Das Firmenlogo der Carl Zeiss AG vor der Konzernzentrale
Flaggen der Carl Zeiss AG an der Firmenzentrale in Oberkochen in Baden-Württemberg. Bildrechte: picture alliance/dpa/Stefan Puchner

Wirtschaft Jenaer Carl Zeiss AG: Von der Optikerwerkstatt zum Milliarden-Konzern

22. März 2024, 11:07 Uhr

Die Carl Zeiss AG gehört zu den ältesten, erfolgreichsten und stabilsten deutschen Unternehmen. Entstanden 1846 in einer kleinen Werkstatt in Jena ist die Firma längst zu einem Multi-Milliarden-Tech-Konzern gewachsen, der global operiert. Mit einem dicken Finanzpolster im Rücken investiert Zeiss auch in Jena kräftig. Trotz der multiplen weltweiten Krisen scheint den Konzern nichts zu erschüttern. Was könnten die Gründe für diese Stabilität sein?

MDR THÜRINGEN-Reporter Olaf Nenninger
Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

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Etwa seit der Jahrtausendwende liefert die Carl Zeiss AG regelmäßig Rekordbilanzen ab. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz schon bei über zehn Milliarden Euro, das Gesamtergebnis bei 1,7 Milliarden Euro. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Mitarbeiter des längst global agierenden Unternehmens auf über 40.000.

Zwar liegt der Firmensitz im baden-württembergischen Oberkochen, doch der Erfolg von Zeiss lässt sich auch gut am Gründungsstandort Jena ablesen. Auch hier stellt Zeiss immer mehr Menschen ein. Mittlerweile sind es 3.200.

Das Ortseingangsschild des Jenaer Ortsteils Isserstedt
In Isserstedt will das Unternehmen wahrscheinlich neue Produktionsstätten bauen. Um welche Flächen es genau geht, ist noch unklar. Bildrechte: MDR/Olaf Nenninger

In der Nähe des Jenaer Westbahnhofs entsteht ein futuristisch anmutender so genannter Hightech-Campus für rund eine halbe Milliarde Euro. Und weil der Platz wahrscheinlich nicht reicht, hat das Unternehmen jüngst angekündigt, westlich der Stadt, in Jena-Isserstedt Flächen für neue Produktionsgebäude zu kaufen. Von einer anschließenden Multimillionen-Investition ist auszugehen.

Großer Forschungs- und Innovationsdruck

Eine wichtige Ursache für den anhaltenden Erfolg sieht Beatrice Weinberger, Presseprecherin der Jenaer Tochterunternehmens, in der DNA des Technologiekonzerns. Wissenschaft und Forschung hätten seit mehr als 150 Jahren einen gewaltigen Stellenwert im Haus.

Das begann mit der Zusammenarbeit zwischen dem Handwerker/Unternehmer Carl Zeiß und dem Mathematiker Ernst Abbe, dessen Berechnungen die Serienfertigung von Mikroskopen erst möglich machten. Sie begründeten den exzellenten Ruf der Jenaer Firma.

Das Gebursthaus von Carl Zeiß in der Jenaer Altstadt
Zeiß’ dritte Werkstatt am Johannisplatz in Jena. Dort entstanden 1872 die ersten Mikroskope mit vorberechnetem Linsenschliff. Bildrechte: MDR/Olaf Nenninger

Bereits Ende des 19. Jahrunderts verschickte sie ihre Produkte in alle Welt. Die enge Verzahnung von Marketing und Wissenschaft werde bis heute so fortgeführt, sagt Weinberger. Da Zeiss einen Großteil seiner Produkte an andere Unternehmen absetzt oder für die Forschung wie beispielsweise in den Biowissenschaften herstellt, gehören vor allem Wissenschaftler zu den Kunden. Ihre Wünsche und Expertise flössen bei der Entwicklung neuer Produkte immer mit ein, so Weinberger.

Zeiss AG setzt auf Computer- und Mikrochips

Dass sich Tech-Unternehmen große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen leisten und sich stark an Kundenwünschen orientieren, ist Standard und erklärt noch nicht, wieso Zeiss derart stabil wächst. Das Unternehmen hat bereits vor Jahren Megatrends identifiziert und verfolgt sie konsequent, erklärt Jörg Nitschke, Pressesprecher von Zeiss in Oberkochen. Wichtigstes Geschäftsfeld derzeit und Hauptgrund für den anhaltenden Erfolg: die Digitalisierung.

Der Konzern hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend auf das Geschäft mit der Herstellung von Computerchips fokussiert. Das geschah relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit, die Zeiss wahrscheinlich in erster Linie mit Kameraobjektiven, Brillen und Mikroskopen verbindet.

