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Integration in den Arbeitsmarkt Was bringen gelockerte Arbeitsverbote?

Stand: 02.11.2023 06:38 Uhr

Asylbewerber sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig früher und einfacher in Deutschland arbeiten können. Wie kann das funktionieren und löst das den Fachkräftemangel?

Eine bessere Zukunft schwebte Ibrahima Bah vor, als er mit 18 Jahren aus Guinea nach Bremen kam. Eigentlich wollte er Fußballprofi werden, doch er hätte auch jede andere Arbeit genommen, erzählt er: "Weil ich hier meine Existenz aufbauen wollte, ich wollte dazugehören."

Doch Ibrahima Bah lebte vier Jahre lang in einer Flüchtlingsunterkunft, durfte weder arbeiten noch Deutsch lernen. Erst als er heiratete, bekam er eine Aufenthaltserlaubnis und damit eine Arbeitserlaubnis. Noch am selben Tag fand er einen Job als Kellner in einem Café.

Arbeitsverbote und Behörden-Dschungel

Ibrahima Bahs Geschichte ist kein Einzelfall, denn Arbeitsverbote für Geflüchtete stellen eine große Hürde dar. In den ersten drei Monaten dürfen sie generell nicht arbeiten. Danach gibt es weiterhin Einschränkungen, zum Beispiel für alle, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben. Künftig dürfen sie nach sechs Monaten Aufenthalt arbeiten, hat gestern das Bundeskabinett beschlossen. Auch für Geduldete soll es grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis geben, anders als bisher.

Derzeit müssen die Behörden in vielen Fällen langwierig überprüfen, ob sie eine Erlaubnis erteilen. "Da drohen wir viele Leute zu verlieren, weil sie das Gefühl haben, in Deutschland nicht anzukommen", sagt Anna Lena Hemmer. Sie ist Integrationskoordinatorin im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt und kennt die Schwierigkeiten für Geflüchtete, die arbeiten wollen: "Der Behörden-Dschungel ist zu kompliziert." Ausländerbehörde, Sozialamt, Jobcenter, dazu verschiedene Ämter für die Anerkennung von Berufsabschlüssen - all diese Stellen müssen Geflüchtete aufsuchen und dort viele Formulare ausfüllen.

Gezielte Beratung unter einem Dach

Der CDU-Landrat Götz Ulrich im Burgenlandkreis wollte das anders regeln und gründete 2018 eine Migrationsagentur, mit allen Beteiligten unter einem Dach. Sie lotsen Geflüchtete durch den Behörden-Dschungel und schauen sich jeden Einzelfall genau an: Was bringen die Personen mit, welche Schwierigkeiten gibt es? Dann wird die nötige Unterstützung organisiert, zum Beispiel Masern-Impfungen für ukrainische Kinder, damit sie in den Kindergarten dürfen und die Mütter arbeiten gehen können.

Denn das Ziel ist für Anna Lena Hemmer ganz klar: so viele Geflüchtete wie möglich in Arbeit bringen. Dann brauchen sie keine Hilfsleistungen mehr vom Staat, zahlen stattdessen Steuern und unterstützen die Wirtschaft als Arbeitskraft. Und freie Stellen gibt es überall, im Burgenlandkreis wie im Rest von Deutschland.

Arbeit ist zentral für Integration

Zudem ist Arbeit entscheidend, um in der neuen Heimat anzukommen. Neben den Kontakten zu Einheimischen spielt auch die Anerkennung eine Rolle: "Arbeit ist in unserer Gesellschaft ein Wert an sich", sagt Katja Schmidt, Soziologin an der Humboldt-Uni in Berlin. Zwar sei die Mehrheit der Deutschen dafür, Menschen in Not Schutz zu bieten: "Wenn aber der Eindruck entsteht, Geflüchtete bekommen ohne Gegenleistung Geld vom Staat, wird ein gewisses Gerechtigkeitsempfinden gestört und das stößt bei vielen dann auf Ablehnung."

Doch ist es realistisch, dass alle Geflüchteten arbeiten? Nein, sagt Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Das sei schließlich auch bei den Einheimischen nicht der Fall, ob aus gesundheitlichen Gründen oder wegen der Kinderbetreuung. Aber der Anteil ließe sich deutlich steigern: In der ersten Zeit nach ihrer Ankunft arbeiten wenige Geflüchtete, nach fünf Jahren in Deutschland sind es immerhin rund die Hälfte. Und Umfragen des IAB zeigen, dass 70 Prozent der Geflüchteten arbeiten wollen.

Gute Jobs statt schnell irgendeine Arbeit

Doch Yuliya Kosyakova warnt davor, nur auf schnelle Vermittlung in Arbeit zu setzen. Länder wie Dänemark oder die Niederlande brüsten sich mit hohen Erwerbsquoten unter Geflüchteten. Dort ist die Devise "Work First", also schnell irgendeine Arbeit, auch wenn es schlecht bezahlte Jobs sind. Die Forschung zeige, dass dies keinen langfristigen Erfolg hat. Die Migrationsforscherin plädiert für eine nachhaltigere Strategie: Besser ist es, wenn die Geflüchteten gut Deutsch lernen, eine Ausbildung machen oder ihre beruflichen Fähigkeiten ausbauen. "Das führt langfristig zu weniger Rückfällen in die Sozialsysteme und wirkt sich positiver auf die Menschen aus, weil sie mehr verdienen und in guten Jobs sind."

Und es hilft auch besser gegen den Fachkräftemangel: Der lässt sich zwar nicht allein durch Zuwanderung lösen, denn dafür müssten jährlich 400.000 Fachkräfte nach Deutschland kommen. Aber statt nur in einfachen Hilfsjobs zu landen, kann der eine oder die andere zur Fachkraft werden. Wie Ibrahima Bah, der inzwischen Pädagoge ist und in Bremen ein Wohnheim für junge Geflüchtete leitet - ihnen macht er in seiner täglichen Arbeit klar, wie wichtig ein guter Schulabschluss ist, damit sie später einen guten Job bekommen.

Mehr zu diesem Thema im tagesschau Zukunfts-Podcast: mal angenommen.

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 02.11.2023 05:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. November 2023 um 05:16 Uhr.