Männer sitzen in einem Teehaus in Diyarbakir (Türkei).

Auflösung angekündigt Neue Hoffnung auf Frieden mit der PKK

Stand: 12.05.2025 14:45 Uhr

Seit Monaten gibt es Anzeichen für eine Aussöhnung zwischen der verbotenen kurdischen PKK und der türkischen Regierung. Jetzt hat die PKK offenbar ihre Auflösung beschlossen. Doch es bleiben Fragen.

Es war die kurdische Nachrichtenagentur ANF, die eine Erklärung des 12. Parteikongresses der PKK veröffentlichte, der vom 5. bis 7. Mai unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Nordirak stattfand. Offenbar nahm auch der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan per Videoschalte teil.

Die 232 Delegierten des Parteikongresses beschlossen demnach die "Auflösung der organisatorischen Strukturen der PKK und die Beendigung des bewaffneten Kampfes". In der Erklärung, die ANF heute verbreitet, wird an alle Anhänger appelliert, sich künftig "am Prozess des Friedens und an einer demokratischen Gesellschaft" zu beteiligen.

Mit der Auflösung der PKK könnte ein seit 1984 andauernder bewaffneter Aufstand, der zehntausende Opfer auf beiden Seiten forderte, ein Ende finden. Dies hätte weitreichende Folgen für die gesamte Region. Die in der Türkei regierende AKP sprach heute von einem "wichtigen Schritt".

Mehr als 40 Jahre Kampf

Die PKK strebte ein eigenständiges Kurdengebiet an. Gegründet wurde die Organisation 1978 von Abdullah Öcalan in der Provinz Diyarbakır im Südosten der Türkei. Ziel war, ein Ende der Repressionen gegen die kurdische Minderheit und mehr politische und kulturelle Freiheiten zu erreichen. 

Seit 1984 kämpft die PKK gegen den türkischen Staat, vor allem im kurdisch dominierten Südosten des Landes. In der Folgezeit kommt es zu brutalen Anschlägen, zu Gewalt von beiden Seiten. Auch die kurdische Diaspora beteiligt sich an der Auseinandersetzung, der Kampf wird auch in Europa und Deutschland geführt.  

Die Karte zeigt das Kurdengebiet in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran

Haft auf der Insel İmralı

1993 wird die PKK in Deutschland, 2002 in der EU verboten. Der PKK-Führer Öcalan taucht unter, in der Türkei wird er als "Staatsfeind Nummer 1" und auch als "Kindermörder" bezeichnet. Öcalan muss fliehen, wird schließlich im Februar 1999 in Kenia verhaftet. Geheimagenten verschleppen ihn in einer spektakulären Aktion auf dem Weg von der griechischen Botschaft in Nairobi zum Flughafen.

Öcalan wird in der Türkei der Prozess gemacht, an dessen Ende er zum Tode verurteilt wird. Das Urteil wird später in lebenslange Haft umgewandelt. Seitdem ist er in Isolationshaft auf der türkischen Insel İmralı im Marmarameer.

Im Jahr 2009 werden infolge von Berichten und internationalem Druck des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) fünf weitere Häftlinge in das Gefängnis auf İmralı verlegt, in dem Öcalan bis dahin allein untergebracht war.

Öcalan 1992 in einem PKK-Trainingslager in Helweh (Libanon) mit Anhängern.

Ein Archivbild zeigt den damaligen PKK-Führer Öcalan, als er ein Trainingscamp der PKK im Libanon besucht.

Der Kampf verlagert sich in den Nordirak

Die PKK verlagert ihren Kampf zunehmend in die Gebirgsregionen im Norden des Irak. Auch in Syrien gewinnt sie durch verbündete kurdische Gruppen an Einfluss.

Das türkische Militär führt dort regelmäßig Luftangriffe und Bodenoperationen gegen kurdische Milizen wie die YPG durch - eine Gruppe, die im syrischen Bürgerkrieg mit US-Unterstützung an vorderster Front gegen den sogenannten "Islamischen Staat" kämpfte.

