ImPuls - Jugendliche mit Alkohol

Hat der Alkohol ausgedient? | MEINUNG

Stand: 30.04.2024, 06:00 Uhr

Der 1. Mai ist für viele traditionell ein Tag, an dem viel getrunken wird. Ob beim Tanz in den Mai, beim Vatertagsausflug oder beim Maibaum aufstellen. Aber: Vor allem die Jüngeren trinken immer häufiger gar nicht. Stirbt der Rausch aus?

Von Minh Thu Tran

Ich muss diese Kolumne mit einem Geständnis starten: Ich mag Alkohol gar nicht. In 90 Prozent der Fälle finde ich nicht mal, dass er schmeckt. Bier, Wein, Crémant, Whiskey, Vodka, Mixgetränke. Nichts davon trinke ich wirklich mit Genuss. Ich mag nicht, was der Alkohol aus Menschen macht, die um mich rum sind. Ich mag es nicht, dass viele in meinem Umkreis keinen anderen Umgang mit dem Stress des Lebens finden, als nach Feierabend oder am Wochenende zu trinken. Ich mag es nicht, wenn meine Freunde davon aggressiv oder weinselig werden, ich hasse die Rolle, die der Alkohol in tragischen Geschichten in meiner Familie gespielt hat - die Geschichten, die es so oft in so vielen Familien gibt.

Und trotz allem: Ich trinke auch regelmäßig. An Wochenenden, auf Geburtstagen, auf Hochzeiten. Keine obszönen Mengen, ich vertrage Alkohol ja nicht mal besonders gut. Aber ich bin regelmäßig angesäuselt. Weil, wenn wir hier schon mal ehrlich sind: Die meisten von uns sind nicht besonders gut darin, sich gegen Gruppendynamiken und den gesellschaftlich akzeptierten und sogar kulturell geförderten Drogenkonsum zu stemmen. Sind wir Menschen nicht wunderbar widersprüchlich? Dass wir Dinge tun, die uns nicht gut tun, die wir nicht mal mögen?

Der Alkoholrausch ist gesellschaftlich akzeptierter Kontrollverlust

Und so werde ich auch an diesem Feiertag wieder beim Tanz in den Mai mehr Vodka-Mates und Aperol Spritz trinken, als mir guttun. Und das werden wahrscheinlich sehr viele andere Menschen hier in Deutschland auch tun. Zum Beispiel die, die im Rheinland oder auch in meiner bayerischen Heimat Maibäume für ihre Freundinnen aufstellen und sich beim Bewachen des Maibaums zusammen mit ihren Freunden die Nacht mit einigen Kästen Bier um die Ohren schlagen. Oder die Vatertags-Kolonnen, die mit ihren Bollerwägen durch die Dörfer und Felder ziehen und den ein oder anderen über den Durst trinken werden.

Das regelmäßige Besäufnis bringt Deutschland zusammen. Die Konservativen trinken aus Tradition, die Linken als Akt der Rebellion, als Aufbäumen gegen die Zwänge einer Leistungsgesellschaft. Was sie vereint: Die meisten finden Nicht-Trinker langweilig. Und wer will schon langweilig sein? Alkohol ist Mainstream, der Alkohol-Rausch der einzige gesellschaftlich akzeptierte Kontrollverlust. Dabei, und das muss ich hier glaube ich niemandem erzählen, spricht vieles gegen Alkohol. Er macht uns süchtig, er schadet unseren Körpern und der Wirtschaft. 57 Milliarden jedes Jahr kostet unser Alkoholkonsum der Volkswirtschaft.

Haben wir uns damit abgefunden? Eine Gruppe offensichtlich noch nicht: Die vielbesprochene Gen Z. Denn Befragungen zeigen: Tendenziell trinken immer weniger junge Menschen Alkohol. Der Trend geht Richtung Nüchternheit. Laut einer repräsentativen Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2022 gaben deutlich mehr jüngere Menschen als bisher an, nicht regelmäßig Alkohol zu trinken. Auch eine internationale Onlineumfrage von YouGov kommt zu dem Ergebnis. Demnach verzichten knapp die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland komplett auf Alkohol. Die Daten von YouGov basieren auf Umfragen in 26 Ländern. Befragt wurden mehr als 250.000 Personen. Die genaue Fragestellung lautete: Inwieweit stimmen Sie der folgenden Aussage zu oder nicht zu? Ich trinke keinen Alkohol. Als Antwort zulässig war eine Zustimmung, Nicht-Zustimmung oder ein Weder-noch.

