Jürgen Elsässer, Compact-Chefredakteur, seine Ehefrau Stephanie Elsässer (l) und Ulrich Vosgerau

Verhandlung zu Compact-Verbot So verlief der erste Tag vor Gericht

Stand: 11.06.2025 15:43 Uhr

Knapp ein Jahr nach Verbot des rechtsextremen Magazins Compact prüft das Bundesverwaltungsgericht, ob dieses Bestand hat. Die Verhandlung begann mit grundlegenden Fragen. Wann das Gericht ein Urteil spricht, ist offen.

Von Claudia Kornmeier, ARD-Hauptstadtstudio

Unter Applaus von einigen Zuschauern betritt Jürgen Elsässer mit seiner Frau Stephanie den großen Saal im Bundesverwaltungsgericht. Vor einem knappen Jahr hatte das Bundesinnenministerium seine Compact GmbH verboten, die unter anderem das gleichnamige Magazin herausgibt.

Nun beginnt hier in Leipzig die mündliche Verhandlung über die dagegen gerichtete Klage von Compact. Das ist schnell. Üblicherweise dauern Klageverfahren gegen Vereinsverbote viel länger.

"Elsässer und Klemm kann man nicht verbieten", lässt Elsässer noch vor Verhandlungsbeginn wissen für den Fall, dass das Gericht das Verbot bestätigen sollte. Paul Klemm ist einer der präsentesten Mitarbeiter von Compact.

Begründung für das Verbot

Das Bundesinnenministerium hatte die Compact GmbH im Juli 2024 mit Verweis auf Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz und das Vereinsgesetz verboten. Compact lehne die verfassungsmäßige Ordnung ab und weise eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf.

Es verbreite antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte. Compact nehme eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein und propagiere ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept. Dies spiegele sich in zahlreichen Print- und Online-Beiträgen wider.

Zudem bediene sich Compact des Narrativs des "Großen Austauschs" beziehungsweise des "Bevölkerungsaustauschs", "Volksaustauschs" oder der "Ersetzungsmigration" und präsentiere die "Remigration" und "Re-Tribalisierung" als Lösungskonzepte zum Erhalt eines ethnisch-homogenen Volkes. In zahlreichen Veröffentlichungen offenbare sich Fremden- und Migrantenfeindlichkeit sowie Antisemitismus.

In einer Eilentscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug des Verbots im August 2024 vorläufig ausgesetzt. Compact konnte seine Arbeit deshalb wieder aufnehmen.

Anwalt stellt Vorwurf der Befangenheit in den Raum

Anders als etwa die AfD hat Compact nicht eine größere Kanzlei beauftragt. Einer der Anwälte, Ulrich Vosgerau - der schon die AfD häufig vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hat -, stellt gleich zu Anfang den Vorwurf der Befangenheit in den Raum.

Er sei "alarmiert", habe nicht den Eindruck, dass der Senat "Fehler" der Eilentscheidung überprüfen wolle. "Lassen Sie sich doch einfach mal überraschen", sagt der Vorsitzende Richter Ingo Kraft. Vosgerau: "Ich interpretiere das so, dass Sie sich subjektiv nicht für befangen halten?" "Da gebe ich Ihnen nicht Unrecht. Können wir einfach mal anfangen. Der ganze Senat ist offen."

Ton und Tempo der Verhandlung sind damit gesetzt. Spätestens am Nachmittag droht dem Vorsitzenden die Verhandlungsführung zu entgleiten. Die Anwälte halten sich einfach nicht an die vorbereitete Gliederung.

Ist das Vereinsrecht anwendbar?

Geklärt werden muss zunächst, ob das Vereinsrecht überhaupt auf ein Medienunternehmen anwendbar ist. Im Eilverfahren hatte der Senat das bejaht, geht die Frage nun aber noch einmal an: Ist Compact nur ein klassisches Medienunternehmen oder hat es eine eigene Agenda? Der Vorsitzende Richter hält Elsässer und Compact dabei die Organisation der Veranstaltungsreihe "Blaue Welle" vor, mit der die AfD im Wahlkampf unterstützt worden sei. Außerdem geht es um zwei Zitate von Elsässer.

"Wir wollen dieses Regime stürzen", hatte Elsässer 2023 bei einer Spendengala gesagt. "Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes."

Seine Erklärung dazu: Er habe die Rolle von Compact "heroisch", "blumig" dargestellt. Die Rolle von Compact "überhöht", um sich ins Gespräch zu bringen, um gegenüber potenziellen Spendern Einfluss zu suggerieren.

"Compact ist kein Verein, sondern ein Medienunternehmen, ein Verlagshaus", sagt er. Die Mitarbeiter hätten sich rund um die Uhr und ausschließlich mit der Erstellung und Verbreitung redaktioneller Inhalte beschäftigt. "Wir können gar nichts nebenher organisieren." Die Veranstaltungen der Reihe "Blaue Welle" seien im Grunde Pressefeste gewesen - reine Werbeveranstaltungen für das Magazin. Da Wahlkampf gewesen sei, habe es sich angeboten, die Veranstaltungen damit in den Zusammenhang zu stellen.

Der Vorsitzende Richter Kraft bemerkt außerdem, dass in der "Wir-Form" gesprochen werde, und erinnert an ein Zitat von Elsässer von 2018: "Alle zusammen in großer Einheit: Pegida, IB, AfD, Ein Prozent, Compact! Fünf Finger, alle kann man einzeln brechen, aber alle zusammen sind eine Faust!"

"Journalismus mit Haltung", nennt es Compact-Anwalt Laurens Nothdurft. Zwar deutlich außerhalb des Mainstreams, aber ein "lupenreines Presseunternehmen". Elsässer besteht darauf, er habe alles entscheiden können und das auch getan. "In unserer Ehe hat meine Frau die Hosen an. Aber in unserem Verlag bin ich natürlich der Diktator." Die Redakteure seien zwar politische Köpfe, aber er sei der Boss. Buchalter und Vertriebsleiter zum Teil einer "Vereinigung" zu erklären, sei dagegen "absurd". Die seien nicht politisch, könnten genauso gut für jede andere Zeitung arbeiten.

Bedeutung der Meinungsfreiheit

Klären muss das Gericht außerdem, inwieweit die vom Bundesinnenministerium angeführten Äußerungen und Veröffentlichungen das Verbot stützen können. "Im Zweifel für die Meinungsfreiheit", gibt der Vorsitzende als Linie vor. Wenn das Vereinsrecht auf Medienunternehmen angewendet werde, dann müsse man mit der Meinungs- und der Pressefreiheit auch ernst machen und unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten in den Blick nehmen.

Aus Sicht des Anwalts des Bundesinnenministeriums, Wolfgang Roth, gibt es allerdings eine Reihe von Begriffen und Äußerungen, die "nichts Mehrdeutiges" haben. Etwa: "Umvolkung hin zu einer Mischrasse", das könne man nicht mehr anders auslegen als rassistisch. Ebenso wenig der Begriff "Migrationswaffe". "Fremdländische Passdeutsche", was solle denn das heißen? "Schleichender, kalter Genozid am deutschen Volk. Die wollen uns aus unserem eigenen Land herausbrüten", auch diese Äußerung sei nicht interpretationsfähig.

"Mein Gott, was für ein Kappes", reagiert Vosgerau darauf. "Diese endlosen Sammlungen." Das dürfe man doch alles so sagen. "Sämtliche Äußerungen, die die Gegenseite zusammenträgt, sind legal", hatte er schon am Vormittag gesagt. "Es ist alles legal."

"Misstöne" in einer "Gesamtkomposition", in der "viele Instrumente" Platz haben - so beschreibt es Elsässer selbst. "Was zitiert worden ist, ist nicht Compact." Man habe zwar rechte Autoren, aber Compact als Gesamtprodukt sei weder rechts noch rechtsextrem.

Am Mittwoch soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Sollte das Bundesverwaltungsgericht das Compact-Verbot bestätigen, kann es gut sein, dass ein weiterer Termin für die Verkündung des Urteils anberaumt wird - um den Sicherheitsbehörden die Gelegenheit zu geben, die Vollstreckung des Verbots vorzubereiten.

In einer früheren Version hieß es, der Anwalt Ulrich Vosgerau habe zu Anfang einen Antrag auf Befangenheit gestellt. Richtig ist, dass er zu diesem Zeitpunkt keinen Befangenheitsantrag gestellt hat, sondern lediglich den Vorwurf der Befangenheit in den Raum gestellt hat.

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