswig-Holstein.

Prüft eine Klage: Jan Philipp Albrecht.

Hamburg und der Bund bemühen sich, den Schlick, der die Fahrrinne verstopft, zu entfernen. Das führt jedoch zu neuen Konflikten. Ein Teil des Schlicks, auch aus dem Hafenbereich, wird derzeit in die Elbmündung gekippt. Die Stelle grenzt an das schleswig-holsteinische Wattenmeer. Deshalb lässt, wie Panorama 3 erfuhr, Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht eine Klage prüfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Panorama 3 im NDR Fernsehen am 29.03.2022 um 21:15 Uhr.