DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Januar 2010 Keine Mehrheit für die Steuersenkungspläne

Stand: 08.01.2010 11:49 Uhr

Die Deutschen lehnen mit großer Mehrheit die Regierungspläne für weitere Steuersenkungen ab. Selbst die meisten FDP-Anhänger sind dagegen. Das ist eines der Ergebnisse des ARD-DeutschlandTrends. Auch sonst sind die Deutschen mit der Regierung nicht zufrieden. 82 Prozent wünschen sich mehr Führung von der Kanzlerin.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Mitten im Streit zwischen Unions- und FDP-Politikern über weitere Steuersenkungen zeigt der ARD-DeutschlandTrend ein überraschendes, aber sehr eindeutiges Meinungsbild der Bevölkerung: Die Mehrheit der Deutschen lehnt die geplanten Steuersenkungen Anfang nächsten Jahres ab. 58 Prozent der Befragten sprechen sich dagegen aus, dass die Bundesregierung umsetzt, was im Koalitionsvertrag beschrieben wurde - nämlich Steuerentlastungen in Höhe von rund 24 Milliarden Euro. Eine Minderheit von 38 Prozent plädiert dafür, die Steuern nächstes Jahr wie geplant zu senken. Dabei zieht sich die mehrheitliche Ablehnung durch die Lager aller politischen Parteien. Am höchsten ist die Zustimmung zu den Steuersenkungsplänen noch unter den FDP-Anhängern. 43 Prozent befürworten dies, aber auch hier überwiegen mit 53 Prozent die ablehnenden Stimmen.

Geringverdiener für Steuersenkungen

Auffallend ist, dass der Wunsch nach Steuererleichterungen offenbar im direktem Zusammenhang mit den eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen steht. Menschen mit geringem Einkommen, in unserer Befragung mit einem Haushalts-Nettoeinkommen von weniger als 1500 € im Monat, plädieren zu 49 Prozent für Steuersenkungen. In dieser Gruppe lehnen sie 45 Prozent ab. Bei Befragten mit höherem Einkommen hingegen (3.000 € netto und mehr im Monat), die ja vermutlich auch sehr viel mehr Steuern bezahlen als Geringverdiener, ist der Wunsch nach Entlastung hingegen kaum ausgeprägt. In dieser Gruppe wünschen sich nur 31 Prozent geringere Steuern, 69 Prozent lehnen die geplanten Steuersenkungen ab. Wenn die Bundesregierung also die Absicht haben sollte, gezielt den Menschen zu helfen, denen ihre Steuerabzüge besonders weh tun, dann sollte sie sich auf das untere Ende des Steuertarifs konzentrieren.

"Der schlimmste Teil der Krise kommt noch"

Wesentlicher Grund für diese Stimmungslage ist die Rekordverschuldung des Staates und die Sorge, dass die Wirtschaftskrise in den nächsten Monaten zu weiteren, nicht geplanten Belastungen führen könnte. 64 Prozent der Befragten gehen nämlich davon aus, dass "der schlimmste Teil der Krise noch bevorsteht". Im November waren die Befragten da noch deutlich zuversichtlicher. Und: Nur noch 51 Prozent der Befragten (im November noch 58 Prozent) trauen "der neuen Bundesregierung zu, mit der Krise fertig zu werden". Ähnlich wie bei der Bewertung der Steuerpläne spielen auch bei der Einschätzung der Wirtschaftskrise die Einkommensverhältnisse eine zentrale Rolle. Menschen in den unteren Einkommensgruppen fühlen sich überdurchschnittlich stark von der Krise betroffen und haben in größerer Zahl Sorge, ihren Arbeitsplatz in den nächsten Monaten möglicherweise zu verlieren.

Regierung in der Vertrauenskrise

Der andauernde Streit über zentrale politische Fragen wie etwa die Steuerpolitik hat die neue Bundesregierung, gut zwei Monate nach Aufnahme der Amtsgeschäfte, in eine Vertrauenskrise gestürzt. 82 Prozent der Befragten sind der Ansicht, Bundeskanzlerin Angela Merkel "müsste die politische Richtung der Bundesregierung klarer vorgeben". Und zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) stimmen zu, dass "die Koalitionsparteien zerstritten sind und keinen gemeinsamen Kurs haben". Nur eine Minderheit von 44 Prozent hat das Gefühl, die neue Regierung habe einen Politikwechsel vollzogen, 49 Prozent können Anzeichen für diesen Wechsel nicht erkennen.

Merkel und zu Guttenberg verlieren deutlich

Diese Stimmungslage schlägt sich vor allem in der persönlichen Bewertung der Spitzenpolitiker nieder - allerdings ohne dass Oppositionspolitiker erkennbar profitieren können. Alle Polit-Lieblinge der vergangenen Monate müssen Federn lassen: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg fällt innerhalb eines Monats um 7 Punkte auf nur noch 62 Prozent Zustimmung zurück, hält aber knapp die Spitzenposition. Ihm folgt Kanzlerin Angela Merkel mit 59 Prozent Zustimmung, sie verliert sogar 11 Punkte gegenüber Dezember und erreicht bei dieser monatlichen DeutschlandTrend-Abfrage den schlechtesten Wert seit Dezember 2006.