Tauscht die Gen Z Alkohol gegen andere legale Drogen aus?

Psychologen, Journalistinnen, Soziologen - sie alle haben sich schon Gedanken darüber gemacht, warum das so ist. Das machen wir ja gerne, mal mit Belustigung oder mit Erstaunen auf "diese jungen Menschen da" gucken. Da wird darüber spekuliert, dass Selbstoptimierung und Selbstdarstellung auf Social Media wichtiger geworden sei - da passe der Suff nicht ins Bild. Dass sich das Leben mehr ins Digitale verlagert hätte, da werde weniger getrunken. Dass jungen Menschen ihre Mental Health wichtiger sei, als den Generationen zuvor.

Ich finde das immer befremdlich, wenn auf junge Menschen so geguckt wird als wären sie Zootiere. Also frage ich einfach die Teenager in meinem Leben, ob sie trinken oder nicht und warum. Die Antworten? Reichen von "nur ganz manchmal" zu "schmeckt mir gar nicht" oder "killt meine Gains" (zerstört Fortschritte beim Sporttraining). Das sind jetzt keine Umfragen und Studien, sondern Anekdoten aus meinem Umfeld - aber sie zeigen mir schon, dass mein Bruder und seine Freunde deutlich gediegener unterwegs sind als mein Jahrgang in ihrem Alter.

Zieht sich die Gen Z aus dem gesellschaftlich akzeptierten Rausch raus? Das glaube ich nicht. Rauschzustände finden wir Menschen schon immer gut. Das wird sich auch nicht ändern. Laut dem Jahrbuch Sucht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen steigt schon seit Jahren der problematische Cannabiskonsum. In vielen Kiosken kann man Lachgaskartuschen mit Luftballons kaufen, fertig zum Inhalieren, für den kurzen Kick. Legaler Rausch geht inzwischen ja auch ganz gut ohne Alkohol.

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Aber die Saufgelage am 1. Mai wären vielleicht doch nochmal für uns alle ein guter Anlass, um in sich zu gehen und sich zu fragen: Will ich gerade überhaupt Alkohol trinken? Oder trinke ich nur, weil man das eben so macht? In dem Sinne wünsche ich allen einen schönen 1. Mai und wer sich bewusst oder trotzdem weiterhin unbewusst ein Gläschen gönnen will: Prost!

Welche Rolle spielt Alkohol in unserer Gesellschaft? Und wie verbringen Sie die freien Tage? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Kommentare zum Thema

45 Kommentare

  • 45 Anonym 06.05.2024, 14:09 Uhr

    Bitburger 0,0 Herb - Super Kompromiss für alle die Bier mögen, aber klar bleiben möchten. Es gibt auch andere Hersteller die 0,0 anbieten, da müsste teilw. aber noch geschmacklich dran gearbeitet werden. Wichtig ist nur 0,0 ist auch wirklich komplett alkfrei! Für manche von uns ist das relevant! Nicht alle Supermärkte und Getränkeläden haben da die gleiche Auswahl. Der Trend ist aber (hoffendlich) dahingehend. Alkohol richtet einfach zu viel Schaden an und das wissen doch die meißten. Für alle, die sich alkoholfrei ausgegrenzt fühlen sage ich euch: stark bleiben und darauf hoffen, dass die Anderen vielleicht doch noch ihr Hirn gebrauchen und behalten wollen. :-)

  • 44 Udo Fernbach 05.05.2024, 10:31 Uhr

    Solange in Dorsten die Tri Kernheilanstalt gegenüber einem Spielplatz liegt und keine Milchbar installiert ist, wird sich die Anwohner Schaft wohl weiterhin mit Zerstörung von Toiletten. herum ärgern müssen. Anstatt dort Hühner frei umherlaufen zu lassen als erstes Alarmzeichen, dass du h gekümmert werden muss.

