Universität Osnabrück Imame als Studenten in Deutschland

Stand: 11.10.2010 18:06 Uhr

Die Universität Osnabrück macht als erste deutsche Hochschule Imamen ein Angebot zur Weiterbildung. Weitere Universitäten sollen folgen. Die Fortbildung von islamischen Vorbetern sei für die Integration von Muslimen von großer Bedeutung, so die niedersächsische Integrationsministerin Aygül Özkan, CDU. Imame würden neben der deutschen Sprache auch Grundlagen der pädagogischen Arbeit und Landeskunde lernen. Für die 30 Studienplätze lägen bereits 90 Bewerbungen vor. tagesschau.de hat das Wichtigste zur Ausbildung und zu den Aufgaben von Imamen zusammengefasst.

Wie viele Imame gibt es in Deutschland?

In Deutschland gibt es etwa 1250 hauptamtliche und eintausend ehrenamtliche Imame.

Woher stammen die Imame?

Nach Schätzungen des Zentralrats der Muslime kommen über 90 Prozent der Imame aus der Türkei, vereinzelt auch aus Marokko, dem Iran und anderen Ländern. In den Gemeinden der DITIB, dem Dachverband der türkischen Muslime in Deutschland, wirken ausnahmslos türkisch sprechende Imame, sogenannte Religionsbeauftragte. Ausgewählt werden sie in der Türkei von der "Gemeinsamen Kulturmission", in der Vertreter verschiedener Ministerien sitzen.

Welche Ausbildung haben Imame?

Imame aus der Türkei werden dort an staatlich anerkannten islamisch-theologischen Instituten ausgebildet und schließen mit einem Diplom ab. Wenn sie ins Ausland entsandt werden unterstehen sie – als Quasi-Diplomaten – den Attachés für religiöse Dienste der türkischen Generalkonsulate. Über die Kultur und das Grundwerteverständnis in ihrem Einsatzgebiet wissen sie jedoch oft nur wenig, bemängeln Kritiker. Ihr hauptsächlicher Auftrag sei es, in Deutschland den "türkischen Staatsislam" absichern zu helfen.

Welche Aufgaben hat ein Imam?

Immer wenn Muslime gemeinsam beten, wird das Gebet durch einen Vorbeter geleitet. Der islamischen Tradition zufolge ist es die Funktion des Vorbeters, dafür zu sorgen, dass die Gemeinschaft der Betenden das Ritual gleichzeitig, gleichmäßig und in einer geordneten Form vollzieht. Die Aufgabe des Vorbeters kann von jedem Muslim übernommen werden, der dazu in der Lage ist. Er muss dafür lediglich den Ablauf des Gebets kennen und darf nicht über körperliche Gebrechen verfügen, die den korrekten Vollzug behindern oder unmöglich machen. Da die Gebetsformeln auf Arabisch rezitiert werden müssen, muss der Vorbeter sie in dieser Sprache auswendig kennen, wobei auch auf die korrekte Aussprache Wert gelegt wird.

Gibt es weibliche Imame?

Unter Muslimen ist es strittig, ob und unter welchen Umständen Frauen als Imam tätig sein dürfen. In mehreren Staaten Europas und in USA haben Frauen diese Aufgaben schon übernommen. So leitete in New York eine Frau das Freitagsgebet. Alle traditionellen Rechtsschulen des Islam sind allerdings der Ansicht, dass eine Frau in einer aus Männern und Frauen bestehenden Gemeindeversammlung nicht das Gebet leiten darf.

Warum islamische Theologie an deutschen Universitäten?

Politik und Wissenschaft wollen auch den Muslimen, die mit etwa vier Millionen Menschen die größte religiöse Minderheit in Deutschland sind, die Möglichkeit geben, ihren geistlichen Nachwuchs an den staatlichen Universitäten ausbilden zu lassen. Die Hochschulen in Erlangen-Nürnberg, Frankfurt am Main, Osnabrück und Münster wollen Lehrstühle einrichten. Die islamischen Gemeinschaften würden damit, wie die christlichen Kirchen auf akademischer Ebene eine Stimme bekommen.

Auch der Ausbreitung undemokratischer und fundamentalistischer Einstellungen bei deutschen Muslimen könnte entgegengewirkt werden. Bisher existieren in Deutschland nur wenige islamisch-theologische Bildungsinstitutionen, die Wissen über die historische und regionale unterschiede des Islams kompetent vermitteln können.