Montage und Justage von Lithografie-Optiken im Reinraum bei Carl Zeiss
Montage und Justage von Lithografie-Optiken für die Halbleiterindustrei im Reinraum bei Carl Zeiss. Bildrechte: Carl Zeiss

Vor ein paar Jahren hat der Konzern, genau genommen die Tochterfirma Carl Zeiss SMT, gemeinsam mit anderen Unternehmen ein neues Verfahren für die Herstellung von Computerchips entwickelt. Dafür werden die Wafer mit extrem ultravioletten Licht belichtet. Das ermöglicht dreimal so viele integrierte Schaltkreise als bisher und damit deutlich mehr Rechenleistung.

Europas wertvollstes Technologieunternehmen, die niederländische ASML, war an der Entwicklung beteiligt und kaufte sich anschließend für viel Geld in Carl Zeiss SMT ein. Über diese Partnerschaft ist Zeiss an 80 Prozent der weltweiten Herstellung von Mikrochips beteiligt und beeinflusst damit indirekt den Fortschritt bei Künstlicher Intelligenz und Robotik. Carl Zeiss SMT trägt zu einem großen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg des Mutterkonzerns bei.

Baukräne arbeiten an der Baustelle am Jenaer Westbahnhof
Zeiss‘ Zukunft an Jenas Westbahnhof: Der eine halbe Milliarde Euro teure Hightech-Campus soll Ende 2025 fertig sein. Bildrechte: MDR/Olaf Nenninger

Demographie lässt Geschäft wachsen

Ein weiterer Megatrend ist die älter werdende Gesellschaft. Auch hier setzt Zeiss seit Jahren an. Beispiel Carl Zeiss Meditec: CEO Markus Weber erklärte am Donnerstag auf der Hauptversammlung: "Der demographische Wandel ist ein Megatrend und eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens, denn mit steigendem Alter nehmen Menschen auch mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch. Dem Anstieg von älteren Personen in unseren Gesellschaften steht die sinkende Zahl an medizinischem Personal gegenüber."

Der demographische Wandel ist ein Megatrend und eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens, denn mit steigendem Alter nehmen Menschen auch mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch.

Markus Weber CEO | Carl Zeiss Meditec

Carl Zeiss Meditec stellt Systemlösungen für die Augenheilkunde her: Instrumente für die Augenuntersuchung, Operationsmikroskope und medizinische Laser. Und das mit großem Erfolg (2023 über zwei Milliarden Euro Umsatz, 348 Millionen Euro Gewinn). Aber auch in anderen Tochterfirmen und Sparten spielt die Medizintechnik eine entscheidende Rolle.

Das Operationsmikroskop Opmi Lumera T von Carl Zeiss Meditec aus Jena im Einsatz.
Das Operationsmikroskop Opmi Lumera T von Carl Zeiss Meditec aus Jena im Einsatz. Bildrechte: Carl Zeiss Meditec AG

Carl-Zeiss-Stiftung fördert Wissenschaftsinstitute

Sämtliche Dividenden der Carl Zeiss AG und ihrer Tochterfirmen, mit Ausnahme von Carl Zeiss Meditec, fließen in die Carl-Zeiss-Stiftung. Sie ist alleinige Aktionärin der Unternehmen. Das Risiko, dass die Firmen allein für die Belange von Aktionären oder Hedgefonds arbeiten, besteht somit nicht.

Die Stiftung mit Sitz in Heidenheim an der Brenz und Jena ist einer der ältesten Institutionen, die sich der Wissenschaftsförderung verschrieben hat. Sie unterstützt Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Projekte in wissenschaftlichen Einrichtungen in Thüringen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.

Im vergangenen Jahr flossen 15 Prozent des Umsatzes der Stiftungsunternehmen, also 1,5 Milliarden Euro in die Forschungsförderung. Von den Ergebnissen profitiert Zeiss und seine Tochterfirmen. Mittlerweile nennen sie 11.300 Patente ihr eigen.

MDR (one/jw)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 21. März 2024 | 22:00 Uhr

4 Kommentare

camper21 vor 5 Wochen

Carl Zeiss ist nicht das einzige Unternehmen, welches nach dem Krieg den Osten verlassen hat und sehr stark, erfolgreich und groß wurde, BMW aus Eisenach, Audi aus Sachsen, Allianz und Siemens aus Berlin, nur um die Größten zu nennen.

camper21 vor 5 Wochen

Den Hautsitz nach Baden-Württemberg verlegt ,wo das meiste Geld hingeht und Thüringen als verlängerte Werkbank ausgebaut, dank der sowjetischen Besatzungsmacht.

Burgfalke vor 5 Wochen

Isserstedt gehört verwaltungsseitig zur Stadt Jena und angrenzend. Daher ist es folgerichtig, daß man nicht zig km vom Stammsitz entfernt baut.

Daß die Landeshauptstadt schlecht wegkommt, daß trifft nun wahrlich nicht zu.

P.S. Zum Bauland in Isserstedt will ich nur hoffen, daß mein Schwager Nutznießer sein kann bzw. die Fläche ihm gehört.

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