EU-Ratschef Tusk zu Flüchtlingspolitik "Diese Flüchtlingswelle ist zu groß"

Stand: 04.12.2015 03:14 Uhr

EU-Ratspräsident Tusk hat eine Kehrtwende in der europäischen Flüchtlingspolitik gefordert. Niemand sei bereit, "diese hohen Zahlen aufzunehmen, Deutschland eingeschlossen". Tusk machte auch konkrete Vorschläge, wie sich der Flüchtlingsandrang bremsen ließe.

EU-Ratschef Donald Tusk will den Zustrom von Flüchtlingen durch eine drastische Ausdehnung der Prüfzeit bremsen. Im Völkerrecht und auch im EU-Recht gebe es eine Regel, wonach "18 Monate für die Überprüfung gebraucht werden", sagte Tusk im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und fünf anderen europäischen Zeitungen. Derzeit sei es "zu einfach" für die Flüchtlinge, in die EU zu gelangen. "Bitte spielen Sie die Rolle der Sicherheit nicht herunter", sagte Tusk weiter. "Wenn man Einwanderer und Flüchtlinge überprüfen will, braucht man mehr als nur eine Minute für Fingerabdrücke."

Kehrtwende in Flüchtlingspolitik?

Dies würde eine Kehrtwende der Flüchtlingspolitik bedeuten. Als Grund sagte Tusk, niemand in Europa sei bereit, "diese hohen Zahlen aufzunehmen, Deutschland eingeschlossen". Mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte er weiter: Manche führenden Politiker sagten, "die Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie zu stoppen. Das ist gefährlich." Gesagt werden müsse vielmehr: "Diese Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie nicht zu stoppen."

Nach Einschätzung von ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause beeinhalten einige Aussagen von Tusk eine deutliche Kritik an der Politik von Bundeskanzlerin Merkel. Einige seiner Vorschläge zum Umgang mit Flüchtlingen seien "starker Tobak". Damit schlage sich Tusk auf die Seite einiger osteuropäischer Länder und treibe gleichzeitig die Spaltung Europas voran.

Der Ratschef vertritt in der Flüchtlingsfrage eine andere Position als Merkel, die seit Monaten für eine Umverteilung der Neuankömmlinge unter allen EU-Staaten kämpft. Gegen den Widerstand Polens und anderer osteuropäischer Länder hatten die EU-Innenminister im September zunächst eine Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen. Die Entscheidung per qualifizierter Mehrheit grenze an "politische Nötigung", sagte Tusk, der die Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs einberuft und leitet. Er könne verstehen, dass es mehrere Länder gebe, die sich gegen einen permanenten und verbindlichen Umverteilungsmechanismus stemmten.