Relativ stabil hält sich hingegen Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 48 Prozent (- 3). Und einen regelrechten Absturz muss Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nach ihrem Ressort-Wechsel hinnehmen. Anfang Dezember waren noch 66 Prozent mit ihrer Arbeit zufrieden, nun sind es noch 40 Prozent. Damit steht sie gleich auf mit der best bewerteten Oppositions-Politikerin, der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast, mit deren Arbeit ebenfalls 40 Prozent der Befragten zufrieden sind. Rückschläge gibt es auch für FDP-Chef Guido Westerwelle, der mit 36 Prozent (- 7) den schlechtesten Wert seit fast zwei Jahren erreicht. Und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der mit 30 Prozent auf sein Allzeit-Tief zurückfällt (das er im März 2009 schon einmal erreicht hatte). Oppositions-Politikern geht es allerdings nicht besser. Sigmar Gabriel (34 Prozent) und Gregor Gysi (24 Prozent) liegen auch im Rekord-Stimmungstief.

Schlechte Laune über die Parteigrenzen hinweg

Die schlechte Laune trifft also alle Befragten über die Parteigrenzen hinweg. Deshalb gibt es auch keine wesentlichen Verschiebungen in der Sonntagsfrage. Die Union gewinnt gegenüber dem Vormonat einen Prozentpunkt und liegt nun bei 36 Prozent. Der Koalitionspartner FDP hat seit der Bundestagswahl kontinuierlich verloren und kommt auf 11 Prozent (- 1). Das reicht zusammen genommen rechnerisch, wie schon im Dezember, nicht für eine Regierungsmehrheit. Unter den Oppositionsparteien legen die Sozialdemokraten zu. Mit 25 Prozent (+ 1) haben sie zumindest wieder festen Boden unter den Füßen. Die Grünen liegen bei 12 Prozent (- 1) und die Linke liegt bei 10 Prozent (- 1).

Sorge und Unsicherheit zum Jahresbeginn

Insgesamt ist die Stimmung zum Jahresbeginn 2010 geprägt von Sorge und Unsicherheit. Das betrifft nicht nur die wirtschaftliche Situation. Große internationale Vorhaben wie ein Klimaschutz-Abkommen sind gescheitert. Und die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, sei es durch den Krieg in Afghanistan oder sei es durch verschärfte Sicherheitsmaßnahmen etwa im Flugverkehr, scheint auch nicht so recht voran gekommen zu sein. Selbst der große Hoffnungsträger des vergangenen Jahres, der amerikanische Präsident Barack Obama, konnte nur wenig von dem umsetzen, was er zu Beginn seiner Amtszeit vor genau einem Jahr angekündigt hatte. Gemessen daran fällt das Urteil der Befragten über ihn immer noch relativ gut aus. 69 Prozent sind der Ansicht, dass Obama die Erwartungen in seinem ersten Amtsjahr eher erfüllt habe, 22 Prozent finden, er habe die Erwartungen eher enttäuscht. Allerdings hatten seine Zufriedenheitswerte im Laufe des vergangenen Jahres bei den deutschen Befragten zeitweise die 80-Prozent-Grenze erreicht. Davon ist er nun weit entfernt.

Unterstützung für Afghanistan-Einsatz sinkt weiter

Allerdings geht es bei Obama ganz offensichtlich vielfach eher um persönliche als um politische Verehrung und Anerkennung. Immerhin hat der amerikanische Präsident ja für die Aufstockung der NATO-Truppen in Afghanistan geworben - was die Deutschen mit großer Mehrheit ablehnen. 83 Prozent sprechen sich gegen mehr Bundeswehrsoldaten in Afghanistan aus. Nur 15 Prozent unterstützen diese Forderungen, denen sich die deutsche Bundesregierung bei der Afghanistan-Konferenz Ende des Monats in London stellen muss. Generell hat die Unterstützung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nur noch 26 Prozent finden, die Bundeswehr solle weiter dort stationiert bleiben. 71 Prozent (+ 2 gegenüber Dezember) möchten, dass sie sich so schnell wie möglich aus dem Land zurückzieht. Das ist ein neuer Höchstwert.

Klare Mehrheit für Nacktscanner

Breite Unterstützung gibt es hingegen für politische Pläne im Bereich der Flughafensicherheit. Mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) fordern, dass die Kontrollen an den deutschen Flughäfen generell verstärkt werden sollen. Fast genau so viele, 62 Prozent, wünschen sich eine bessere Vernetzung von Datenbanken der zuständigen Behörden. Die vielfach geäußerten Bedenken  der Datenschützer scheinen bei den Befragten weniger schwer zu wiegen. Und der lange Zeit so umstrittene Einsatz der sogenannten Nacktscanner findet ebenfalls eine Mehrheit. 59 Prozent sprechen sich für deren Einführung aus, 38 Prozent sind dagegen.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend

Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1000 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 05. Januar 2010
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte
Sonntagsfrage: 1500 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 06. Januar 2010
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte