Ein Heizkörper hängt in einer Wohnung.
Kontext

Gebäudeenergiegesetz "Deutschland hat die Transformation verschlafen"

Stand: 22.05.2023 16:29 Uhr

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Thema klimafreundliches Heizen hat ordentlich Aufsehen erregt. Dabei kursieren auch Falschmeldungen - beispielsweise, alle Öl- und Gasheizungen müssten im kommenden Jahr ausgetauscht werden.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

"Komplett wahnsinnige Verordnungen, Zwang zur Anschaffung von Wärmepumpen, faktisches Verbot von Öl- und Gasheizungen: All das führt unweigerlich zur Verarmung der Mittelschicht, weil sich die Menschen das einfach nicht mehr leisten können", twitterte AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel Ende April. Der Grund für die Aufregung: Der Entwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) der Bundesregierung, federführend vom Bauministerium (BMWSB) und dem Wirtschaftsministerium (BMWK) geschrieben. Aber was ist überhaupt dran an den Streitpunkten?

Kein Zwang zum Heizungstausch

Einer der Hauptvorwürfe gegen den Gesetzentwurf ist, dass die Bundesregierung Öl- und Gasheizungen generell verbieten möchte. Doch das ist falsch, sagt Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG. Denn das Gesetz betrifft nur den Einbau neuer Heizungen ab 2024: "Es geht darum, dass wenn eine Öl- oder Gasheizung irreparabel kaputt ist, sie im Normalfall nicht mehr einfach nur durch eine Öl- oder Gasheizung ersetzt werden darf, sondern dass ein Gerät oder eine Kombination von Geräten verbaut werden muss, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden." In dem Entwurf gibt es zudem einige Ausnahmen: Beispielsweise bezieht sich das GEG nicht auf alle Gebäudearten, und auch eine Härtefallregelung ist vorgesehen.

Der Hintergrund dabei ist, dass die Bundesregierung sich verpflichtet hat, den Anteil der mit fossiler Energie betriebenen Heizungen im Gebäudesektor zu senken. Denn nach Angaben des Wirtschaftsministeriums werden mehr als 80 Prozent der Wärmenachfrage durch die Verbrennung von Öl und Gas gedeckt - vor Beginn des russischen Angriffskriegs vor allem mit Erdgas aus Russland.

Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft entstanden im Jahr 2021 148 Millionen Tonnen CO2 beim Beheizen, Kühlen und der Warmwasserbereitstellung in Gebäuden. Das entspreche einem Anteil von 22 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland. Das Umweltbundesamt beziffert die fossilen CO2-Emissionen aus der Wärmeerzeugung in privaten Gebäuden für das Jahr 2021 mit 115,15 Millionen Tonnen.

Vor diesem Hintergrund ist laut Pfluger das Hauptproblem, dass beispielsweise Gasheizungen in Deutschland überhaupt so lange gefördert worden sind. "Deutschland hat es sich in seiner Kuschelecke des günstigen russischen Gases bequem gemacht und die Transformation verschlafen. Und das trifft uns jetzt doppelt hart", sagt er. Denn der Aufschrei jetzt sei auch so groß, weil das Thema nun nicht mehr langsam angegangen werden könne, sondern innerhalb von wenigen Jahren sehr viel passieren müsse. "Unsere Art und Weise zu heizen ist einfach nicht nachhaltig", sagt Pfluger. "Daher ist die Abkehr von fossilen Heizsystemen einfach völlig unumgänglich."

Die Bundesregierung will die Anschaffung von klimafreundlichen Heizungen daher fördern und forcieren. Wie weit Deutschland dabei im europäischen Vergleich hinterher hängt, zeigt ein Blick auf die Wärmepumpen: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der European Heat Pump Association (EHPA) lediglich 5,75 Wärmepumpen pro 1000 Haushalte verkauft, in den Niederlanden und Frankreich waren es hingegen fast drei Mal so viel. Die skandinavischen Länder liegen noch einmal deutlich weiter vorne, Spitzenreiter ist Finnland mit 69,36 Wärmepumpen.

