Interview

Israels Botschafter Issacharoff "Unsere Antwort wird hart sein"

Stand: 10.02.2018 15:23 Uhr

Israels Botschafter Issacharoff wirft dem Iran eine Destabilisierung des Nahen Ostens vor. Israel werde seine Sicherheitsinteressen mit harten Antworten schützen, sagt er im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Was ist aus Ihrer Sicht der Hauptgrund für die momentane Instabilität im Nahen Osten?

Jeremy Issacharoff: Ich denke, eine der wesentlichen Herausforderungen für Sicherheit und Stabilität ist die Fähigkeit der Länder zu regieren und die Kontrolle über ihr eigenes Staatsgebiet aufrecht zu erhalten. Das konnte man in den vergangenen Jahren im Irak, in Syrien und in Libyen beobachten. Und dann gibt es noch Probleme, wie etwa im Libanon, wo es zwar eine souveräne Zentralregierung gibt, aber auch eine sehr massive Präsenz der Hisbollah, die sich auch in Syrien, im Irak oder im Jemen zeigt.

Oder schauen Sie auf den Gazastreifen, wo im Grunde eine Terrororganisation herrscht. Ein Hauptproblem für Sicherheit und Stabilität ist also die Tatsache, dass Regierungen die Kontrolle über größere Landesteile verloren haben und vielfach wesentliche nichtstaatliche Akteure die Kontrolle übernehmen, etwa die Hisbollah, der IS und auch ein sehr aggressiver Iran.

Zur Person

Jeremy Issacharoff ist seit Ende August israelischer Botschafter in Berlin. Zuvor arbeitete er unter anderem als Diplomat bei den Vereinten Nationen in New York und in verschiedenen Funktionen im Außenministerium in Jerusalem.

tagesschau.de: Warum sind die Aktivitäten des Iran in der Region für Israel so ein problematisches Element?

Issacharoff: Die Iraner haben sich in Regionen eingemischt, die instabil sind. Ich denke nicht, dass das iranische Engagement in Syrien je darauf abzielte, die Stabilität zu verbessern. Das gleiche gilt für die Einmischung durch Entsendung von schiitischen Milizen und deren Aktivitäten im Irak oder durch die Unterstützung der Houthis im Jemen.

Dies alles sind Faktoren, die zur Destabilisierung und nicht zu politischen Lösungen beigetragen haben. Wir beobachten außerdem, dass der Iran Anlagen zur Produktion von Raketen in diese Länder liefert, und das beunruhigt uns sehr.

"Kriegsschauplatz ist unwahrscheinlich kompliziert"

tagesschau.de: Zu den Akteuren gehören neben dem Iran auch Russland, die Türkei, die Kurden und die USA. Was kann man in einem so komplexen Umfeld tun, um Frieden zu erreichen?

Issacharoff: Wir sprechen hier von vielen verschiedenen Konflikten auf sehr kleinem Gebiet. Der syrische Kriegsschauplatz ist heute unwahrscheinlich kompliziert. Ich habe jedenfalls keine Zauberformel, die die Situation zum Besseren verwandeln kann.

Aber von einem Punkt sind wir fest überzeugt: Wenn es eine Chance gibt, irgendeine Form von Stabilität in Syrien wiederherzustellen, dann müssen dafür die iranischen Truppen, die schiitischen Milizen und die Hisbollah-Kräfte abgezogen werden. Sollte man ihnen erlauben, ihre Präsenz in der Nähe Israels oder in Gegenden, die für Israels Sicherheitsinteressen wichtig sind, auch noch zu erhöhen, dann überschreitet das unsere roten Linien und unsere Antwort darauf wird sehr hart sein.

Anmerkung der Redaktion: zu den jüngsten Luftangriffen auf Ziele in Syrien wollte sich der Botschafter nicht äußern

Das Standbild aus einem mit einer Drohne aufgenommenen Video zeigt beschädigte Gebäude in Rakka.

Zerstörtes Rakka: Iran muss seine Truppen aus Syrien abziehen, fordert der israelische Botschafter Issacharoff.

tagesschau.de: Was ist Israels Rolle bei der Lösung der Krise?

