Die Video-App TikTok ist vor allem bei Jugendlichen sehr beliebt.
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Soziale Netzwerke Übertriebene Warnungen vor "Challenge"

Stand: 12.08.2020 15:19 Uhr

Durch eine neue "Challenge" in sozialen Medien würden Kinder verleitet, gefährliche Herausforderungen auszuprobieren. Das berichten diverse Medien. ZAPP-Recherchen zufolge sind die Warnungen jedoch stark übertrieben.

Seit Anfang Juli häufen sich in sozialen Netzwerken und in Medien Meldungen über eine neue Grusel-Challenge. Dazu sind Tausende Profile mit dem Namen dieser Herausforderung bei Facebook, Instagram und TikTok aufgetaucht. Das Profilbild zeigt eine grinsende Fratze, die entfernt an die Disney-Figur Goofy erinnert, daher auch der Name "Grusel-Goofy".

Zahlreiche Medien, darunter "stern.de", "Focus-Online" und auch der NDR, haben in den vergangenen Wochen darüber berichtet und gewarnt, Kinder und Jugendliche würden über diese Profile angesprochen und unter Druck gesetzt, eine Reihe von Aufgaben zu absolvieren. Die Aufgaben könnten "im schlimmsten Fall mit dem Tod der Kinder enden", so zitiert "stern.de" den bekannten "Cyberkriminologen" Thomas-Gabriel Rüdiger.

Falschmeldungen über Selbstmorde

Recherchen des NDR-Medienmagazins ZAPP zufolge gibt es allerdings keinen Anlass für diese furchterregenden Warnungen: Bislang fehlen Erkenntnisse darüber, ob tatsächlich Listen mit Aufgaben verschickt wurden und Kinder diese auch absolvierten. Bundesweit sind keine bestätigten Fälle von Verletzungen oder Unfällen aufgrund einer solchen Challenge bekannt. Meldungen über Selbstmorde bezeichnet Enrico Ball von der Polizei Unterfranken als "Hoax", also Falschmeldungen.

Auch Martin Bregenzer von der EU-Medienkompetenz-Initiative "klicksafe" hält die Warnungen für überzogen: "Bislang haben weder wir noch die anderen Netzberatungsstellen auch nur einen einzigen Anruf von Kindern oder Jugendlichen erhalten, die sich wegen einer Challenge gemeldet hätten." Solche Challenges würden in den Medien immer wieder auftauchen - bevorzugt im Sommerloch. Die Welle der Berichterstattung löse bei Kindern jedoch sehr reale Ängste aus, so Bregenzers Einschätzung. Echte Aufklärung sei wichtiger als Panikmache.

Nach Recherchen von NDR Data kursieren Fotos und Videos des "Grusel-Goofys", die die Grundlage der Challenge bilden, bereits seit 2012 im Internet. Sie stammen von einem US-amerikanischen Maskenbildner, der die Bilder auf der Porno-Plattform "xtube" veröffentlicht hatte. Erst Ende Mai 2020 wurden die Bilder von Usern auf TikTok geteilt, seitdem geht das Thema weltweit viral. Auf YouTube erzielen Videos zu der Challenge teils mehrere Millionen Aufrufe in nur wenigen Tagen.

"Keine eigenen Recherchen"

Dass viele Medien hierzulande die Geschichte aufgriffen, geht nach ZAPP-Recherchen auf den "Cyberkriminologen" Rüdiger zurück, der an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg lehrt. Er hatte über seine Social-Media-Kanäle vor der Grusel-Challenge gewarnt, wurde daraufhin in zahlreichen Presseberichten zitiert.

Im Interview mit ZAPP räumt er jedoch ein, er habe keine eigenen Recherchen zur Challenge angestellt, sondern "im privaten Gespräch mit einem Kollegen" davon erfahren. Er habe daraufhin lediglich "ein schnelles Posting" für seine Follower abgesetzt. Viele Medien hätten das dann offenbar ohne weitere Prüfung übernommen. Sie haben damit gewissermaßen die Panik erst erzeugt, vor der sie warnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet das Medienmagazin „ZAPP“ im NDR Fernsehen am 12. August 2020 um 23:20 Uhr.