Archivbild: Matthias Ecke SPD. (Quelle: dpa/Rebsch)

Berlin Brandenburg Angriffe auf Wahlkämpfer: Innenminister wollen mehr Schutz für politisch engagierte Menschen

Stand: 08.05.2024 10:41 Uhr

Die Innenminister wollen künftig politisch aktive Menschen besser schützen. Das haben sie auf einer Konferenz am Dienstag beschlossen. Anlass war der gewaltsame Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden.

  • Innenministerkonferenz nach Angriff auf SPD-Politiker Matthias Ecke
  • keine konkreten Gesetzesänderungen
  • bestehendes Strafrecht wird auf Verschärfung geprüft
  • Hass und Hetze im Netz als Boden für Gewalt verurteilt

Die Innenminister von Bund und Ländern halten zum besseren Schutz von Politikerinnen und Politikern sowie Wahlkämpfern auch eine Verschärfung des Strafrechts für sinnvoll. Das sagte der Brandenburger Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), am Dienstag nach einer Videokonferenz. Die Ressortchefs unterstützten zwei Bundesratsinitiativen aus Bayern und Sachsen, um unter anderem gegen Körperverletzung und Nötigung härter vorgehen zu können.

In einem gemeinsamen Online-Statement verurteilten die Anwesenden zudem einstimmig den Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke. Neben Stübgen sprachen auch der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD), der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

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Prüfung des bestehenden Strafrechts, Änderung des Melderechts

Konkrete Gesetzesänderungen habe man nicht beschlossen, so Grote. Prüfen will man das bestehende Strafrecht. Grote beklagte auch die zunehmende Abwertung der Arbeit von Politikerinnen und Politikern.

Nancy Faeser sagte, man werde das Melderecht ändern, damit die Privatadressen von Lokalpolitikerinnen und -politikern besser geschützt sind. Ebenso werde sie weiter dafür werben, das Waffenrecht zu ändern, um Extremisten schneller zu entwaffnen, sagte die Bundesinnenministerin. Sie erinnerte dabei an den aktuell vor Gericht verhandelten Fall um eine "Reichsbürger"-Gruppe um Prinz Reuß.
 
Außerdem soll es mehr Polizeipräsenz vor Ort geben, zum Beispiel an Wahlständen. Allerdings könne die Polizei nicht überall sein, so Faeser. Hier gelte es, bestehende Schutzkonzepte anzupassen. Hasskriminalität im Netz, so Faeser weiter, bereite den Boden für Gewalt. Sie forderte eine "Rückkehr zur Kultur des Respekts."

Innenminister fordern besseren Schutz für Ehrenamtliche

Stübgen sagte am Mittwochmorgen dem rbb, die Innenminister der Länder seien einstimmig der Meinung, dass ein besserer strafrechtlicher Schutz gemeinnütziger Tätigkeiten nötig sei. Er appellierte an Bundesjustizminister Buschmann (FDP), einen entsprechenden Antrag der Länder aus dem vergangenen Jahr im Bundestag zu bearbeiten.

In den letzten Jahren sei eine Verrohung gegenüber Rettungskräften, Feuerwehrleuten und Menschen, die ehrenamtlich politisch arbeiten, zu beobachten. Bisher würden diese Fälle als Beleidigungen und Bedrohungen zivilrechtlich behandelt. Das reiche nicht aus. "Hier handelt es sich um Repräsentanten des Staates und das Strafmaß und der Ermittlungsdruck auf solche Täter muss gewaltätigen Handlungen gegenüber der Polizei gleichgesetzt werden."

Alle Anwesenden der Innenministerkonferenz verurteilten Gewalt gegen Mandats- und Amtsträger sowie Wahlhelfer und politisch aktive Menschen. Die Rolle von Hass und Hetze im Internet wurde von allen Beteiligten als ein wichtiger Faktor genannt - dass das übergreifen kann auf die reale Welt und dort zu Bedrohung, Nötigung und tätlichen Übergriffen führen könne.

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Vermehrte Angriffe auf Politiker im Wahlkampf

Auslöser für die Konferenz war der Fall des SPD-Kandidaten im Europawahlkampf, Matthias Ecke, der am vergangenen Freitag beim Aufhängen von Plakaten in Dresden krankenhausreif geschlagen wurde. Tatverdächtig sind vier Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren. Das Landeskriminalamt Sachsen rechnet mindestens einen der Tatverdächtigen dem rechten Spektrum zu.
 
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zufolge befindet sich Ecke auf dem Weg der Genesung. "Er hat die Operation, so weit man das zum jetzigen Stand sagen kann, gut überstanden", sagte Kühnert am Montag in Berlin. Der 41-Jährige sei am Sonntag operiert worden, "wegen mehrerer Frakturen, die er bei diesem Angriff im Gesicht erlitten hat". Kühnert stellte aber trotz des gut überstanden Eingriffs klar: "Der Genesungsprozess wird ein langer Weg sein. Matthias Ecke selbst meldete ich nach seiner Operation auf der Plattform X und bedankte sich für die Solidarität und Anteilname.

Faeser: Neue Dimension antidemokratischer Gewalt

Der Angriff auf Ecke hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. In den vergangenen Tagen gab es aber auch Angriffe auf Politiker der Grünen und der AfD. In Schöneiche (Oder-Spree) sind zudem zwei Kandidaten der Linkspartei von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen und verletzt worden. Dabei sei auch "ein Slogan aus der rechten Szene" gefallen, so die Polizei.

Faeser hatte direkt nach dem Angriff gegen Ecke ein verschärftes Vorgehen gegen Hass und Hetze im Netz angekündigt. Sie schließt auch eine Verschärfung des Strafrechts nicht aus. Angriffe auf Amts- und Mandatsträger seien in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen, so die SPD-Politikerin. "Der Rechtsstaat muss und wird den Schutz der demokratischen Kräfte in unserem Land weiter erhöhen.", sagte Faeser weiter: "Wir erleben eine neue Dimension antidemokratischer Gewalt, der wir uns mit aller Kraft entgegenstellen. Wir werden keinen Millimeter zurückweichen."

Woidke: Starke Zivilgesellschaft braucht wehrhafte Demokratie

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte von der Innenministerkonferenz eine konsequente Reaktion gefordert. "Ich erwarte, dass der vorhandene Rechtsrahmen vollumfänglich ausgeschöpft wird, dass wir vielleicht in diesem Bereich auch zu schnelleren Verfahren kommen", sagte der SPD-Politiker dem rbb. "Wir müssen den offenen Diskurs in dieser Gesellschaft weiter erhalten. Dazu gehört auch, dass Menschen sich für eine Partei engagieren und sich eben nicht einschüchtern lassen. Eine starke Zivilgesellschaft braucht eine wehrhafte Demokratie."

Sendung: rbb24, 07.05.2024, 21:45 Uhr

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