Issacharoff: Ich denke, es ist wichtig daran zu erinnern, dass sich die Rolle Israels als verlässlicher Partner in der Region in den vergangenen Jahren dramatisch verändert hat. Über die vergangenen Jahre haben Israel und Ägypten ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Bedrohungen für die nationale Sicherheit verbessert - etwa mit Blick auf den Sinai und die Gefahren, die von dort durch den IS drohen.

Aber unsere Sicherheitskooperation reicht noch weiter. Etwa in der Frage, wie beide Länder die Lage im Gazastreifen wahrnehmen. Unsere Beziehungen zu Jordanien haben sich ebenfalls weiterentwickelt - vor allem hinsichtlich der Situation in Syrien und der Herausforderungen für unsere jeweiligen Sicherheitsinteressen. Israel engagiert sich grenzüberschreitend für die Zivilisten in Syrien.

Wir haben substanzielle medizinische Hilfe für mehrere Tausend Syrer geleistet und stellen humanitäre Hilfe bereit, etwa Stromgeneratoren, Medikamente, Nahrungsmittel, Ausstattung für Kinder und medizinische Behandlung für sie.

Wenn man sich also die Gesamtsituation heute vor Augen führt und Regierungsvertreter von Israel, den Golfstaaten oder anderen moderaten arabischen Ländern fragt, wie sie den Iran sehen, dann gibt es deutlich mehr Übereinstimmung als Unstimmigkeit. Meiner Meinung nach wird Israel nicht mehr als Bedrohung für die arabische Welt gesehen, sondern als Partner beim Kampf gegen eine ganze Reihe von Bedrohungen, auf die wir alle reagieren müssen.

"Israels Rolle hat sich verändert"

tagesschau.de: Wie steht es mit dem Engagement der EU und einer neuen deutschen Regierung? Was sind da ihre Erwartungen?

Issacharoff: Wie ich schon sagte: Es ist einfach wichtig zu verstehen, dass sich Israels Rolle in der Region verändert und es nicht mehr nur um die Palästinenser-Frage oder die Siedlungspolitik geht. Ich verharmlose die Bedeutung einer politischen Übereinkunft zwischen uns und den Palästinensern nicht, aber ich denke es ist wesentlich zu verstehen, dass unsere Rolle deutlich wichtiger für die regionale Sicherheit geworden ist.

Wenn man zuweilen zu großen Wert auch Fragen legt, die für die Länder in der Region nicht dringlich sind, dann legt man vielleicht weniger Wert auf Faktoren, die gestärkt und unterstützt werden sollten - wie etwa die arabisch-israelische Aussöhnung. Es wird eine Zeit kommen, in der wir hoffentlich auch das Palästinenser-Problem angehen und das werden wir dann auch hinbekommen. Aber der Nahe Osten ist bei weitem zu kompliziert, um ihn auf eine Frage zu reduzieren und diese Frage die Tagesordnung dominieren zu lassen.

"Dialog auf beiden Seiten"

tagesschau.de: Dennoch ist Europa anscheinend sehr beunruhigt über Israels Palästina-Politik. Kritiker argumentieren, dass die Regierung ihres Landes den Konflikt eher noch anheizt - sie haben die Siedlungspolitik selbst erwähnt. Wie sehen sie das?

Issacharoff: Fortschritte bei der Lage der Palästinenser kann man nur durch politischen Dialog zwischen beiden Seiten erreichen - ohne Vorbedingungen. Die Position der EU war ja stets, dass das ein Frage ist, die die beiden Parteien selbst entscheiden müssen. Wenn das so ist, dann würde ich es vorziehen, wenn es keine Vorfestlegungen gäbe.

Die israelische Siedlung "Furat" südlich von Bethlehem im Westjordanland.

Streitthema Siedlungen: Botschafter Issacharoff sieht darin kein Hindernis für den Frieden.

In der deutschen Koalitionsvereinbarung ist beispielsweise davon die Rede, dass die Siedlungen dem Völkerrecht widersprechen. Aus meiner Sicht sind die Siedlungen kein Hindernis für den Frieden. Ein Hindernis für den Frieden ist der Mangel an Gesprächsbereitschaft - vor allem der Palästinenser. Ich war in Israel lange Chef der Strategieabteilung des Außenministeriums und die Europäer kamen immer zu mir und sagten: Wir müssen ihnen die Botschaft übermitteln, wie wichtig die Lösung der Palästinenser-Frage ist.

