Russische Panzer und Fahrzeuge bei der Evakuierung in Mariupol

Belagertes Asow-Stahlwerk Ukraine will weitere Kämpfer herausholen

Stand: 18.05.2022 07:33 Uhr

Der ukrainische Präsident Selenskyj will dafür sorgen, dass auch die verbliebenen Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk herausgeholt werden. Im Osten des Landes gehen die Kämpfe weiter, auch andere Regionen melden russische Luftangriffe.

Nach der Evakuierung von gut 260 ukrainischen Soldaten aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol bleibt die Lage der verbliebenen Verteidiger der Stadt in der Industrieanlage unklar.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in der Nacht in seiner Videoansprache, die ukrainische Regierung arbeite daran, auch die verbliebenen Kämpfer herauszuholen. Beaufsichtigt werde die Mission vom ukrainischen Militär und von Geheimdienstagenten, beteiligt seien zudem "die einflussreichsten internationalen Vermittler".

Im Osten der Ukraine gehen die Kämpfe unterdessen weiter, auch in anderen Regionen gibt es russische Luftangriffe. Russland zeigt sich entschlossen, das besetzte Gebiet Cherson in der Südukraine an sich zu binden. Die Region um die Hafenstadt werde einen "würdigen Platz in unserer russischen Familie" einnehmen, sagte Russlands Vize-Regierungschef Marat Chusnullin bei einem Besuch in Cherson am Dienstag.

Die ukrainische Regierung zeigt sich dagegen überzeugt, dass "eine Russifizierung" des Gebiets Cherson scheitern werde.

In dem zwischen russischen und ukrainischen Truppen umkämpften Gebiet Donezk sind am Dienstag nach Behördenangaben sieben Zivilisten getötet worden. Sechs weitere seien verletzt worden, teilte der ukrainische Militärgouverneur Pawlo Kyrylenko beim Nachrichtendienst Telegram mit. Er warf russischen Truppen vor, die Menschen getötet zu haben.

Angeblich ranghohe russische Offiziere getötet

In Melitopol sollen ukrainische Guerillakämpfer mehrere ranghohe russische Offiziere getötet haben - die russischen Besatzer versuchten, das geheim zu halten, teilte die Regionalverwaltung der südukrainischen Stadt auf Telegram mit. Die russischen Truppen hätten offenbar die Kontrollen von Privatautos verschärft, um die Kämpfer aufzuspüren.

Details über das angebliche Vorgehen der Guerillakämpfer wurden zunächst nicht genannt, die Mitteilung konnte auch nicht unabhängig bestätigt werden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Dem ukrainischen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow zufolge graben sich die russischen Streitkräfte im Süden und Osten seines Landes ein. "Russland bereitet sich auf eine längerfristige Militäroperation vor", sagte er vor den EU-Verteidigungsministern und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Demnach verstärken die russischen Truppen derzeit ihre Positionen in den von ihnen besetzten Gebieten in den Regionen Saporischschja und Cherson, um "bei Bedarf in den Defensivmodus zu wechseln".

Selenskyj: "Russische Angriffe verpuffen"

Selenskyj zählte zuletzt Raketenangriffe und Bombardements in den Gebieten Lwiw, Sumy, Chernihiv und Luhansk auf. Das russische Militär wolle damit die Misserfolge im Osten und Süden kompensieren. In Gebieten, die die russischen Kräfte angreifen wollten, könnten sie keine Erfolge vorweisen, sagte er in seiner Videoansprache.

Also versuchten sie es mit "ihren Raketen und anderen Aktivitäten, aber auch ohne Wirkung". Zugleich würden die ukrainische Luftabwehr und Anti-Sabotage-Maßnahmen immer stärker.

Telefonat mit Scholz und Macron

Selenskyj telefonierte zudem ein weiteres Mal mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Das Telefonat sei "recht produktiv" gewesen, so Selenskyj. Man habe unter anderem über militärische Unterstützung für die Ukraine gesprochen. Er habe Scholz über die aktuelle militärische Lage und ihre mögliche künftige Entwicklung informiert.

Selenskyj sprach auch ein weiteres Mal mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Es sei unter anderem um die nächste Runde der europäischen Sanktionen gegen Russland sowie die Pläne der Ukraine für einen raschen Beitritt zur Europäischen Union gegangen, so Selenskyj.

Dem Élyséepalast zufolge stellte Macron in Aussicht, dass die Waffenlieferungen aus Frankreich weitergehen und intensiver würden. Er habe auch bestätigt, dass über den ukrainischen EU-Beitritt im Juni beraten werden solle.

Die USA haben unterdessen eine Konfliktbeobachtungsstelle gestartet. Das neue Conflict Observatory solle sicherstellen, "dass von Russlands Truppen begangene Verbrechen dokumentiert und die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen werden", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums.

Das Programm werde unter anderem Informationen und Beweise für "Gräueltaten, Menschenrechtsverletzungen und die Beschädigung der zivilen Infrastruktur" erfassen, analysieren und veröffentlichen. Berichte würden künftig auf der Webseite ConflictObservatory.org gepostet.

Marius Reichert, WDR, 18.05.2022 06:27 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. Mai 2022 u.a. um 09:00 Uhr.