Lobbyisten unterhalten sich
Interview

Neue Internetplattform LobbyCloud Lobbyismus sichtbar gemacht

Stand: 06.05.2014 13:12 Uhr

Lobbyisten liefern Texte, die EU-Abgeordnete wörtlich in Gesetzesanträge schreiben: Diese Fälle macht LobbyPlag seit 2013 öffentlich. Mit ihrem neuen Projekt LobbyCloud gehen die Verantwortlichen noch einen Schritt weiter. Künftig wollen sie dort nicht nur vorformulierte Gesetzestexte, sondern auch "Drohungen, Warnungen und Gejammer" von Lobbyisten veröffentlichen, so Initiator Marco Maas im ARD-Interview.

ARD-Studio Brüssel: Was genau werden Nutzer bei LobbyCloud finden?

Marco Maas: Das, was die Abgeordneten in Brüssel in ihren Postfächern finden: Einladungen zu Diskussionsveranstaltungen, Positionspapiere, vorformulierte Gesetzestexte, Drohungen, Warnungen, Gejammer - alles, womit Lobbyisten unsere Abgeordneten eindecken, um sie auf ihre Seite zu ziehen. Sortiert, eingeordnet und kommentiert von Menschen, die Ahnung haben.

ARD-Studio Brüssel: Was ist das Ziel?

Maas: Das Ziel ist Sichtbarkeit. Wie die Lobbyisten argumentieren, soll für jedermann sichtbar sein, aber auch die Gegenargumente von Abgeordneten und Nichtregierungsorganisationen. Wir möchten ein Nachschlagewerk für Lobby-Arbeit sein und so den Gesetzgebungsprozess ein Stück transparenter machen. Wir rechnen auch damit, dass uns Papiere zugespielt werden, die in Brüssel oder Straßburg zirkulieren. Bei uns kann dann beispielsweise hoffentlich bald jeder das offiziell noch geheime Freihandelsabkommen nachlesen.

ARD-Studio Brüssel: EU-Lobbypapiere sind ja nicht unbedingt leichte Kost. Wer soll das lesen?

Maas: Die Menschen, die sich beruflich mit Lobbypapieren auseinandersetzen müssen: Abgeordnete und ihre Mitarbeiter, Fachleute aus der Bürokratie. Unsere Plattform wird schnell, gut sortiert und einfach zu durchsuchen sein. Die Empfänger können Lobbypapiere bei uns direkt kommentieren, sich mit Kollegen austauschen, sie können die Lobbytexte online diskutieren.

Wir rechnen zudem damit, dass Journalisten den Ball aufnehmen und Kommentare hinterlassen werden, etwa wenn ein Unternehmen oder eine Organisation fadenscheinige Argumente in ihre Lobbypapiere schreibt, oder wenn offizielle Statements von Sprechern zu haarigen Themen nicht zu bekommen sind. LobbyCloud ist eine Rechercheplattform, aus der sich dann auch leichter verdauliche Kost generieren lassen wird.

ARD-Studio Brüssel: Auf der Website steht: "Unterstützt von den Grünen". Ist das eine Gefahr für die Unabhängigkeit?

Maas: Nachdem das Projekt LobbyPlag erfolgreich lief, haben wir zusammen mit den Grünen die Idee für LobbyCloud entwickelt: Wir wollten eine Lobby-Bibliothek, ein Nachschlagewerk für Politiker. Die Fraktion hat den ersten Prototypen finanziert. Vertraglich haben wir aber klar definiert, dass Plattform und Code unter freien Lizenzen stehen und von uns betrieben werden. Die Grünen haben also die Anschub-Finanzierung geleistet, aber gleich klargemacht, dass sie keinerlei Einfluss haben wollen. Außerdem haben sich die Grünen verpflichtet, uns künftig alle Lobby-Dokumente zugänglich zu machen. Wir arbeiten gerade noch daran, auch möglichst viele alte Unterlagen zu bekommen, das ist in Wahlkampfzeiten gar nicht so leicht.

Die Projekte LobbyPlag und LobbyCloud

Sie genießen einen denkbar schlechten Ruf. Dabei ist das, was Lobbyisten machen, nicht per se verboten. Sie vertreten Interessen - von Firmen oder ganzen Branchen - und versuchen Gesetze in ihrem Sinne zu beeinflussen. Auch Umweltverbände beschäftigen Lobbyisten. Allein in Brüssel sind nach Schätzungen viele Tausend Interessensvertreter unterwegs.
Problematisch wird es, wenn die Lobby-Arbeit im Verborgenen stattfindet. Für mehr Transparenz sorgen, das war das Ziel des Internet-Projektes LobbyPlag, das im Jahr 2013 die Arbeit aufnahm. Bei einem wichtigen EU-Gesetz, der Datenschutz-Reform, machte es den Vergleich: Welche Vorschläge haben Lobbyisten in ihre Papiere geschrieben und was haben Abgeordnete damit gemacht? Es zeigte sich: So mancher Lobbyisten-Text landete wortgleich in Anträgen der Politiker. Jetzt gehen die Macher einen Schritt weiter. Auf dem Internet-Kongress re:publica in Berlin stellen sie LobbyCloud vor. Marco Maas von OpenDataCity, einer Agentur für Datenjournalismus, ist einer der Köpfe hinter dem Projekt.

ARD-Studio Brüssel: Wäre es nicht dennoch besser gewesen, das Projekt nach der Wahl zu starten? Manche könnten es als Wahlkampf-Manöver der Grünen sehen.

Maas: Ich glaube nicht - es ist maximal ein Transparenz-Manöver. Es sollen ja auch nicht nur die Grünen mitmachen. Bereits jetzt habe ich die Zusagen von Mitgliedern aus zwei weiteren Fraktionen. Im Wahlkampf sind die Politiker und ihre Aussagen präsent. Wenn sie jetzt das Versprechen zu transparenter Lobbyarbeit geben, können wir sie in der kommenden Legislaturperiode darauf festnageln. Und vielleicht ist ja der eine oder andere scheidende Politiker auch bereit, für uns seine Schatzkammer an Dokumenten zu öffnen. 
 

Das Interview führte ARD-Korrespondent Christian Feld (Twitter: @ChrFeld)

Das Interview führte Christian Feld, ARD Berlin