Justiz Gera: Warum die Jugendstation für die Ermittler ein Erfolgsmodell ist

24. März 2024, 16:49 Uhr

Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe arbeiten immer zusammen, wenn Jugendliche Straftaten begehen. Aber nur in Gera und in Jena sitzen sie auch zusammen in einem Gebäude. Jugendstation heißt das Modell, und alle, die hier arbeiten, sind davon überzeugt, dass die Bekämpfung von Jugendkriminalität so am besten funktioniert.

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Im Normalfall liegen zwischen Delikt und juristischer Konsequenz auch bei Jugendlichen viele Monate, in einer Jugendstation sind es nur wenige Wochen.

Anzeigen zu Straftaten von Jugendlichen werden sofort bearbeitet

Die Jugendstation in Gera ist nicht nur für Jugendliche aus dem Stadtgebiet, sondern auch für den Landkreis Greiz zuständig. Wird jemand beim Stehlen erwischt, gibt es eine Schlägerei oder Drogendelikte, dann landen die Anzeigen zuerst bei der Polizei in der zweiten Etage des roten Gebäudes in der Berliner Straße. Hier werden sie sofort bearbeitet, wie der Leitende Polizeidirektor Matthias Zacher sagt. Das bedeute, dass die Jugendlichen merken, es gibt sofort Konsequenzen, Arbeitsstunden, eine Strafe, ein Anti-Aggressionstraining.

Und das, sagt Zacher, verhindere eine kriminelle Karriere. Zudem könne die Polizei hier präventiv tätig sein, das stehe als erstes im Gesetz, dann erst komme die Strafverfolgung. Und dieses frühe Reagieren sei immens wichtig. Die Polizei habe immer zu wenige Personal, aber hier werde nicht gespart, sagt Zacher, und was die Kollegen hier leisten, entlaste auch andere Stellen.

Polizeidirektor Mattthias Zacher
Hier kann die Polizei auch präventiv wirken: Polizeidirektor Matthias Zacher Bildrechte: MDR/Markus Hering

Staatsanwaltschaft entscheidet, wie es weitergeht

Nach Eingang der Anzeige geht das Verfahren zur Staatsanwaltschaft, die sitzt in Gera eine Etage höher. Hier arbeiten erfahrene Jugendstaatsanwälte. Sie schauen sich Fall und Tatverdächtige an - und entscheiden dann, wie es weiter geht. Möglich ist: Anklage zum Gericht, erzieherische Maßnahmen, Arbeitsstunden.

Gleichzeitig mit der Staatsanwaltschaft wird die Jugendgerichtshilfe informiert, die zwingend ins Verfahren eingebunden werden muss, wenn es um Jugendliche (14 bis 18 Jahre) oder Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) geht. Auch für sie gilt in den meisten Fällen noch Jugendrecht, in dem der Erziehungsgedanke Vorrang hat.

Jugendgerichtshilfe gibt Empfehlungen

In Gera sitzt die Jugendgerichtshilfe im Erdgeschoss. Und weil die Geraer Jugendstation auch für den Landkreis Greiz zuständig ist, arbeiten hier Beschäftigte zweier Jugendämter. Sie sprechen mit den Jugendlichen, mit ihren Eltern, schauen nach der sozialen Situation. Sie geben dann eine Empfehlung, welche Konsequenz für den straffällig gewordenen Jugendlichen dazu führen könnte, dass er nicht noch mal zuschlägt oder stiehlt. Das gehe hier sehr gut, sagt Susan Lindenberg vom Jugendamt des Landkreises Greiz, weil die Wege, Dinge abzusprechen, so kurz seien. Denn dauert eine Entscheidung zu lange, sei das keine Erziehung mehr, sondern eine Bestrafung.

Susan Lindenberg, Jugendamt Kreis Greiz
Empfehlungen an Polizei und Justiz, welche Maßnahme bei straffällig gewordenen Jugendlichen jeweils am wirksamsten ist: Susan Lindenberg vom Jugendamt des Kreises Greiz Bildrechte: MDR/Markus Hering

Steffen Flieger, leitender Oberstaatsanwalt aus Gera, war früher selber Jugendstaatsanwalt. Jeden Monat hatte er zwischen 500 und 700 Verfahren auf dem Tisch. Da könne man nicht so reagieren wie hier, in der Jugendstation, sagt er. Zum Bespiel bei Kriminalitätsschwerpunkten gezielt eingreifen, das merke dann auch das Umfeld. Die enge räumliche Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren sei immens wichtig, und auch die betroffenen Jugendlichen hätten einen Anlaufpunkt. Er hätte sich früher so etwas gewünscht, sagt Flieger, der ebenso wie Matthias Zacher dafür sorgt, dass die Station personell gut besetzt ist.

Aufbau einer Jugendstation ist ein Kraftakt

Natürlich sei der Aufbau einer solchen Station ein Kraftakt, völlig unterschiedliche Behörden und Ämter arbeiten hier zusammen - unter Wahrung des Datenschutzes, darauf legt Flieger Wert. Staatsanwaltschaft, Polizei und im Fall von Gera die Jugendämter einer Stadt und eines Landkreises. In Gera und auch in Jena ist das gelungen. Jena ist auch für den Saale-Holzland-Kreis zuständig.

Oberstaatsanwalt Steffen Flieger
Jugendstation erleichtert die Arbeit für die Staatsanwaltschaft: Oberstaatsanwalt Steffen Flieger Bildrechte: MDR/Markus Hering

Eine Jugendstation zu betreiben heiße: ein Haus zu finden, die Räume herzurichten, wenn nötig und letztendlich dafür zu sorgen, dass eine dauerhafte Besetzung gewährt wird, sagt Flieger. Das einzige, was er sich noch wünscht, ist nach seinen Worten eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung, dafür war bisher kein Geld da.

Und weil Steffen Flieger so überzeugt von der Jugendstation ist, hat er sie auch in anderen Thüringer Städten vorgestellt. In Erfurt gibt es jetzt erste Überlegungen zu diesem Modell.

MDR (ch/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 22. März 2024 | 19:00 Uhr

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