  • 43 Hansi 04.05.2024, 08:31 Uhr

    Alkohol war nach Zigaretten die zweite Drogenbegegnung in meinem Leben. Glücklicherweise bekam ich vom Alkohol regelmäßig einen schweren Kater und habe schon früh Cannabis für mich entdeckt. Letzteres hat mich als Musiker und Mensch kreativer gemacht und als Asthmatiker nebenwirkungsmäßig beschwerdefrei. Also Genuß und Gesundheit statt Suff und Krankheit. In meiner Nachbarschaft und Familie wurde schon immer viel getrunken. Nun, nach einigen Jahrzehnten sieht man die Auswirkungen: Schlaganfälle, Fettleber, Jähzorn, Aggressivität, Bierbäuche uvm. Angesichts dessen plädiere ich rauschmäßig für Cannabis.

  • 42 Lordbauch 03.05.2024, 13:53 Uhr

    Als Vater einer 20 Jährigen, kann ich in Bezug auf den Freundeskreis meiner Tochter sagen, dass die Feste gefeiert werden, wie sie fallen und wie es den Protagonisten gefällt ... und der Freundeskreis setzt sich sehr bunt zusammen...es gibt die, die Alkohol trinken, es gibt die, die kein Schweinefleisch essen, es gibt die, die keinen Alkohol trinken, es gibt die, die lieber das eigene Geschlecht lieben, die anderen, die sich so etwas gar nicht vorstellen können... aber keiner äußert sich verwundert über den anderen...den sie sind zusammen aufgewachsen...für sie ist es normal, so zu sein, wie sie sind...mein Weg war eben ein anderer, von den Eltern auf Massenkompatibilität getrimmt, nicht auffallen, Gruppendynamik mitmachen...vieles, was heute als normal angesehen wird, also auch weniger Alkoholkonsum, war "zu meiner Zeit" eben "anders" ... warum müssen aus diesen "Unterschieden" immer Generationenkonflikte gemacht werden? Lass sie machen, hat bei uns ja geklappt...;-)

  • 41 Gandalf 03.05.2024, 12:58 Uhr

    Ich versteh immer nur "Saufgelage" oder "Rausch". Muß man denn immer im Gelage saufen oder solange saufen, bis man untergeht ? Man kann Alkohol auch einfach zum Steak oder sonstigem guten Essen trinken, abends beim Fernsehn auch mal ein paar Gläser, vielleicht in geselliger Runde. Es gibt wahrlich keinen Grund, Alkohol so zu verteufeln. Klar sein dürfte, wer nicht mit Alkohol umgehen kann, der soll die Finger weglassen !

  • 40 Rentner Klaus 03.05.2024, 11:57 Uhr

    Als „Vietdeutsche“ mit ostasiatischen Genen steht man sicher auf Kriegsfuß mit Alkohol, steht bei Wikipedia unter „Alkoholintoleranz“. Ob ich jetzt der Richtige bin für Kids zu sprechen ist allerdings auch zweifelhaft. Alkohol hat „Marktanteile“ bei Suchtmitteln verloren, ob andere Suchtmittel besser sind steht auf einem andren Blatt. Deutlich zurückgegangen ist laut Alkoholatlas 2022 der Alkoholkonsum bei Kindern zwischen 12 und 15 Jahren zwischen 2001 und 2021. In der Gruppe zwischen 18 und 25 Jahren hat sich nicht viel geändert. Da ist wohl eher Wunschdenken im Spiel wenn man glaubt, dass der Alkohol „ausgedient“ hat. Auf der Seite „kenn dein Limit“ der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung ist ein Promillerechner verfügbar. Für mich nicht mehr so wichtig, denn ich arbeite nicht mehr und muss nicht mehr morgens zur Arbeit fahren. Aber ich muss morgens aufstehen und dann trinke ich abends lieber nicht mehr als mein Körper mit europäischen Genen über Nacht abbauen kann.

    Antworten (2)
    • Auf Kriegsfuß 06.05.2024, 11:58 Uhr

      Sie stehen jedenfalls nicht mit rassistischer Diffamierung auf Kriegsfuß!

    • Rentner Klaus 06.05.2024, 16:35 Uhr

      @"Auf Kriegsfuß", das ist keine Diffamierung weil es nicht abwertend ist. Auf verschiedenen Kontinenten haben sich Gene nun mal unterschiedlich entwickelt. Das ist reine Beschreibung, die ich zur Sicherheit bei Wikipedia auch noch mal nachgeprüft habe. Den Begriff "Vietdeutsche" habe ich aus der Selbstdarstellung von Frau Minh Thu Tran übernommen. Wenn Sie alles unter Rassismus laufen lassen, sind alle Rassisten und wirkliche Rassisten die zum Problem werden könnten werden danit unsichtbar.

