Mit schwerem Gerät wird an der Ahr der Wiederaufbau der Bahnstrecke vorangetrieben.

Rheinland-Pfalz Mertin zu Flutermittlungen: Das Verfahren ist noch nicht beendet

Stand: 23.04.2024 17:35 Uhr

Der Rechtsausschuss des Landtags hat sich am Dienstag damit befasst, dass die Staatsanwaltschaft wegen der Flutkatastrophe keine Anklage erheben wird. Justizminister Herbert Mertin (FDP) wollte die Entscheidung nicht bewerten.

Am vergangenen Donnerstag hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz bekannt gegeben, dass sie die Ermittlungen gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), einstellt. Auch gegen einen Mitarbeiter des damaligen Krisenstabes wird demnach keine Anklage erhoben.

Minister Mertin lässt Justiz freie Hand im Verfahren gegen Ex-Landrat Pföhler

Mertin zeigt Verständnis für Enttäuschung der Betroffenen

In einer Sondersitzung des Rechtsausschusses sagte Mertin, er habe Verständnis dafür, dass diese Entscheidung kritisch beleuchtet werde. Angesichts der zahlreichen Fehler, die die beiden Beschuldigten aus dem Kreis Ahrweiler gemacht hätten, könne er "sehr gut nachvollziehen, dass die Menschen strafrechtliche Reaktionen erwarten".

Entscheidend für eine Anklageerhebung sei jedoch auch die Frage, ob es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu dem Unglück gekommen wäre, wenn die Fehler nicht gemacht worden wären. 

"Mit dieser Entscheidung ist nicht alles erledigt"

Der Justizminister betonte, dass das Verfahren mit der Einstellung der Ermittlungen noch nicht beendet sei. "Es ist nicht so, dass mit dieser Entscheidung alles erledigt ist", erklärte Mertin. Die Betroffenen könnten diese zunächst von der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz überprüfen lassen. Je nachdem wie diese entscheide, komme es doch zu einer Anklage oder die Entscheidung der Staatsanwaltschaft werde bestätigt. Dann gibt es laut Mertin noch die Möglichkeit eines Klageerzwingungsverfahren am Oberlandesgericht.

Justizminister: "Eine Bewertung steht mir nicht zu"

Weil das Verfahren nicht beendet sei, stehe es ihm auch nicht zu, "eine abschließende Bewertung zu treffen, was die Staatsanwaltschaft gemacht hat", sagte Mertin. "Was ich persönlich machen würde, tut hier gar nichts zur Sache." Der Minister sei an der Stelle außen vor. Das Verfahren sei darauf gerichtet, politische Einflussnahme außen vor zu halten, so Mertin. 

Der Opferanwalt Christian Hecken hatte Justizminister Mertin vergangene Woche aufgefordert, das Ermittlungsverfahren auszusetzen und die Staatsanwälte auszuwechseln. Hecken bezeichnete das Verfahren als unfair.

Dauer der Prüfung durch Generalstaatsanwaltschaft unklar

Wie lange die Prüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft dauern werde, sei "ganz schwer zu prognostizieren". Klar sei aber - sagte der Justizminister - , dass die Generalstaatsanwaltschaft nicht ganz neu anfangen müsse.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatten rund zweieinhalb Jahre gedauert. Dabei ging es um fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. 

Strafrechtsexperte sieht wenig Chancen für Beschwerde

Hinterbliebene der tödlichen Flutkatastrophe im Ahrtal haben nach Aussage ihres Anwalts Hecken bereits Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz eingelegt.

Nach Ansicht eines Strafrechtsexperten bestehen dabei nur sehr geringe Erfolgsaussichten. Das sagte Till Zimmermann, Professor für Strafrecht an der Universität Düsseldorf, am Montagabend bei einer SWR-Podiumsdiskussion in Dernau. Generell hätten sogenannte Klageerzwingungsverfahren nur minimale Erfolgsaussichten.

Bei der Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 sind im Ahrtal mindestens 135 Menschen getötet und mehrere hundert Menschen verletzt worden.

Sendung am Di., 23.4.2024 9:00 Uhr, Der Vormittag, SWR1 Rheinland-Pfalz