Stephan Weil
Analyse

Niedersachsen wählt Landtag SPD punktet mit Kandidatenfaktor

Stand: 09.10.2022 18:25 Uhr

Sorgen angesichts der Wirtschaftslage bringen Ministerpräsident Weil bei der Wahl wohl entscheidende Punkte ein, denn er steht für viele Bürger für Vertrauen. Doch auch die AfD kann profitieren.

Eine Analyse von Jörg Schönenborn, WDR

Die SPD in Niedersachsen spürt den scharfen Gegenwind aus Berlin. Sie kann ihr gutes Ergebnis von 2017 nicht halten, setzt sich aber doch mit klarem Vorsprung als stärkste Partei durch. Dies verdankt sie der persönlichen Zugkraft ihres Ministerpräsidenten Stephan Weil - und vor allem älteren Wählerinnen und Wählern, die die SPD in hoher Zahl dazugewinnen konnte.

Obwohl die SPD durchschnittlich ein paar Prozentpunkte verliert, gelingt es ihr, bei den über 70-Jährigen zuzulegen. Rund 36 Prozent der Frauen haben nach einer vorläufigen Auswertung die SPD gewählt, nur rund 30 Prozent der Männer.

Dabei hat Stephan Weil als Person deutlich stärker gepunktet als bei den beiden vorangegangenen Wahlen. Sein sogenannter "Kandidatenfaktor", also der Anteil an Wählerinnen und Wählern, die vor allem seinetwegen die SPD gewählt hat, steigt auf 39 Prozent (nach 19 Prozent in 2013 und 30 Prozent in 2017).

Damit hat Weil zwar nicht ganz die Zugkraft seiner SPD-Kolleginnen Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz und der saarländischen Landeschefin Anke Rehlinger, die beide bei den vergangenen Wahlen noch höhere Werte erzielten. Weil setzt sich aber vom Spitzenpersonal der anderen Parteien in Niedersachsen deutlich ab. Offenbar gelang es ihm stärker als allen anderen, angesichts der beginnenden Rezession und der breiten Sorge vor wirtschaftlichem Absturz, Vertrauen zu gewinnen.

Ungerechtigkeitsgefühl in AfD-Wählerschaft

Der Erfolg der AfD gründet vor allem auf der Enttäuschung über die anderen Parteien. In ihrer Wählerschaft konzentrieren sich diejenigen, aus deren Sicht es in Deutschland aktuell besonders ungerecht zugeht, die die größten persönlichen Sorgen haben, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen oder ihren Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Wie schon bei ihren großen Wahlerfolgen in Ostdeutschland in den 2010er-Jahren zieht sie vor allem männliche Wähler im mittleren Alter an.

Lindner bringt keine Pluspunkte für FDP

Offen ist zum jetzigen Zeitpunkt, ob die FDP im Landtag in Hannover vertreten bleibt. Das Ansehen des vor fünf Jahren noch populären Bundesvorsitzenden Christian Lindner hat als Finanzminister deutlich gelitten. Gerade die abgewanderten FDP-Anhängerinnen und ‑Anhänger hätten von der Bundesregierung deutlich mehr Unterstützung für Wirtschaftsbetriebe in der Krise erwartet.

Anders als bei vorangegangenen Wahlen in Niedersachsen war auch nicht erkennbar, dass die FDP als Koalitionspartner gebraucht würde. Ob sie die Fünfprozenthürde überspringt, werden frühestens die späteren Hochrechnungen am Wahlabend zeigen.

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der ARD-Wahlsendung am 09. Oktober 2022 um 17:45 Uhr.