  • 39 Anonym 03.05.2024, 07:38 Uhr

    Stärksten Klimaschutz könnte man bereits zu zero Euro haben ,indem das Kiffen und das Rauchen konsequent verboten würde,, wie es jetzt England bei der jüngeren Generation plant, so daß die lebenslange tödliche Tabakqualmsucht erst gar nicht bei ihr aufkommen kann, , die das Leben um viele Jahre verkürzt,, denn der Qualm mit seinean besoners krebsfördernden Schadstoffen ist ist im Verhältnis zu den Schadstoffen in der Atemluft, mindestens 10000 Male gesundheitsschädlicher , so daß sich besonders die von dem feschen Robert rausgehauenen Billionen Euro teuren Subventionen für angeblich "Klima" (allein die sog. Energie-ende verschlingt 1,2 Bio. Euro Staatskohle ) einsparen liessen, sein sog. Heizungshammer völlig absurd wäre. Aber erzähl das mal den Berliner Wunderluschen. Dort grassiert ja heftigst der schlimmste Bildungsnotstand seit 1945. und die haben die Inkompetenz zude noch mit dem Löffel "gefressen" .Ihnen gehts besonders um Bedienung ihrer affinen Lobbys !

    Antworten (2)
    • Anonym 03.05.2024, 10:50 Uhr

      Ich wäre eher für Auto- und Flugverbot. Da könnte man schon eine Menge einsparen. Mehr als bei Rauchern! Eigentlich geht es hier ja um Alkoholkonsum. Ich bin nicht für Verbote es bringt nichts. Die Prohibition in Amiland ist dafür ein gutes Beispiel.

    • Udo Fernbach 05.05.2024, 10:38 Uhr

      Völlig richtig. Alkohol ist die Ursache manchen Elends. Sowas gehört erpoent.

  • 38 Josef 03.05.2024, 06:14 Uhr

    Gott will nicht, dass wir Drogen jedweder Art zu uns nehmen. Wer sich seinem Willen widersetzt, wird in der Hölle landen.

    Antworten (3)
    • Rentner Klaus 03.05.2024, 12:16 Uhr

      Jesus hat auf einer Hochtzeitsfeier Wasser in Wein verwandelt, nicht umgekehrt. Das ist eine Weile her, heute hätte er bestimmt ein paar Krüge Wasser nicht verwandelt, für Antialkoholiker und Alkohol ist auch heute nicht mehr so wichtig für Kreimfreiheit. Religion aus alten Zeiten auf das Heute übertragen geht öfters schief.

    • WW1961 03.05.2024, 13:13 Uhr

      Dann schmore ich lieber nach meinem Ableben in der Hölle als mir während des Lebens von Göttern etwas verbieten zu lassen

    • Peter 03.05.2024, 21:20 Uhr

      Uuuppps ... so schlimm?

  • 37 Lars B. 03.05.2024, 06:11 Uhr

    Wer als Volljährige(r) Alkohol trinken mag, soll Alkohol trinken dürfen. Wer als Volljährige(r) kiffen mag, soll kiffen dürfen. Ich bin dafür, den Leuten ihre Freiheit zu lassen, ohne direkt irgendwelche Moralkeulen zu schwingen oder Leute zu stigmatisieren, bloß weil sie gerne mal zwei Bierchen trinken oder ein Tütchen rauchen. Lasst den Leuten gefälligst ihre Freiheit! Verlogene Moralarroganz führt ganz schnell zu Bevormundung.

    Antworten (1)
    • Ylander 03.05.2024, 20:13 Uhr

      Sehe ich anders. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Das kann man nicht isloiert betrachten. Die Folgen fallen der ganzen Gesellschaft und zumTeil auch Einzelnen zur Last. Insofern ist es längst nicht allein eine moralische Frage.

  • 36 Axel 02.05.2024, 19:34 Uhr

    Die jüngere Generation ißt nicht mal Fleisch, da ist weniger Alkohol die logische Folge :-D

  • 35 Ich 02.05.2024, 17:56 Uhr

    ... bin kein Rheinländer, ich kann ohne Alkohol lustig sein

    Antworten (1)
    • Rhena 06.05.2024, 04:35 Uhr

      Ohne Beleidigung geht es wohl nicht. Drink doch eene mit, stell' dich nit esu aan ...