Trecker blockieren Elbbrücke in Torgau, Sachsen.
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Rechtslage Was ist erlaubt beim Protest der Landwirte?

Stand: 08.01.2024 15:30 Uhr

Landesweit protestieren Landwirte gegen die geplanten Maßnahmen der Regierung, blockieren Autobahnen und andere Straßen. Was ist erlaubt? Wo endet das Demonstrationsrecht? Und wo ist der Unterschied zu "Klimaklebern"?

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Was sind die grundsätzlichen Regeln beim Demonstrieren?

Nach dem Grundgesetz haben alle Deutschen das Recht, sich zu versammeln, also für oder gegen etwas zu demonstrieren. Die Versammlungsfreiheit ist eins der wichtigsten Grundrechte für die Demokratie. Eine Versammlung muss auch nicht genehmigt werden.

Aber: In der Regel muss man sie rechtzeitig, also 48 Stunden vorher anmelden, damit die Behörden sich darauf vorbereiten können und damit sie prüfen können, ob durch die Versammlung die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung in Gefahr ist.

Kolja Schwartz, SWR, zu der Rechtslage der Proteste gegen die Agrarpolitik

tagesschau24, 08.01.2024 18:00 Uhr

Nur wenn das der Fall ist, darf die Behörde Auflagen erlassen, also zum Beispiel sagen: Die Versammlung muss an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit stattfinden oder sie darf nicht so lang stattfinden. Als letztes Mittel dürfte die Versammlungsbehörde eine Versammlung auch verbieten oder auflösen. Aber nur dann, wenn die Auflagen allein nicht reichen, um die öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung zu gewährleisten. Diese Regeln des Versammlungsrechts gelten allgemein, egal wofür oder wogegen demonstriert wird.

Blockade von Straßen - ist das Nötigung oder erlaubt?

Grundsätzlich garantiert die Versammlungsfreiheit auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann und wo eine Demonstration stattfindet. Dabei werden manchmal auch andere Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt. Denn: Versammlungen finden in der Regel im öffentlichen Raum statt. Es ist ihr Zweck, andere auf etwas aufmerksam zu machen und von einem Standpunkt zu überzeugen. Straßen zu blockieren im Rahmen einer Demonstration ist also grundsätzlich auch von der Versammlungsfreiheit gedeckt.

Da dadurch aber auch die Grundrechte anderer Menschen beeinträchtigt werden und die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Gefahr sein kann, muss die Versammlungsbehörde genau prüfen und abwägen, wie weit das geht. Dabei spielt es etwa eine Rolle, wie lang die Beeinträchtigung dauert, ob es Umfahrungsmöglichkeiten gibt, ob die Menschen rechtzeitig vorher gewarnt wurden.

Wenn eine Versammlung rechtmäßig verboten oder aufgelöst ist und die Demonstranten trotzdem andere Verkehrsteilnehmer konkret blockieren, dann kann sie sich in der Tat unter Umständen wegen Nötigung strafbar machen.

Wo liegt der Unterschied zu den Protesten der "Letzten Generation"?

Viele Aktivisten der "Letzten Generation" wurden wegen Nötigung verurteilt. Der Hauptunterschied ist, dass sie, anders als die Landwirte, ihre Straßenblockaden, also ihre Demonstrationen, vorher nicht anmelden. Bei einer nicht angemeldeten Versammlung kann die Straße vorher nicht gesperrt, der Verkehr nicht umgeleitet werden, die Menschen haben keine Möglichkeit, die Aktion zu umfahren. Außerdem gibt sich bei den Blockaden der Klimaaktivisten in der Regel auch niemand als Versammlungsleiter zu erkennen.

All das führt dazu, dass die Versammlungen von der Versammlungsbehörde schnell aufgelöst werden. Und wer dann noch auf der Straße klebt und weiter blockiert, kann sich unter Umständen wegen Nötigung strafbar machen.

Aber auch hier muss das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berücksichtigt werden und die Gerichte müssen schauen: Wie lange ging die Blockade, wann war die Straße wieder frei, gab es Umfahrungsmöglichkeiten? Wenn eine Demonstration der Landwirte rechtmäßig aufgelöst ist, ist die rechtliche Bewertung keine andere. Auch dann steht Nötigung im Raum.

Keine Rolle bei der Bewertung der Strafbarkeit spielt das Fernziel, dass die Demonstranten verfolgen. Die Gerichte sollen also nicht bewerten, ob das Ziel, für das demonstriert wurde, "gut" oder "schlecht" ist.

Machen sich Protestierende strafbar, wenn sie gegen Auflagen verstoßen?

Die Behörden haben für Montag zum Teil zur Auflage gemacht, dass Autobahn-Auffahrten maximal eine Stunde blockiert werden dürfen und Ausfahrten frei bleiben müssen.

Zunächst ist der Versammlungsleiter dafür verantwortlich, dass die Auflagen eingehalten werden. Wenn er das nicht tut, macht er sich nach dem Versammlungsgesetz strafbar. Und wenn die Versammlung durch die Behörde aufgelöst wurde und die Demonstrierenden stehen bleiben, begehen sie zumindest eine Ordnungswidrigkeit und riskieren eine Geldbuße. Hinzukommen - wie oben beschrieben - möglicherweise Straftaten, wenn sie den Verkehr dann konkret blockieren oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leisten.

Was ist auf Plakaten erlaubt?

Es wurden schon bei Protesten Aufschriften wie "Habeck hängen" oder Galgen mit der Ampel oder Politikern gezeigt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erlaubt es, die Meinung auch auf Demonstrationen auf Plakaten zum Ausdruck zu bringen. Und das darf auch pointiert geschehen. Natürlich darf man zum Ausdruck bringen, dass man mit der Politik der Ampel nicht einverstanden ist. Die Meinungsfreiheit hat aber da ihre Grenzen, wo Straftaten begangen werden. Wer also eindeutig andere zu Straftaten, beispielsweise zu Gewalttaten gegen Politiker aufruft, macht sich strafbar. Gleiches gilt, wenn Politiker ernsthaft bedroht oder über Gebühr beleidigt werden.

Allerdings kann man die Fragen der Strafbarkeit auch hier nicht pauschal beantworten. In Einzelfall gilt es zum Beispiel zu klären, was die Demonstranten mit ihrem Plakat aussagen wollten.

Lissy Kaufmann, ARD Berlin, tagesschau, 08.01.2024 15:50 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 08. Januar 2024 um 16:00 Uhr.