
"Letzte Verteidigungswelle" U-Haft für fünf mutmaßliche Rechtsterroristen
Sie sind zwischen 14 und 18 Jahre alt und mutmaßliche Rechtsterroristen: Nach der Razzia gegen die "Letzte Verteidigungswelle" sitzen nun alle fünf Festgenommenen in Untersuchungshaft. Sie sollen unter anderem Anschläge auf Asylbewerberheime geplant haben.
Nach der bundesweiten Razzia gegen eine mutmaßliche rechte Terrorzelle sind alle fünf der jungen Festgenommenen in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof eröffnete am Morgen den letzten zwei Beschuldigten die Haftbefehle und setzte diese in Vollzug, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mitteilte.
Die Karlsruher Behörde hatte gestern die vier Jugendlichen und den jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 18 Jahren festnehmen lassen. Sie wirft ihnen die Mitgliedschaft - und in einem Fall die Unterstützung - einer terroristischen Vereinigung vor. Drei von ihnen kamen bereits gestern in Untersuchungshaft. Wegen ihres Alters mussten die Beschuldigten teils von ihren Eltern zur Haftvorführung begleitet werden.
Mutmaßliche Terroristen verstehen sich als "Verteidiger der Deutschen Nation"
Die rechtsextreme Gruppe, zu der die Festgenommenen gehören sollen, nennt sich selbst laut Bundesanwaltschaft die "Letzte Verteidigungswelle". Mit Brandanschlägen auf Asylbewerberheime und linke Einrichtungen wollte die Gruppe demnach das demokratische System der Bundesrepublik zum Zusammenbruch bringen. Sie verstehe sich als letzte Instanz zur Verteidigung der "Deutschen Nation", so die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde.
Die fünf Beschuldigten wurden gestern in Mecklenburg-Vorpommern (Wismar und Landkreis Rostock), Brandenburg (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) und Hessen (Lahn-Dill-Kreis) gefasst. Die Polizei durchsuchte dort ebenso wie in Sachsen (Landkreis Leipzig) und Thüringen (Landkreis Altenburger Land und Ilm-Kreis) insgesamt 13 Objekte.
Brandanschläge in Brandenburg und Thüringen
Drei brutale Anschläge und Anschlagspläne rechnet die Bundesanwaltschaft der Gruppe zu. Teils sollen sie von den jüngst Festgenommenen geplant oder begangen worden sein, teils von drei weiteren Beschuldigten, die schon in Untersuchungshaft sitzen. Es geht um einen Brandanschlag auf ein Kulturhaus in Brandenburg, einen versuchten Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Thüringen und Anschlagspläne auf eine Asylunterkunft in Brandenburg.
Die gesetzliche Strafmündigkeit liegt bei 14 Jahren. Doch auch danach sind Jugendliche nicht per se strafbar. Das Jugendgerichtsgesetz verlangt zusätzlich eine "Verantwortungsreife". Die Täter müssen also reif genug sein, um das Unrecht ihrer Taten zu erkennen und danach handeln zu können. Davon geht die Bundesanwaltschaft im Falle der vier minderjährigen Festgenommenen aus. Der Fünfte gilt mit 18 Jahren strafrechtlich als Heranwachsender.
Organisation über Chatgruppen
Die "Letzte Verteidigungswelle" organisiert sich nach dem Eindruck der Ermittler vor allem über Chatgruppen. Bundesweit sind nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden etwa 200 Personen in den Chats der "Letzten Verteidigungswelle", von denen aber wohl längst nicht alle identifiziert sind.
Der Generalbundesanwalt zog das Verfahren Ende April an sich und bewertet die Gruppe als terroristische Vereinigung. Beim Bundeskriminalamt laufen die Ermittlungen in den einzelnen Ländern in der Ermittlungsgruppe "Deich" zusammen.
Experten sprechen von neuer Qualität der Radikalisierung
Aus Sicht von Experten zeigt der Fall, dass die Radikalisierung junger Menschen eine neue Qualität erreicht hat. In den vergangenen Jahren sei zunehmend zu beobachten gewesen, dass sich junge, gewaltbereite Gruppen bildeten, die teils auch in Kontakt mit rechtsextremen Kleinparteien stünden, sagte der Leiter des Demokratiezentrums Hessen, Reiner Becker. Man spreche auch von einer "Rückkehr der Baseballschläger-Jahre" - ein Verweis auf die 1990er- und beginnenden 2000er-Jahre.
Auch Gudrun Heinrich, Forscherin für Extremismus und politische Bildung an der Universität Rostock, berichtet, dass sich Radikalisierungsprozesse inzwischen deutlich schneller und früher zeigten. "Alle Lehrkräfte, mit denen wir gesprochen haben, berichten uns, dass da in den letzten Jahren ein wenig die Hüllen gefallen sind." Rassistische Äußerungen, Hakenkreuze und Hitlergrüße würden zunehmen. Selbst aus Grundschulen meldeten Lehrkräfte solche Vorfälle, sagte Heinrich.
Mit Informationen von Michael Götschenberg, ARD-Hauptstadtstudio und Holger Schmidt, SWR.