Das Eingangstor des Judengangs am jüdischen Friedhof Schönhauser Allee in Berlin ist neben dem Fenster in Form eines Davidsterns beschmiert.

Hassvergehen und Gewalt Höchstwert bei politisch motivierten Straftaten

Stand: 21.05.2024 17:22 Uhr

Die Zahl von Straftaten mit politischem Hintergrund ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand gestiegen. Das Bundeskriminalamt registrierte 60.028 Vergehen. Besonders der Krieg in Nahost hinterlässt Spuren.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat es in Deutschland einen massiven Anstieg politisch motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt gegeben.

Die Zahl der polizeibekannten Taten aus diesem Kontext betrug mit 4.369 im vergangenen Jahr mehr als das Siebzigfache der 61 Delikte des Vorjahrs, wie aus der Statistik zur politischen Kriminalität hervorgeht, die das Bundesinnenministerium und das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten.

Insgesamt 1.927 dieser Taten gelten als antisemitisch, die allermeisten davon wurden ab dem 7. Oktober begangen. Mehr als die Hälfte der knapp 4.400 Taten ordnet die Polizei dem Bereich "ausländische Ideologie" zu. Sie sieht also Anhaltspunkte dafür, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Ideologie entscheidend für die Tat war.

Faeser: Rechtsstaat nimmt Gewalt nicht hin

Die Zahl der polizeibekannten politisch motivierten Straftaten hat mit 60.028 Delikten 2023 den höchsten Stand seit der Einführung der Statistik 2001 erreicht, mit einem leichten Zuwachs von weniger als 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In 3.561 Fällen handelt es sich um Gewalttaten, knapp 12 Prozent weniger als 2022.

"Wir sehen einen neuen Höchststand von Straftaten, die sich gegen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft richten", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung der Statistik. "Wir müssen unmissverständlich zeigen, dass der Rechtsstaat diese Gewalt nicht hinnimmt."

Es gelte nun, "die Menschen in unserem Land zu schützen, die Rassismus, Judenhass, islamistische Gewalt, Rechtsextremismus und Linksextremismus durch Anfeindungen und Bedrohungen erleben müssen", so die SPD-Politikerin.

Größte Bedrohung ist der Rechtsextremismus

Mit 28.945 Taten wurden erneut am meisten rechtsextremistisch motivierte Fälle gezählt, was einer Zunahme von gut 23 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022 entsprach. Durch rechtsextreme Gewalt seien im vergangenen Jahr 714 Verletzte zu beklagen gewesen.

"In keinem anderen Bereich ist die Opferzahl so hoch", sagte Faeser. Der Rechtsextremismus sei und bleibe damit die größte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, betonte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) Holger Münch.

Auch die Zahl der linksextremistisch motivierten Taten stieg. Hier stellten die Ermittler ein Plus von 11,5 Prozent auf 7.777 von 6.976 im Jahr 2022 fest.

Münch: Eskalationspotenzial ist groß

Das größte Plus wurde allerdings bei den religiös motivierten Straftaten registriert: Hier verbuchte das Bundeskriminalamt eine Zunahme um gut 203 Prozent auf 1.458 Straftaten 2023 im Vergleich zu 481 im Jahr zuvor. Die Zahl der registrierten Fälle im Zusammenhang mit einer ausländischen Ideologie stieg um 33 Prozent auf 5170.

In beiden Bereichen nahmen auch Gewalttaten deutlich zu. BKA-Präsident Münch sagte, dass das "Eskalationspotenzial groß" sei. Erkennbar ist dies dem Bericht zufolge auch an den antisemitischen Straftaten, die mit 5.164 Delikten (davon 148 Gewalttaten) einen neuen Höchststand erreichten.

Allein 53 Prozent der 2023 erfassten Taten seien nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober verübt worden, sagte BKA-Chef Münch. "Der 7. Oktober 2023 war für Jüdinnen und Juden eine tiefe Zäsur, leider auch in Deutschland", sagte Innenministerin Faeser.

Mehr Angriffe auf Mandatsträger

Auch die Zahl der Straftaten gegen Amtsträger und Ehrenamtliche nahm demnach zu. Zwar gingen Angriffe mit dem Ziel "Staat" insgesamt um gut 28 Prozent zurück. Angriffe auf Amts- und Mandatsträger nahmen im Vergleich zu 2022 aber um 29 Prozent zu. Faeser sagte, vor allem am rechten Rand werde "ein Klima der Gewalt" geschürt.

Sie verwies auf den Angriff gegen den sächsischen SPD-Europaabgeordneten Mathias Ecke, der Anfang Mai in Dresden beim Anbringen von Wahlplakaten krankenhausreif geschlagen worden war. Die mutmaßlichen Täter sollen teils Verbindungen ins rechtsextreme Milieu haben.

2.488 Straftaten gegen Asylbewerber

Auch die Zahl der Straftaten gegen Geflüchtete nahm 2023 "deutlich" zu, wie es in dem Bericht weiter heißt. Die Polizei habe insgesamt 2.488 Straftaten gegen Asylbewerber registriert, darunter 321 Gewalttaten. Das entspreche insgesamt einem Anstieg um 75 Prozent, bei den Gewalttaten waren es 15 Prozent.

Zudem seien 179 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert worden, eine Steigerung von etwa 50 Prozent zum Vorjahr. Fast 90 Prozent dieser politisch motivierten Straftaten gegen Asylbewerber oder Unterkünfte seien im Phänomenbereich "rechts" erfasst worden.