Joe Biden

Bidens Rede zur Lage der Nation Über Trump, ohne Trump zu sagen

Stand: 08.03.2024 05:33 Uhr

Ukraine, Nahost, Migration: In seiner Rede sprach Biden über die großen Wahlkampfthemen und versicherte, Russland weiter die Stirn zu bieten. Immer wieder ging es aber auch - ohne dessen Namen zu nennen - um seinen Vorgänger Trump.

US-Präsident Joe Biden hat seine jährliche Rede zur Lage der Nation genutzt, um den Kongress zur Freigabe von Hilfen für die Ukraine aufzufordern und angesichts der dramatischen Lage im Gazastreifen an die israelische Regierung zu appellieren. Immer wieder grenzte der Demokrat sich bei verschiedensten Themen der Innen- wie Außenpolitik aber auch von seinem Vorgänger und voraussichtlichen Herausforderer Donald Trump ab. Zwar nannte er den Republikaner nicht namentlich, ließ aber keinen Zweifel, wen er meinte.

US-Präsident Biden hat Rede an die Nation gehalten

Torben Börgers, ARD Washington, tagesschau, 08.03.2024 09:00 Uhr

So verurteilte Biden explizit dessen Aussagen zur NATO. "Nun, mein Vorgänger, ein ehemaliger republikanischer Präsident, sagte zu Putin, Zitat: 'Mach, was du willst'", sagte Biden und fügte weiter an: "Ich denke, das ist unerhört, gefährlich und inakzeptabel." Trump hatte jüngst bei einem Wahlkampfauftritt deutlich gemacht, dass er NATO-Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde.

"Wir müssen Putin die Stirn bieten", betonte hingegen Biden vor beiden Parlamentskammern. Er versicherte, dass er vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "nicht einknicken" werde. "Meine Botschaft an Präsident Putin, den ich seit langem kenne, ist einfach: Wir werden nicht weglaufen", sagte er. "Wenn irgendjemand in diesem Raum meint, Putin würde nach der Ukraine haltmachen, dann ist das falsch. Ich versichere Ihnen, das wird er nicht."

Biden fordert den Kongress erneut auf, weitere US-Hilfen für das von Russland angegriffene Land freizugeben. "Die Ukraine kann Putin aufhalten. Wenn wir der Ukraine zur Seite stehen und die Waffen liefern", sagte der 81-Jährige. Die Ukraine bitte nicht um US-Soldaten und er werde auch keine schicken, betonte er. Den Republikanern warf er vor, diese wollten, dass sich die USA von der Führungsrolle in der Welt verabschiedeten.

Appell an Israel

Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten bestätigte Biden, dass die USA einen temporären Hafen für Hilfslieferungen nach Gaza planen. Er prangerte die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen an, versprach den Menschen dort weitere Hilfe und rief Israels Führung zu einem besseren Schutz von Zivilisten auf. "Mehr als 30.000 Palästinenser wurden getötet, von denen die meisten nicht der Hamas angehören", sagte er. Kinder seien zu Waisen geworden, Menschen hätten ihre Häuser verloren und seien vertrieben worden. Viele seien ohne Nahrung, Wasser und Medizin. "Es ist herzzerreißend."

Eindringlich wandte sich Biden an die israelische Führung, ihren Beitrag zu leisten zur humanitären Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung: "Israel muss mehr Hilfslieferungen nach Gaza zulassen und sicherstellen, dass die humanitären Helfer nicht ins Kreuzfeuer geraten", mahnte der Demokrat. "Humanitäre Hilfe darf nicht zweitrangig sein oder als Verhandlungsmasse dienen. Der Schutz und die Rettung unschuldiger Menschen muss Vorrang haben." Weiter wiederholte Biden seine Forderung nach einer sofortigen sechswöchigen Waffenruhe.

Der US-Präsident betonte aber auch, dass Israel das Recht habe, die Terrormiliz Hamas als Reaktion auf deren brutalen Überfall am 7. Oktober anzugreifen. Die von den USA und der EU als Terrororganisation eingestufte Palästinenserorganisation könne "diesen Konflikt noch heute beenden", indem sie die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freilasse, so Biden.

"Ich werde keine Familien trennen"

Innenpolitisch machte der US-Präsident klar, dass er sich beim wichtigen Thema Migration nicht an der Politik seines Vorgängers orientieren werde. "Ich werde keine Familien trennen", sagte er. Er werde die Einreise von Menschen aufgrund ihres Glaubens nicht verbieten.