Manuel Ruppert, Gruppenleiter Transport und Energie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), hält die Änderung des GEG grundsätzlich "für ein sinnvolles Instrument". "In den vergangenen Jahren haben wir eine sehr hohe Trägheit im Gebäudebereich beobachtet, was Sanierungen angeht." Dabei sei im Wärmesektor hinsichtlich CO2-Emissionen definitiv Einsparpotenzial vorhanden. Wenn Deutschland die Klimaziele erreichen wolle, müssten nun einmal in allen Bereichen der Treibhausgasausstoß reduziert werden.

Die Krux mit der Technologieoffenheit

Ein weiteres Streitthema ist die Frage nach der Technologieoffenheit. Auch wenn es keinen Zwang zur Anschaffung von Wärmepumpen gibt, wie AfD-Chefin Weidel es behauptete, wird ihnen laut Gesetzentwurf eine "entscheidende" Rolle zugeschrieben - zusammen mit Solarthermie. Unter anderem aus den Reihen der FDP wurde hingegen mehr Technologieoffenheit bei klimafreundlicheren Alternativen für die fossilen Heizsysteme gefordert. Die Kritik greift aus Sicht der Experten jedoch zu kurz.

"Ich finde Technologieoffenheit wunderbar", sagt Jan Steinbach, Geschäftsführer des Instituts für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES). "Aber wenn das Ziel ist, dass wir klimaneutral werden wollen, dann kann ich mich nur in einem Zielsystem bewegen, wo ich Technologien vergleiche, die klimaneutrale Wärme bereitstellen. Und dann scheiden eben ganz viele Technologien aus."

Das sieht auch Ruppert so. "Wir sprechen bei der Gesetzgebung erst einmal über die Rahmenbedingungen der nächsten Jahre." Dadurch würden alternative Heizsysteme, die beispielsweise mit grünem Wasserstoff betrieben werden, praktisch keine Rolle spielen. "Unsere Analysen zeigen, dass grüner Wasserstoff zumindest in den nächsten Jahren noch ein sehr knappes Gut sein wird", sagt Ruppert.

Hinzu komme, dass andere Bereiche, wie beispielsweise der Luftverkehrssektor oder der Stahlsektor, deutlich stärker auf grünen Wasserstoff angewiesen seien, um die CO2-Emissionen zu senken. Denn dort gebe es weniger Alternativen. Zudem reicht laut einer Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) die für 2035 erwartete Produktionsmenge nicht einmal aus, um den Bedarf im Schiffs- und Flugverkehr sowie in der Chemie zu decken. Da E-Fuels auf grünen Wasserstoff basieren, scheiden sie nach Ansicht der Experten ebenso als klimafreundliche Heizmethode aus.

Das Problem ist laut Pfluger, dass sich jetzt festgelegt werden müsse, auf welche Technologie man setzen möchte. Denn darauf aufbauend würde die Infrastruktur angepasst. "Und das ist ein unglaublich aufwändiges Verfahren", sagt Pfluger. "Und wenn wir dann alles dafür vorbereiten, dass es in Richtung Wasserstoff geht, und deshalb keine Wärmepumpen einbauen oder Fernwärmenetze ausbauen, wird uns das auf die Füße fallen, wenn das mit dem Wasserstoff nicht funktioniert, weil er zu spät kommt oder fürs Heizen unbezahlbar ist."

Wann rechnen sich Wärmepumpen finanziell?

Die Experten sehen daher einen Mix aus Wärmepumpen, Fernwärme und Solarthermie als realistischste Optionen an, um die Wärmewende zu vollziehen. Da momentan jedoch noch viele Haushalte nicht von einem Fernwärmenetz abgedeckt werden, liege der Fokus auf den Wärmepumpen. "Der größte Vorteil einer Wärmepumpe ist die Effizienz und dass sie für einzelne Gebäude verfügbar ist", sagt Steinbach.

Kritiker bemängeln jedoch die hohen Kosten einerseits bei der Anschaffung einer Wärmepumpe und andererseits beim Betrieb. Allgemeingültige Aussagen dazu seien jedoch schwierig, sagt Steinbach. Denn die Preise von Wärmepumpen samt deren Installation seien stark von den regionalen Anbietern abhängig. Dasselbe gelte auch für die laufenden Kosten, da die Stromtarife nicht einheitlich sind - in einigen Orten gibt es beispielsweise Wärmepumpentarife, die unter dem regulären Strompreis liegen.

