Dietmar Bartsch

Keine erneute Kandidatur Auch Linken-Fraktionschef Bartsch gibt Amt ab

Stand: 16.08.2023 16:51 Uhr

Nach seiner Co-Vorsitzenden Amira Mohamed Ali zieht sich nun Dietmar Bartsch von der Fraktionsspitze der Linken zurück. Er werde nicht erneut kandidieren, erklärte Bartsch. Die Entscheidung sei lange vor der Bundestagswahl gefallen.

Mitten in der tiefen Krise der Linkspartei gibt der langjährige Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sein Amt ab. Er werde bei der Vorstandswahl am 4. September nicht erneut kandidieren, erklärte der 65-Jährige in einem Schreiben an die Fraktion.

Vor einigen Tagen hatte bereits seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ihren Rückzug angekündigt. Hintergrund ist der Richtungsstreit um die Abgeordnete Sahra Wagenknecht. Wagenknecht trägt die politische Linie der Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan nicht mit und will bis zum Jahresende entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründet.

Falls es dazu kommt, droht der Linken und ihrer Bundestagsfraktion die Spaltung. Es wird erwartet, dass dann mehrere der 39 Abgeordneten die Linke zusammen mit Wagenknecht verlassen würden. Mit weniger als 37 Mandaten würde der Fraktionsstatus verloren gehen und damit Geld, Posten und Einfluss der kleinen Oppositionspartei.

Dietmar Bartsch gibt überraschend Fraktionsvorsitz ab, Kerstin Palzer, ARD Berlin, zur Krise der Linkspartei

tagesschau24, 16.08.2023 15:00 Uhr

Nachfolge noch offen

Bartsch begründete seinen geplanten Rückzug aber nicht mit der aktuellen Krise, sondern schrieb an die Abgeordneten: Seine Entscheidung, den Fraktionsvorsitz nach acht Jahren abzugeben, sei "lange vor der vergangenen Bundestagswahl gefallen". Viele hätten ihn in den vergangenen Tagen und Wochen heftig gedrängt, in dieser für die Partei "nicht leichten Situation", noch einmal zu kandidieren. "Letztlich bin ich bei meiner Entscheidung geblieben", so Bartsch.

Bartsch ist seit 2015 Co-Vorsitzender der Linken-Bundestagsfraktion, zuerst zusammen mit Wagenknecht, zuletzt mit Mohamed Ali. Diese hatte ihren Rückzug mit Protest gegen den Umgang der Parteispitze mit Wagenknecht begründet. Bartsch hatte daraufhin seine Zukunft zunächst noch offen gelassen. Wer den beiden nachfolgen wird, ist offen.

In seinem Schreiben an die Abgeordneten appellierte er an seine Partei: "Viele schwadronieren aktuell wieder über das Ende der Linken. Sie werden sich ein weiteres Mal irren, wenn die Werte, um die wir in der Gesellschaft kämpfen wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln wieder unser Handeln bestimmen und wir zugleich aus der Geschichte linker Parteien die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen." Auf einer späteren Pressekonferenz betonte Bartsch, dass seine Entscheidung keinesfalls heiße, er hätte in irgendeiner Weise die Linke aufgegeben.

Parteispitze respektiert Beweggründe

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow versuchte nach eigenen Worten, den Rückzug von Bartsch noch abzuwenden. "Ich respektiere die Entscheidung, denn sie stand wohl länger fest", sagte der Linken-Politiker der Funke Mediengruppe. "Aber ich räume ein, ihn in den letzten Tagen gebeten zu haben, es anders zu entscheiden. Ich hätte mir gewünscht, wenn er bis zum Ende der Legislaturperiode die Fraktion geführt hätte."

Die Linken-Vorsitzenden Wissler und Schirdewan äußerten ihr Bedauern über den Rückzug von Bartsch - zugleich dankten sie ihm in einer Erklärung. Bartsch sei eines der bekanntesten Gesichter der Linken und eine "laute Stimme für Ostdeutschland für soziale Gerechtigkeit und gegen Kinderarmut", schrieb das Führungsduo. Für die Partei habe er in schwierigen Situationen Verantwortung übernommen.

Sie hätten Respekt für Bartschs Beweggründe, betonten Wissler und Schirdewan. "Wir wissen, dass wir mit ihm immer einen Verbündeten haben im Kampf um eine starke und geeinte Linke." Zugleich unterstrichen sie, dass Bartsch sich in seiner Erklärung zum Rückzug vom Fraktionsvorsitz optimistisch geäußert habe.

Richtungsstreit in der Linken

Bartsch hat immer wieder vor Gefahren einer Spaltung der Linken gewarnt und Wagenknechts Liebäugeln mit einer Parteigründung kritisiert. Als Wissler und Schirdewan sich im Juni gemeinsam mit dem übrigen Parteivorstand von Wagenknecht lossagten, ließ Bartsch Unterstützung für die Parteispitze erkennen.

Insgesamt dreht sich der Streit in der Linken nicht nur um die Person Wagenknecht, sondern um die Frage, was moderne "linke" Politik ist. Die Parteispitze umwirbt die Klimabewegung und will radikalen Klimaschutz verbunden mit sozialem Ausgleich. Wagenknecht und ihre Unterstützer warnen vor zu großen Belastungen durch Klimaschutz. Sie wollen Migration begrenzen und trotz des Kriegs gegen die Ukraine weiter billige Energieimporte aus Russland.

Auf dem jüngsten Bundesparteitag der Linken 2022 konnten Wagenknechts Anhänger sich nicht durchsetzen. Wissler und Schirdewan sicherten sich hingegen die Unterstützung einer Mehrheit der Delegierten.

Seit Jahren in hohen Ämtern

Mit Bartsch zieht sich nun einer der prominentesten Linken aus der ersten Reihe zurück. Der 65-Jährige stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und bekleidet seit Jahrzehnten hohe Parteiämter.

Lange war er Bundesgeschäftsführer der Vorgängerpartei PDS und der 2007 neu gegründeten Linken. 2009 managte er den Bundestagswahlkampf. 2012 kandidierte er als Parteichef, verfehlte aber die nötige Mehrheit. 2017 war Bartsch neben Wagenknecht Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, 2021 trat er mit Parteichefin Wissler an.

Bianca Schwarz, ARD Berlin, tagesschau, 16.08.2023 13:05 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. August 2023 um 12:50 Uhr.