Fragen & Antworten

Warum Spielhallenbetreiber in Bremen vor Gericht ziehen

Ein Mann steht vor einem Automaten in einer Spielhalle
Bremen hatte zuletzt die Regeln für Spielhallen veschärft. Bild: Imago / Rolf Poss

Seit letztem Sommer gelten in Bremen strenge Regeln für Glücksspielbetriebe. Betreiber von Spielhallen und Wettbüros gehen nun vor Gericht dagegen vor.

Kein Essen, keine Getränke, Zugang erst ab 21 Jahren und ein Mindestabstand von 500 Metern zu Schulen und anderen Spielhallen oder Wettbüros – das kleinste Bundesland hat seit Juli vergangenen Jahres die größten Einschränkungen für die Glücksspielbranche. Diese Woche startet ein Terminmarathon für mündliche Verhandlungen vor dem Bremer Verwaltungsgericht, denn dort sind mehr als 90 Klagen von Spielhallen und Wettbüros "anhängig", wie es im Juristendeutsch heißt.

Wie ist der aktuelle Stand, was die Umsetzung des Gesetzes betrifft?

Von ursprünglich 150 Spielhallen im Land Bremen sind noch 127 offen. Aufgrund der neuen Gesetzeslage bleiben voraussichtlich 34 Standorte übrig. Bleiben 93, die bei Gericht gegen die Schließungsanordnung geklagt haben. Maike Frese, Staatsrätin im Wirtschaftsressort, geht davon aus, dass es noch einen Augenblick dauert, bis von einst 150 Spielhallen dann noch knapp 50, inklusive Altkonzessionsinhabern, die rechtlich nicht belangt werden können, auf haben.

Unsere Zielsetzung ist ja ganz klar, dass wir die Spielsucht stärker bekämpfen. Wir haben in Bremen das schärfste Gesetz. Vor allen Dingen dahingehend, dass wir die Abstände vergrößern, der Spielhallen untereinander, der Spielhallen zu den Wettstätten, Sportwetten, und zu den Schulen.

Maike Frese, Staatsrätin im Wirtschaftsressort

Allerdings klagen Spielhallenbetreiberfirmen nicht nur gegen die Schließung, sondern auch gegen das Verbot, Essen und Getränke reichen zu dürfen.

Die Begründung der Bremer Landesregierung ist, dass man durch die Maßnahmen Spielsucht bekämpfen möchte. Was sind die Argumente der anderen Seite?

Detlev Grass vom Nordwestdeutschen Automatenverband kritisiert, dass die Menschen bei weniger Möglichkeiten, an legale Glückspielautomaten zu kommen, dann illegale Glückspielmöglichkeiten nutzen. Das zeige die Entwicklung in Berlin, wo 2017 das Gesetz verschärft wurde, so Grass. Dort habe die Zahl der illegalen Automaten deutlich zugenommen, natürlich ohne Jugend- und Spielerschutz.

Irina Menchikowski betreibt unter anderem eine Spielhalle in Bremen-Oslebshausen. Zwar ohne Schule in der Nähe, aber mit drei Mitbewerbern in der Nachbarschaft.

Es gibt vier Standorte, die ins Losverfahren gehen. Jetzt müssen Sie sich das vorstellen, meine Existenzgrundlage wird durch ein Glückspiel entschieden. Die Losverfahren stehen noch an. Es ist eine Politik ohne Sinn und Verstand, die gemacht wird. Es wird nicht dabei bedacht, dass wir ganz normale mitteständische Unternehmen sind, die auch für Mitarbeiter einstehen und glauben Sie mir, den Spielsüchtigen hilft dieses Gesetz nicht.

Irina Menchikowski, Betreiberin einer Spielhalle

Wenn die eine Seite sagt, das Mittel "weniger Spielhallen" hilft den Spielsüchtigen und die andere Seite sagt, das Mittel hilft nicht, wer hat dann Recht?

Zur Behauptung, dass weniger legales Glücksspiel zu mehr illegalem Glückspiel führt, gibt es keine Studien, sagt der Bremer Glücksspielforscher Tobias Hayer. Befragungen in Spielhallen zu Folge hat allerdings jeder dritte Mensch dort ein Glücksspielproblem.

Wir wissen aus der Forschung, dass Verfügbarkeitsbeschränkung einen suchtpräventiven Mehrwert mit sich bringt. Es wird weniger gespielt, es werden weniger Probleme generiert, es gibt weniger Hilfesuchende. Und diese Befunde aus anderen Ländern sind sicherlich auch auf Deutschland übertragbar.

Tobias Hayer, Glücksspielforscher aus Bremen

Dass in Bremen Menschen erst ab 21 Jahre spielen dürfen, ist aus Sicht des Glückspielforschers richtig, denn gerade junge Menschen zwischen 18 und 20 seien besonders glücksspielaffin und würden sich besonders häufig verzocken.

Entscheiden soll jetzt die Justiz – welche Chancen haben die klagenden Spielhallenbetreiber?

Wir reden da über etwa zwei Dutzend Firmen, in der Regel mit mehreren Filialen. Nachdem die klagenden Betreiber bisher mehr als 100 Eilverfahren verloren haben und das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde abgelehnt hat, gibt es juristisch so gut wie keine Hoffnung mehr. Der Hauptverhandlungsmarathon ist jetzt sozusagen der Anfang vom Ende. Bis Mitte/Ende nächsten Jahres dürfte es dauern, vielleicht auch länger, bis alle Klagen abgearbeitet und entschieden sind. So lange werden die noch offenen Spielhallen von der Behörde geduldet. 

Detlev Grass vom Automatenverband hofft auf einen Kompromiss von der Politik: "Ich bin nach wie vor mit allen Parteien im Gespräch, man hat uns ja auch von den Grünen und von den Linken tatsächlich einen Wink gegeben, wenn die SPD einen Schritt zurück gehen würde, würden wir den mitgehen. Mein Credo war immer, macht diesen 250 Meter Abstand zu Schulen, dann hätten wir schon über 50 Prozent der Spielhallen reduziert. Aber wenn du in einem Stadtstaat mit 500 Meter Abstand rechnest, hast du überhaupt keine Chance mehr."

Rückblick: Warum viele Bremer Spielhallen bald schließen müssen

Bild: Radio Bremen

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Autor

  • Zu sehen ist ein Porträtfoto von Mario Neumann. Blaue Augen, relativ kurze, dunkelblonde Haare. Er hat die Arme verschränkt und lächelt.
    Mario Neumann Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. April 2024; 19:30 Uhr