Dennoch würden Szenarien zeigen, dass - über einen längeren Zeitraum gerechnet - die Wärmepumpe im Vergleich zur reinen Öl- oder Gasheizung in den meisten Fällen wirtschaftlich seien - auch mit der Annahme, dass die derzeit hohen Gaspreise wieder sinken, sagt Steinbach. Die Betriebskosten einer Wärmepumpe würden auf lange Sicht die verhältnismäßig hohen Anschaffungskosten wett machen, da die Experten perspektivisch auch von sinkenden Strompreisen ausgehen. Hinzu kommen Fördergelder für klimafreundliche Heizsysteme.

"Das Verhältnis ändert sich jedoch deutlich, wenn eine Wärmepumpe in einem schlecht isolierten Gebäude eingesetzt wird", sagt Ruppert. "Hinzu kommen die ganz spezifischen Gegebenheiten, zum Beispiel die Heizkörper, die schon verbaut sind. Es ist mit relativ großem Aufwand verbunden, das gesamte System anzupassen, gerade bei älteren Bestandsgebäuden." Diese Punkte würden die gesamte Effizienz der Wärmepumpe dann deutlich heruntersetzen. Allerdings müsse bei einem Vergleich mit Öl- und Gasheizungen auch einberechnet werden, dass fossile Heizsysteme bei steigenden CO2-Preisen im Betrieb deutlich teurer werden können.

Strommix entscheidender Faktor bei CO2-Bilanz

Auch beim Thema CO2-Emissionen gibt es eine wichtige Unbekannte in der Gleichung. Denn wie klimafreundlich eine Wärmepumpe letzten Endes ist, hängt stark mit dem Strommix zusammen. "Die CO2-Bilanz einer Wärmepumpe hängt maßgeblich vom erneuerbaren Anteil des Stroms ab", sagt Ruppert. "Das ist mit Abstand der größte Einflussfaktor." Denn je höher der Anteil an Erneuerbaren Energien am Strommix, desto klimafreundlicher ist die Wärmepumpe. Allerdings sei auch der aktuelle deutsche Strommix schon ausreichend, dass im direkten Vergleich eine Wärmepumpe die bessere CO2-Bilanz habe. Auch mehrere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Wärmepumpen bereits für viele Gebäude eine klimafreundlichere Alternative sind.

Hinzu komme, dass die Bundesregierung den Anteil Erneuerbarer Energien in den kommenden Jahren deutlich ausbauen möchte, so dass langfristig die CO2-Bilanz einer Wärmepumpe noch besser werde. Pfluger mahnt daher an, nicht vorschnell noch eine Öl- oder Gasheizung zu kaufen. "Ich glaube, damit werden die Menschen auf die Nase fallen. In ein paar Jahren werden durch den CO2-Handel fossile Energien wie Erdgas sehr teuer werden."

Wärmewende auch im Koalitionsvertrag

Wirklich überraschend kommt der Gesetzentwurf zur Änderung des GEG übrigens nicht. Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP geschrieben, dass zum 1. Januar 2025 "jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden [soll]". Im März 2022 entschied die Koalition dann, den Start "vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine" ein Jahr vorzuziehen, um die "Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Konfliktregionen zu beenden und die Klimaschutzziele zu erreichen". Im Juli 2022 veröffentlichten das BMWSB und das BMWK ein erstes Konzeptpapier dazu.

Und auch auf EU-Ebene gibt es bereits Bestrebungen, fossile Heizsysteme langfristig durch grünere Methoden zu ersetzen. So sollen ab 2035 keine neuen Gaskessel mehr in Gebäude verbaut werden dürfen - mit Ausnahmen von Gaskesseln, die für den Betrieb mit Biogas oder Wasserstoff zertifiziert sind. Zudem gibt es Überlegungen, die Richtlinien für bestimmte Heizsysteme noch weiter zu verschärfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Mai 2023 um 07:09 Uhr.