Von ausländischen Staaten finanzierte Institutionen, die ihr Wissen über den Islam propagieren, vertreten zumeist kein pluralistisches Programm.

Was soll das Studium leisten?

Das Studium, das mit dem Bachelor oder Master abschließt, soll Frauen und Männer für das staatliche Lehramt und als Imam, also als Vorbeter und Prediger in der Gemeinde, qualifizieren. An jedem Zentrum sollen sechs Professuren hauptsächlich für die Sprache des Koran, also das Arabische, sowie für die Religion in ihren geschichtlichen und systematischen Aspekten, das Recht sowie die religiöse Erziehung eingerichtet werden. Zumindest in der Startphase müssten hochqualifizierte Wissenschaftler aus dem Ausland gewonnen werden.

Wie kann man die Pluralität des Islam abbilden?

Da es im Islam keine Kirchenstruktur gibt, empfiehlt der Wissenschaftsrat nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" Beiräte für Islamische Studien einzuführen. Sie sollen bei der Gestaltung der Studiengänge und der Auswahl von Wissenschaftlern mitbestimmen. Die Beiräte sollen die Pluralität im Islam abbilden. Ihnen sollen muslimische Verbandsvertreter angehören, außerdem islamische Gelehrte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Wer ist legitimierter Partner auf Seiten des Islam?

Deutschland braucht als weltanschaulich neutraler Staat für das bekenntnisgebundene Studium auch legitimierte Partner auf Seiten der Religionsgemeinschaften. Im Rahmen der christlichen Theologie sind das die Kirchen. Von ihnen hängen die Lehrinhalte ab, sie sprechen auch bei der Auswahl der Professoren mit. Für die mehr als drei Millionen Muslime in Deutschland nimmt dieses Recht eine Mehrzahl von Verbänden in Anspruch. Von ihnen hängt es ab, ob die Moschee-Gemeinden den Absolventen tatsächlich eine Imam-Stelle anbieten werden und die Schüler die künftigen Religionslehrer akzeptieren. Nicht alle Verbände sind allgemein akzeptiert: Skeptiker warnen, weil sie an deren Verständnis von Demokratie und eines modernen Lebens in Deutschland zweifeln.

Welches politische Ziel hat die Ausbildung?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verspricht sich von der gezielten Förderung der Imame eine Öffnung der muslimischen Gemeinden. Die Hoffnung ist, dass die Prediger einerseits durch ihre eigene Integrationsbereitschaft selbst als Vorbild für andere Gemeindemitglieder wirken und andererseits Ansprechpartner im interreligiösen Dialog in Deutschland werden.

Welche Kritik gibt es an staatlicher Ausbildung?

Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) fordert, dass "religiöse Funktionäre" nicht mit deutschen Steuergeldern finanziert werden dürften. Die Kritik des IBKA richtet sich nicht speziell gegen die islamische Theologie, sondern gegen Theologie im Allgemeinen, die nach seiner Auffassung keine Wissenschaft darstellt, weil sie an vorgegebene Glaubenssätze gebunden ist.

Was kostet die Ausbildung?

Der Studiengang soll von Bund und Ländern gleichermaßen finanziert werden. Je Institut rechnet der Wissenschaftsrat mit Kosten in Höhe von einer Million Euro im Jahr. Der Rat habe Bund und Länder gebeten, den Ausbau zu finanzieren und zu koordinieren.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

In Österreich bildet die Islamische Religionspädagogische Akademie in Wien seit 1998 in einem dreijährigen Diplom-Lehrgang Imame mit finanzieller Unterstützung des Staates aus. Der Islam ist, anders als in Deutschland, als öffentliche Körperschaft anerkannt. Ziel ist, dass ausschließlich im Land ausgebildete Imame in den Moscheen predigen und so auch eine bessere Kontrolle über die Predigtinhalte möglich wird.

In den Niederlanden hat das Thema Islam und Imame in den Jahren von 2001 bis 2004, von den Anschlägen vom 11. September bis zum Mord an Theo van Gogh, an Dramatik und Aktualität gewonnen. Deshalb hat die niederländische Regierung unter anderem seitdem ihre Bemühungen zur Einrichtung von inländischen Imam-Ausbildungsprogrammen verstärkt. Gleichzeitig wurden die Einreisebedingungen für ausländische Imame etwa durch den Nachweis entsprechender Ausbildung und Sprachkenntnisse erschwert.

Zusammengestellt von Norbert Illes, tagesschau.de