Polizisten führen an der deutsch-polnischen Grenze im Kreis Vorpommern-Greifswald Kontrollen durch.

SPD gegen Zurückweisungen Wo ist die Grenze an den Grenzen?

Stand: 10.05.2025 04:11 Uhr

An den deutschen Grenzen wird wegen irregulärer Migration schärfer kontrolliert. Kanzler Merz wiegelt ab, die Kontrollen seien "wie bei der EM". Doch damals gab es anders als heute keine Zurückweisungen. Die SPD ist unzufrieden.

Zusätzliche Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern - das hat die neue Bundesregierung angekündigt. So will sie gegen irreguläre Migration vorgehen. Nach einer Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen laufen verstärkte Kontrollen. Wie genau die aussehen, dazu gibt es verschiedene Lesarten.

Während Bundeskanzler Friedrich Merz in Brüssel von Kontrollen "wie bei der Fußball-Europameisterschaft" sprach, äußern sich Vertreter der Polizei drastischer: "Unsere Kollegen werden jeden Asyl- und Schutzersuchenden zurückweisen, außer Schwangere, Kranke, unbegleitete Minderjährige", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, der Bild-Zeitung. Die Weisung von Dobrindt sei "für die Beamten an der Grenze bindend".

Polizei widerspricht dem Kanzler

Auch Heiko Teggatz von der Gewerkschaft DPolG bestätigte gegenüber der Zeitung, dass die Beamten ab jetzt alle Flüchtlinge, mit Ausnahme von besonders verwundbaren Personen, ins Nachbarland zurückschickten. Die Anordnung aus dem Innenministerium "schreibt Zurückweisungen zwingend vor", sagte Teggatz. "Die Bundespolizei kann so verfahren, bis möglicherweise ein Gericht etwas anderes entscheidet."

Damit widersprechen die Polizei-Gewerkschaftler dem Kanzler. Denn ein Blick zurück in den Sommer 2024 verrät: Bei den Kontrollen zur EM ging es darum, die Sicherheit während der Europameisterschaft zu gewährleisten. Dabei hatte die Bundespolizei aber keine Asylsuchenden zurückgewiesen, weil diese Praxis nach Ansicht der damaligen Bundesregierung gegen EU-Recht verstoßen hätte. 

Streitthema in der Koalition

Für die Koalition aus Union und SPD ist das Thema ein Problem, denn es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, welche Maßnahmen an den deutschen Grenzen zulässig sind. Während die Union für eine harte Linie mit Zurückweisungen von Asylbewerbern wirbt, argumentiert die SPD, diese seien nicht zulässig. "Pauschale Zurückweisungen bei Asylgesuchen an den Grenzen sind mit geltendem europäischen Recht nicht vereinbar", sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede der Rheinischen Post. "Statt einseitig mit schärferen Maßnahmen vorzupreschen, braucht es eine enge Abstimmung mit unseren europäischen Partnern", sagte sie.

Die Polizisten an der Grenze würden die komplizierte Rechtslage bei Zurückweisungen kennen, sagte Eichwede, die vor ihrem Einzug in den Bundestag als Richterin tätig war. Dobrindt habe auch keine ausdrückliche "Anweisung an die Bundespolizei" erteilt zurückzuweisen. "Ich gehe davon aus, dass die Beamten an den Grenzen es deshalb weiterhin nicht tun werden."

Innenminister Dobrindt hatte bei der Verkündung der Grenzkontrollen erklärt: Die rechtliche Grundlage für die Zurückweisungen sei das deutsche Asylgesetz "in Verbindung mit Art. 72 AEUV". Der Artikel 72 erlaubt es den Mitgliedsstaaten der EU unter bestimmten, besonderen Voraussetzungen die europäischen Regeln zu Asyl- und Migrationsfragen nicht mehr anzuwenden. Und zwar dann, wenn die "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" und der "Schutz der inneren Sicherheit" in dem Mitgliedsstaat andernfalls in Gefahr wären.

Bei seinem Antrittsbesuch am Freitag in Brüssel hatte Merz betont, die Zurückweisungen stünden im Einklang mit europäischem Recht. "Darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfänglich informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang."

GdP: "Verantwortung beim Bundesinnenministerium"

Klar ist: Es gibt juristische Unsicherheiten, ob Zurückweisungen an der Grenze zulässig sind. Kommt es zu einer Klage, sieht GdP-Chef Roßkopf Innenminister Dobrindt am Zug. Die Verantwortung für die Maßnahmen liege "alleine beim Bundesinnenministerium", sagte er der Bild-Zeitung. Polizeibeamte dürften nicht belangt werden.

Im Zuge der schärferen Grenzkontrollen gab es bereits erste Zurückweisungen. Es handele sich um vier afghanische Staatsangehörige, die aus Luxemburg eingereist waren, teilte der Sprecher der Bundespolizei Trier, Stefan Döhn, mit. Die beiden Frauen und beiden Männer hätten zuvor bereits Asylgesuche in Griechenland gestellt. Die vier Personen seien am Hauptbahnhof Trier bei der Kontrolle eines Reisebusses entdeckt worden. Sie seien in Absprache mit der Polizei in Luxemburg zurückgewiesen worden, sagte Döhn. 

Die Zahl der Erstanträge auf Asyl in Deutschland war zuletzt stark gesunken. 36.000 Anträge waren es im ersten Quartal, 30.000 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.