Ich habe dann gesagt, dass ich diese Botschaft schon lange erhalten habe. Aber meine Frage ist: Was ist die Botschaft, die man der palästinensischen Seite sendet, um an den Verhandlungstisch zu kommen? Alle konzentrieren sich immer auf Israel und die Siedlungspolitik - niemand macht Druck auf die Palästinenser, an den Verhandlungstisch zu kommen.

Es gab auch Siedlungen im Sinai - die waren kein Hindernis für einen Friedensvertrag mit Ägypten. Meiner Meinung nach ist das mit den Siedlungen eine Ausrede. Wenn man Frieden will, dann muss man zu dem Volk gehen, mit dem man diesen Frieden schließen will. Man schafft keinen Frieden mit Israel bei den Vereinten Nationen in New York oder indem man bei der UNESCO Israels Verbindung zu Jerusalem in Frage stellt oder beim Menschrenrechtsrat im Genf. Die Antwort für die Palästinenser liegt viel näher an Ramallah.

"Das Zusammenleben klappt"

tagesschau.de: Dabei wäre sicher auch Jerusalem eine Frage. Der US-Präsident hat kürzlich entschieden, die Botschaft seines Landes dorthin zu verlagern und die Stadt auch als israelische Hauptstadt offiziell anzuerkennen. Das hat ihm viel internationale Kritik eingebracht. Können Sie Ihre Gedanken zu Trumps Entscheidung und den Konsequenzen umreißen?

Issacharoff: Da kommt mir zuerst in den Sinn, dass er in der Erklärung nur anerkannt hat, was ohnehin Realität ist, nämlich, dass Jerusalem der Sitz der israelischen Regierung seit 1948 ist. Zweitens: Der Präsident hat auch gesagt, dass dies keine Vorfestlegung darstellt für mögliche Verhandlungen beider Seiten über alle Fragen des Palästinenser-Konfliktes, vermutlich einschließlich Jerusalem.

Nun, der Premierminister von Israel hat klar gemacht, dass in jedwedem Abkommen mit den Palästinensern Jerusalem Israels Hauptstadt bleiben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Israeli etwas anderes akzeptieren würde. Aber am Ende kommt es auf die Menschen an, die ihr Leben dort leben und das weiter tun wollen. In Jerusalem kann man jedenfalls jeden Tag erleben, wie reibungslos Zusammenleben klappt.

Eine israelische Kampfdrohne des Typs Heron TP steht auf dem Militärflughafen Tel Nof bei Gedera, Israel.

Militärische Zusammenarbeit: Israelische Kampfdrohne Heron TP

tagesschau.de: Ich würde gerne noch ein anderes Thema ansprechen: Die deutsch-israelischen Beziehungen. Sollte die militärische Kooperation zwischen der israelischen Armee und der Bundeswehr weiterentwickelt werden? Ich ziele da auf Waffenexporte und die geplante Beschaffung von israelischen Kampfdrohnen durch Deutschland.

Issacharoff: Erst vor ein paar Tagen hatte ich das Vergnügen, mit Generalinspekteur Wieker zu sprechen. Ich denke, es gibt einen enormes Potenzial für Zusammenarbeit. Beispielsweise gehörte zu meinen ersten Amtshandlungen die Unterzeichnung eines Abkommens über die Lieferung von drei weiteren deutschen U-Booten. Wir dagegen können Drohnen bieten. Für mich ist es spannend, dass es hier zwei Länder gibt, die zusammenarbeiten, um sich mit Fähigkeiten zu ergänzen, die jeder einzelne entwickelt hat.

In der Koalitionsvereinbarung ist die Heron TP-Drohne erwähnt und damit verbinde ich eine große Bedeutung, nicht nur bezüglich der Verbesserung unserer Kooperation, sondern auch bei der Entwicklung einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir haben bereits gemeinsame Luftwaffen-Manöver, und die Arbeit mit den U-Booten beinhaltet einen intensiven Austausch zwischen der deutschen und der israelischen Marine. Außerdem gibt es eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste, die zur Sicherheit der Menschen in unser beider Länder beigetragen hat.

Das Interview führte Christian Thiels für tagesschau.de.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 10. Februar 2018 um 23:15 Uhr.