Trump hatte nur eine Woche nach seinem Amtsantritt Einreiseverbote für Menschen aus mehreren überwiegend muslimisch geprägten Ländern verhängt und damit weltweit Entsetzen ausgelöst. Der Republikaner hatte außerdem illegal in die USA gelangte Familien für die gesamte Dauer ihres Asyl- oder Einwanderungsverfahrens in Gewahrsam nehmen lassen. Mit Blick auf eine aktuelle Äußerung Trumps sagte Biden weiter: "Ich werde Einwanderer nicht verteufeln und sagen, sie seien Gift im Blut unseres Landes."

Aufruf zur Verteidigung der Demokratie

Biden rief auch dazu auf, die Demokratie in den USA mit aller Kraft zu verteidigen. "Die Bedrohung der Demokratie muss abgewehrt werden", sagte er. "Mein Vorgänger und einige von Ihnen hier versuchen, die Wahrheit über den 6. Januar zu begraben", sagte er mit Blick auf Trump und den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021, als Trump-Anhänger den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington stürmten.

Die Aufständischen, die damals nach Washington gekommen seien, um die friedliche Machtübergabe zu stoppen und den Willen des Volkes umzukehren, seien keine Patrioten gewesen. Die Verschwörung, das Wahlergebnis nachträglich zu kippen, habe "die größte Bedrohung für die Demokratie seit dem amerikanischen Bürgerkrieg" dargestellt, sagte Biden. Doch Amerika sei stark gewesen, und die Demokratie habe sich durchgesetzt.

Auch an anderer Stelle nahm er offensichtlich Bezug auf Trump. "Mein Leben hat mich gelehrt, Freiheit und Demokratie zu umarmen", sagte Biden. Er setze sich für eine Zukunft ein, "die auf den Grundwerten basiert, die Amerika definiert haben: Ehrlichkeit, Anstand, Würde, Gleichheit. Jeden zu respektieren. Jedem eine faire Chance geben. Dem Hass keinen sicheren Hafen geben. Einige Menschen in meinem Alter sehen eine andere Geschichte: eine amerikanische Geschichte von Ressentiments, Rache und Vergeltung. Das bin ich nicht."

Als Bidens größte Bürde im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf gilt sein Alter, auch darauf kam er zu sprechen. "In meiner Laufbahn hat man mir immer wieder gesagt, ich sei zu jung und zu alt. Ob jung oder alt, ich habe immer gewusst, was Bestand hat", sagte er. Es sei die Idee Amerikas, dass alle gleich geschaffen seien und es verdienten, das ganze Leben lang gleich behandelt zu werden. "Wir sind dieser Idee nie ganz gerecht geworden, aber wir haben uns auch nie von ihr entfernt. Und ich werde mich auch jetzt nicht von ihr entfernen."

Optimismus bei Wirtschaftspolitik

Biden zeigte sich optimistisch, dass die Menschen in den USA die Ergebnisse seiner Wirtschaftspolitik bald spüren würden. "Das braucht Zeit, aber das amerikanische Volk beginnt, es zu fühlen", sagte er. "Die Löhne steigen weiter, und die Inflation geht weiter zurück." Statt ausländische Produkte zu importieren und amerikanische Arbeitsplätze zu exportieren, exportierten die USA jetzt amerikanische Produkte und schafften amerikanische Arbeitsplätze im Land.

Sein Ziel sei es, dass es der Mittelschicht gut gehe. Denn wenn es der Mittelschicht gut gehe, ginge es den Reichen immer noch sehr gut. Es sei wichtig, dass Gewerkschaften stärker würden. 

Bildungsminister an geheimem Ort

Während fast das ganze Kabinett im Kongress anwesend war, musste Bildungsminister Miguel Cardona der Rede des US-Präsidenten fernbleiben. Der 48-Jährige saß nicht im Publikum, um für den Fall eines Unglücks oder Anschlags sicherzustellen, dass die Regierung handlungsfähig bleibt. Der Tradition gemäß wird das auserkorene Kabinettsmitglied an einem geheimen Ort untergebracht und soll im Fall einer Katastrophe die Regierungsgeschäfte übernehmen. Das Prinzip heißt "Designated Survivor" ("designierter Überlebender").

Claudia Sarre, ARD Washington, tagesschau, 08.03.2024 07:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 08. März 2024 MDR Aktuell um 07:05 Uhr und die tagesschau um 09:00 Uhr.