Schatten einer Frau mit Neugeborenem am Fenster einer Klinik (Foto: picture alliance/dpa | Sina Schuldt)

Wenn niemand etwas von der Schwangerschaft wissen darf

  01.05.2024 | 18:59 Uhr

Seit zehn Jahren haben Frauen in besonders schwierigen Lebenssituationen in Deutschland die Möglichkeit, ihr Kind anonym auf die Welt zu bringen. Diese "vertrauliche Geburt" wurde im Saarland seither neun Mal genutzt.

Mal ist es die Angst vor dem gewalttätigen Kindsvater, mal die vor der eigenen Familie, mal liegt eine wirtschaftliche oder psychische Abhängigkeit zugrunde: Manche werdende Mütter sind in solch großer Not, dass sie ihre Schwangerschaft selbst vor ihrem engsten Umfeld verheimlichen.

In Deutschland gibt es für solche Situation viele Hilfsangebote – ein Ausweg ist seit nunmehr zehn Jahren auch die "vertrauliche Geburt". Das entsprechende Gesetz trat am 1. Mai 2014 in Kraft.

Neun vertrauliche Geburten im Saarland

Im Saarland gab es seither neun vertrauliche Geburten. Bundesweit waren es knapp 1200. Für das saarländische Gesundheitsministerium ist es ein wichtiges Angebot im Spektrum der Hilfs- und Beratungsangebote für schwangere Frauen.

Bei einer vertraulichen Geburt werden nach einem Gespräch bei einer Beratungsstelle die Daten der Mutter aufgenommen und unter einem Pseudonym beim Bundesfamilienamt hinterlegt. Die Geburt selbst wird fortan nur noch unter diesem Pseudonym begleitet – angefangen beim Krankenhaus und der Hebamme, über das Jugendamt bis hin zum Standesamt, das die Geburtsurkunde ausstellt.

Nach der Geburt hat die Mutter bis zum gerichtlichen Adoptionsbeschluss Zeit, das Kind doch anzunehmen. Dieser Beschluss erfolgt laut dem Bundesfamilienministerium frühestens nach einem Jahr.

Mit 16 Jahren dürfen Kinder Herkunftsnachweis einsehen

Wird das Kind adoptiert, hat es ab seinem 16. Geburtstag die Chance, seinen Herkunftsnachweis einzusehen. Die Mütter werden dazu ermutigt, den Kindern in diesem Nachweis möglichst viele Informationen über ihre Herkunft und die Gründe mitzugeben, warum sich die Mutter für diesen Weg entschieden hat.

Mehr Anerkennung für Mütter

Angst und auch Scham sind aus der Erfahrung von Experten mit die häufigsten Gründe, warum sich Frauen für eine vertrauliche Geburt entscheiden. Und gerade auch wegen der Scham komme ein reguläres Adoptionsverfahren häufig nicht in Frage – da es in Teilen der Gesellschaft immer noch geächtet sei.

"Der Wunsch nach Anonymität ist oft nicht dem Kind gegenüber, sondern der Umgebung", betont Yvonne Fritz vom Sozialdienst katholischer Frauen gegenüber der dpa. Sie wünscht sich mehr Anerkennung für Frauen, die ihr Kind in gute Hände geben wollen.

Ähnlich sieht es auch Heike Pinne von Pro Familia. "Fast alle Frauen in der Beratung sagen: Das Wichtigste ist mir, dass es dem Kind gut geht", sagte Pinne. Zugleich würden sich viele als wahnsinnig schlechte Mütter fühlen. "Dabei sorgen sie dafür, dass ihr Kind an einen guten Ort kommt. Denen gebührt allerhöchster Respekt und nicht Stigmatisierung", so Pinne.


Mehr zu Hilfsangeboten für Frauen und Mütter in Not

Anlaufstellen und Hilfsangebote
Wo Gewalt gegen Frauen anfängt
Gewalt hat viele verschiedene Formen. Wie erkennt man, ob man selbst oder jemand aus dem eigenen Umfeld von Gewalt betroffen ist? Und wo gibt es Hilfe? Ein Beitrag zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.

Angst auf dem Heimweg: Tipps, damit ihr euch sicher fühlt
Viele Frauen dürften das Szenario kennen: Nachts allein auf dem Heimweg – begleitet von einem ständigen Gefühl der Unruhe. Oft fühlt man sich draußen allein nicht sicher, auch im eigenen Heimatort. Hier findet ihr Infos zum Thema und Tipps für Männer und Frauen.

Handlungsmöglichkeiten im Saarland
Wie sich Zeugen häuslicher Gewalt verhalten können
Wer im Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis oder bei den Nachbarn mitbekommt, dass es dort zu häuslicher Gewalt kommt, sollte nicht wegschauen. Im Saarland gibt es verschiedene Anlaufstellen für Betroffene, auf die Zeuginnen und Zeugen hinweisen können. Der Frauennotruf gibt Tipps, wie man sich im Umgang mit Betroffenen verhalten kann.

2001 in Neunkirchen eingerichtet
Babyklappe im Saarland bislang neun Mal genutzt
Seit über 20 Jahren gibt es in der Kinderklinik in Neunkirchen-Kohlhof ein Babyfenster - ein letzter Ausweg für Mütter in Not. Dort können sie ihren Säugling anonym abgeben. Insgesamt gab es seither neun Inobhutnahmen.

Neues Beratungsangebot
Frauennotruf Saarland unterstützt künftig auch online
Frauen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, können sich im Saarland an den Frauennotruf wenden. Künftig muss dies nicht mehr telefonisch oder persönlich passieren, sondern die Beratungsstelle ist ab sofort auch über eine Online-Plattform erreichbar. Das soll den Zugang noch vereinfachen.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja