Interview

Interview mit Chaos Computer Club Hacker antworten dem Innenminister

Stand: 22.07.2010 03:23 Uhr

Der Bundesinnenminister hat vor einem Monat 14 Thesen zur Netzpolitik veröffentlicht. Dem stellte der Chaos Computer Club elf "Forderungen für ein lebenswertes Netz" entgegen. Sprecherin Constanze Kurz erklärt im Interview mit tagesschau.de Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Thesenpapiere.

tagesschau.de: Was ist das Hauptanliegen Ihrer Thesen?

Constanze Kurz: Das Netz sollte als das angesehen werden, was es ist. Es ist für die überwiegende Mehrzahl der Menschen ein wichtiges Kommunikations- und Informationsmedium. Und eben nicht ein Gefahrenraum, der reglementiert gehört.

"Netzpolitische Themen sind viel präsenter"

tagesschau.de: Waren Ihre Forderungen eine direkte Antwort auf Bundesinnenminster Thomas de Maizières 14 Thesen?

Kurz: Wir wollten vor allem unsere Vision des Netzes aufschreiben. Denn diese ganze Hysterie, die über angeblich überbordende Internetkriminalität gemacht wird, geht uns einfach auf den Zeiger.

Zur Person

Constanze Kurz ist Sprecherin des Chaos Computer Clubs, einem deutschlandweiten Hackerclub. Beruflich arbeitet Kurz als Informatikerin an der Humboldt Universität in Berlin. Der Chaos Computer Club sieht sich als Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen.

tagesschau.de: Was finden sie an de Maizières Thesen gut?

Kurz: Wir finden es gut, dass sich der Innenminister überhaupt so intensiv mit der Netzpolitik befasst und ein Grundsatzpapier geschrieben hat. Leider ist es so, dass viele Dinge darin nicht sehr konkret sind. Wir sind zufrieden, dass er die Netzneutralität erwähnt und sich dahinter stellt. Es ist ein Dialogangebot. Und wir verstehen den Dialog so, dass wir unsere Vorschläge dem entgegensetzen wollen.

tagesschau.de: Modernisiert sich die Netzpolitik der Bundesregierung?

Kurz: Man kann eine gewisse Modernisierung feststellen. Auch die Regierung hat bemerkt, dass das Netz ein wichtiges Politikfeld geworden ist. In allen Ministerien sind netzpolitische Themen viel präsenter als noch in der letzten Legislaturperiode.

"Es gab nie einen rechtsfreien Raum Internet"

tagesschau.de: Im Vergleich zwischen de Maizières Thesen und Ihren Forderungen gibt es einige Übereinstimmungen.

Kurz: Es gibt aber auch ein paar große Unterschiede. De Maizière hat sich klar für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen, wohingegen wir meinen, dass Bewegungs- und Kommunikationsdaten eben nicht auf Vorrat gespeichert werden sollen. Wozu sich de Maizière gar nicht geäußert hat, sind die Fragen der Softwarepatente und Urheberrechte.

tagesschau.de: De Maizière möchte elektronische Identitäten einführen, um das Netz sicherer zu machen. Was schlagen Sie vor gegen Kriminalität im Netz?

Kurz: Anders als es häufig dargestellt wird, kann man in den Statistiken sehr gut nachvollziehen, dass die Kriminalität im Netz sehr gut bekämpft wird. Die Aufklärungsquoten sind weit besser als im realen Leben. Die Forderungen nach Online-Durchsuchungen oder Durchsuchungen privater Profile in sozialen Netzwerken halten wir für überzogen. Hier wird aufgebauscht, was im Netz passiert. Es gab nie einen rechtsfreien Raum Internet. Von Anfang an nicht. Die Gesetze, die wir in der normalen Welt haben, haben auch schon immer im Netz gegolten.

"Die Anonymität darf nicht aufgehoben werden"

tagesschau.de: Sie fordern das Recht auf Anonymität im Netz. Wie kann man bei Anonymität Straftaten wie Kinderpornografie aufklären?

Kurz: Ein Recht auf Anonymität bedeutet nicht, dass man keine Verbrechen mehr aufklären kann. Wenn ein konkreter Verdacht besteht, haben die Ermittlungsbehörden alle Rechte, Kommunikationskanäle abzuhören, aber auch Kommunikationswege zu ergründen. Die Anonymität darf aber nicht prinzipiell aufgehoben werden. Wenn ich aus meiner Haustür gehe, muss ich auch kein Namensschild mit mir herumtragen. Das sollte im Netz genauso sein.

Das Interview führte Maximiliane Hanft für tagesschau.de