Olaf Scholz auf der Regierungsbank im Bundestag.

Regierungserklärung vor EU-Gipfel Scholz ruft zu Zuversicht auf

Stand: 16.03.2023 11:57 Uhr

Bundeskanzler Scholz hat sich zuletzt immer wieder zuversichtlich gezeigt. Auch in der Regierungserklärung im Vorfeld zum EU-Gipfel. Auf der Agenda in Brüssel: Wirtschaft, Energiekrise und die Unterstützung der Ukraine.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat angesichts der Veränderungen infolge des Krieges in Europa und der Klimakrise zu Zuversicht und Zusammenhalt aufgerufen. "Jetzt geht es nicht darum, nostalgisch einer guten alten Zeit nachzutrauern, in der so vieles vermeintlich besser war", sagte der SPD-Politiker in einer Regierungserklärung zum anstehenden EU-Gipfel. "Jetzt geht es darum, dass wir gemeinsam aufbrechen und anpacken, damit eine gute neue Zeit möglich wird."

Schlagabtausch der Parteien bei Regierungserklärung von Kanzler Scholz

Viktoria Kleber, ARD Berlin, tagesschau, 16.03.2023 12:00 Uhr

Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beschäftigen sich in der kommenden Woche in Brüssel mit Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Energie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

In acht Monaten unabhängig von russischer Energie

Deutschland habe in den vergangenen zwölf Monaten viel erreicht, daraus könne man Zuversicht schöpfen. Innerhalb von acht Monaten sei Deutschland unabhängig von Gas, Öl und Kohle aus Russland geworden, so Scholz. "In nur acht Monaten haben wir unsere Energieversorgung vollständig umgestellt, mit ganz neuen Leitungen und Terminals für Flüssiggas."

Niemand habe frieren müssen, die Wirtschaft sei nicht eingebrochen. Dies sei möglich gewesen, weil "unser Land zusammengehalten hat". Dies zeige: "Wenn's drauf ankommt, dann können wir Aufbruch und Umbruch, Tempo und Transformation", so Scholz weiter.

Bei grünen Technologien "schneller und besser werden"

Scholz betont, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft in Deutschland sei nur möglich, wenn Europa insgesamt stark sei. Mit Blick auf den EU-Gipfel in der kommenden Woche forderte Scholz daher eine Stärkung des Binnenmarkts und der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Er begrüßte die Vorschläge der EU-Kommission zur Beschleunigung von Planungen und Genehmigungen - diese "weisen in die richtige Richtung", sagte er.

"Wir wollen noch schneller und noch besser werden bei der Herstellung, Einführung und Anwendung grüner Zukunftstechnologien", sagte er. "Auch dafür müssen wir in Europa an einem Strang ziehen, unsere Unternehmen vernetzen und strategisch wichtige Zukunftstechnologien fördern - auch in Reaktion auf das amerikanische Klimaschutz- und Sozialpaket "Inflation Reduction Act"."

In den USA sieht das Inflationsreduzierungsgesetz milliardenschwere Subventionen für grüne Technologien vor, die aber in den USA hergestellt werden müssen. Das Gesetz sorgt seit Monaten für Spannungen: Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten werfen Washington Handelsprotektionismus und eine Benachteiligung europäischer Unternehmen vor.

Unterstützung für Ukraine "so lange wie notwendig"

Auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird Thema beim EU-Gipfel sein. Gemeinsam mit den europäischen Partnern wolle man dafür sorgen, dass die Ukraine "durchhält und sich verteidigt". Besonders wichtig sei hierfür die Lieferung von Ausrüstung und Munition. Ziel der EU-Staats- und Regierungschefs müsse es sein, "eine noch bessere, kontinuierliche Versorgung zu erreichen".

Deutschland sei dafür bereit, seine "Beschaffungsvorhaben auch für andere Mitgliedsstaaten zu öffnen". Deutschland werde die Unterstützung der Ukraine "politisch, finanziell, humanitär und mit Waffen" fortsetzen, solange "wie sie notwendig ist". Das gelte auch für die Sanktionen gegen Russland. Mit dem jüngst verabschiedeten zehnten Sanktionspaket werde Russlands Fähigkeit weiter konsequent eingeschränkt,  "seinen Angriffskrieg fortzusetzen", sagte der Kanzler. "Und unseren Sanktionsdruck werden wir beibehalten."

Bund trägt "allergrößten Teil" der Kosten für Flüchtlinge

Scholz griff auch die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern zur Finanzierung der Aufnahme von Flüchtlingen auf. Der Bund habe Ländern und Kommunen im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Milliarden Euro gezahlt, in diesem Jahr sollten noch einmal 2,75 Milliarden fließen. Außerdem könnten ukrainische Flüchtlinge Bürgergeld bekommen. "Das bedeutet, dass der Bund den allergrößten Teil der Kosten für Unterkunft und Verpflegung trägt". Der Bund werde gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden auch weiterhin seiner Verantwortung gerecht werden, so Scholz.

Auch müsse es auf Migration und Flucht wirksame Antworten im europäischen Rahmen geben. "Wer kein Aufenthaltsrecht hat, muss zurückkehren. Das funktioniert noch nicht gut genug", so der Kanzler. Das Ziel sei, irreguläre Migration zu verringern und zu verhindern, dass Menschen sich "in die Hände von Schleusern und auf lebensgefährliche Fluchtrouten begeben". Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben wiederholt betont, die Reform bis zur Europawahl im Frühjahr 2024 abschließen zu wollen.

Merz: Handlungsunfähige Regierung

Nach der Regierungserklärung warf Unions-Fraktionschef Friedrich Merz der Bundesregierung Orientierungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit vor. Merz verwies auf die verschiedenen Konflikte innerhalb der Ampel-Koalition, etwa über das geplante Aus für Verbrenner-Autos in der EU, den Bundeshaushalt für nächstes Jahr oder eine nationale Sicherheitsstrategie.

Wenn fast ein Jahr nach dem Beschluss eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro "noch kein Euro und kein Cent bei der Bundeswehr angekommen sind, dann ist das ein Skandal", so Merz. Zuversicht entstehe in der Bevölkerung nur mit einer Regierung, die "durch Taten" Anlass dazu gebe "und nicht nur durch Worte allein", mahnte der CDU-Vorsitzende.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte das Verhalten der Bundesregierung in der EU. "Die Tatsache, dass wir jetzt Debatten in Europa führen, auch über deutsche Positionen, ist dieser Bundesregierung zu verdanken", sagte er. Europa müsse reformfähig sein, das Ringen um den richtigen Kurs etwa zur Zukunft des Verbrennermotors sei absolut richtig und wichtig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. März 2023 um 12:00 Uhr.