Ursula von der Leyen winkt nach der Verleihung des Karlspreises

Verleihung des Karlspreises Merz würdigt von der Leyen als Stimme Europas

Stand: 29.05.2025 13:48 Uhr

Sie sei eine "starke Vertreterin eines starken Europas": Bundeskanzler Merz hat die diesjährige Karlspreis-Trägerin von der Leyen gewürdigt. Die EU-Kommissionschefin selbst forderte ein unabhängigeres Europa.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Karlspreis als "starke Vertreterin eines starken Europas" gewürdigt. Bei der Verleihung in Aachen sagte Merz seiner CDU-Parteikollegin: "Du gibst Europa in der Welt eine Stimme, eine europäische Stimme."

Die Auszeichnung sei "hochverdient", sagte Merz in seiner Laudatio. Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger "würde heute ganz sicher nicht mehr fragen müssen, wen er anrufen soll, um mit Europa zu sprechen", sagte der Kanzler. "Er würde Ursula von der Leyen anrufen."

Von der Leyen appelliert an Unabhängigkeit

Die Preisträgerin selbst rief in ihrer Rede zur Schaffung eines unabhängigen Europa auf. Dabei gehe es "im Kern um unsere Freiheit", sagte von der Leyen, nachdem sie den Preis entgegengenommen hatte. Man dürfe sich nicht dem Irrglauben hingeben, dass alles wieder so werde wie früher. "So wird es nicht kommen."

Die geopolitischen Spannungen seien gewaltig. "Die Welt ist erneut geprägt von imperialen Mächten und imperialen Kriegen. Von Großmächten, die bereit sind, alle lauteren und unlauteren Mittel einzusetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen", warnte sie. Europa sehe sich entschlossenen Demokratiefeinden gegenüber: "Dafür gibt es kein eindrücklicheres Beispiel als Putins brutalen, skrupellosen Krieg gegen die Ukraine."

Deshalb werde die Notwendigkeit, in die europäische Sicherheit zu investieren, immer dringender. "Noch in dieser Dekade wird sich eine neue internationale Ordnung herausschälen", sagte von der Leyen. Diese neue Ordnung müsse von Europa gestaltet werden. Zwar müssten die wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA wieder stabiler werden, "aber wir wissen auch, dass 87 Prozent des Welthandels mit anderen Ländern stattfindet". Auch für diese Länder biete Europa Chancen.

Merz bekräftigt Führungsanspruch in Europa

Der Kanzler nannte Europa in seiner Rede ein "Friedensprojekt", mahnte zugleich aber auch eine Weiterentwicklung an. "Wir werden das Friedensprojekt Europa, das nach innen so erfolgreich war, weiterentwickeln müssen - zu einem Friedensprojekt auch nach außen", sagte Merz.

Deutschland stehe bereit, "mit aller Entschlossenheit voranzugehen". Europa müsse so stark sein, dass es "den Frieden auf unserem Kontinent wiederherstellen und die Freiheit auf Dauer sichern" könne. "Uns in Europa eint das Wissen", dass Macht an Recht und Gesetz gebunden sein müsse, "sonst droht Tyrannei". "Uns verbindet in Europa die Erkenntnis der Aufklärung", dass jeder Mensch mit Würde ausgestattet sei.

Die Bundesregierung werde "mit aller Kraft" weiter die Ukraine unterstützen, sagte Merz. Die Verteidigungsindustrien in Europa müssten enger zusammenarbeiten. "Wir Deutschen sind bereit, beim NATO-Gipfel im Juni weitreichende Beschlüsse zu fassen." Dort dürften sich die Bündnisstaaten nach Einschätzung von NATO-Generalsekretär Mark Rutte auf Verteidigungsausgaben von insgesamt fünf Prozent der Wirtschaftsleistung einigen. 

Traditionsreicher Preis für Völkerverständigung und Zusammenarbeit

Mit von der Leyen werde "eine herausragende Führungspersönlichkeit des Vereinten Europas" geehrt, erklärte das Karlspreis-Direktorium. Der in diesem Jahr erstmals mit einer Million Euro dotierte internationale Preis ist nach Angaben der Veranstalter die älteste und wichtigste Auszeichnung für Verdienste um Völkerverständigung und Zusammenarbeit in Europa. Das Preisgeld soll für Projekte zugunsten ukrainischer Kinder verwendet werden. Über die Vergabe entscheiden Preisträger und das Karlspreis-Direktorium gemeinsam.

Auch der spanische König Felipe VI. hat sich in seiner Festrede hinter den europäischen Gedanken gestellt. Forderungen nach einer Rückabwicklung der Europäischen Union erteilte er eine Absage. "Wir müssen ihnen Paroli bieten: gefährlichen und fehlgeleiteten Stimmen, die argumentieren, dass die Europäer freier, unabhängiger und souveräner sind, wenn sie in getrennten nationalen politischen Gemeinschaften leben und globale Herausforderungen allein angehen." Nichts aber könne weiter von der Wahrheit entfernt sein.

Ukraine: Selenskyj-Abreise nicht wegen Russland

Die ukrainische Botschaft in Berlin hat Medienberichte dementiert, nach denen Präsident Wolodymyr Selenskyj die Teilnahme an der Verleihung des Karlspreises wegen einer drohenden Großoffensive Russlands abgesagt haben soll. Diese Meldungen "entsprechen nicht der Wahrheit", hieß es in einer Erklärung.

Auf Nachfrage wies die Botschaft darauf hin, dass die Teilnahme Selenskyjs an der Preisverleihung zu keinem Zeitpunkt bestätigt, sondern lediglich als eine mögliche Option behandelt worden sei. Selenskyj hatte seinen Deutschland-Besuch am Mittwochabend nach nur wenigen Stunden in Berlin beendet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 29. Mai 2025 um 12:00 Uhr.