2013 wird eine temporäre Waffenruhe ausgerufen, Friedensgespräche scheitern aber 2015.

YPG-Kämpfer stehen Wache in einem Camp in Syrien.

Die kurdische YPG in Syrien hat bereits erklärt, die PKK-Auflösung betreffe nicht sie - bedeutet das, dass die Kämpfe im Norden des Landes weitergehen werden?

Überraschende Wende

Ende Oktober vergangenen Jahres lässt Devlet Bahçeli, ultranationalistischer Regierungspartner von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, aufhorchen. Bis dahin ein ausgesprochener Gegner einer Aussöhnung mit der PKK, schlägt er die Freilassung Öcalans vor, sollte die PKK ihre Waffen niederlegen und sich auflösen. Offenbar unterstützt der Präsident diesen Vorschlag, hat ihn womöglich selbst initiiert.

Über die Beweggründe der türkischen Regierung kann nur spekuliert werden. Präsident Erdoğan steht innenpolitisch wegen der schlechten Wirtschaftslage und wegen der Verhaftung des Oppositionsführers Ekrem İmamoğlu unter Druck, ein innenpolitischer Erfolg wie die Aussöhnung mit den Kurden könnte ein Befreiungsschlag sein.

Zudem ist die PKK ist durch die jüngsten türkischen Angriffe im Nordirak geschwächt, in der kurdischen Bevölkerung wächst zudem die Forderung nach einem Ende der jahrzehntelangen Kämpfe.

Die größte Rolle dürfte aber das Bestreben Erdoğans nach einer dritten Amtszeit spielen. Die ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Für eine Verfassungsänderung, um erneut als Präsident kandidieren zu können, braucht der seit mehr als 20 Jahren regierende Präsident aber die Stimmen der prokurdischen Partei DEM. Das könnte ein Teil des Deals sein.

Brief von Öcalan

Öcalan erhält im Gefängnis Besuch von Vertretern der DEM. Sie lesen am 27. Februar 2025 öffentlich einen Brief Öcalans vor, den er im Gefängnis an die kurdische Bevölkerung geschrieben hat. Er fordert die PKK auf, die Waffen niederzulegen und sich auflösen. Ein Paukenschlag.

Kurz darauf kündigt die PKK eine Waffenruhe an, stellt jedoch Bedingungen für ihre Auflösung, darunter konkrete Rahmenbedingungen für einen Versöhnungsprozess.

Fragen bleiben

Doch viele Details einer Übereinkunft zwischen der türkischen Regierung und der PKK sind offenbar noch nicht geklärt, es bleiben offene Fragen. Wann beginnt die Entwaffnung der PKK-Kämpfer? Gibt es für sie Immunität? Zieht sich die PKK aus dem Nordirak zurück? Zentral dürfte auch sein, ob Öcalan freigelassen wird.

Ein weiterer Punkt, für die Türkei von zentraler Bedeutung, ist der Umgang mit dem PKK-Ableger YPG in Nordsyrien. Ist diese stark bewaffnete Organisation Teil des Deals?

Gegenüber der ARD analysiert der türkische Politiker und Ökonom Ufuk Uras, dass es unmöglich sei zu sagen, was nun langfristig passieren werde. Sicher sei, dass es ein historisches Ereignis sei und dass Erdogan gestärkt werde. 

Was auch als sicher gelten darf: Eine Neuordnung der türkisch-kurdischen Beziehungen hätte weitgehende Auswirkungen auf die Region. Viele Menschen hoffen, dass ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg zu Ende geht. Der Chefberater des türkischen Präsidenten, Mehmet Uçum, schreibt heute auf der Internetplattform X: "Der Staat der Republik Türkei ist auch der Nationalstaat der Kurden."

Verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK gibt Auflösung bekannt

Markus Rosch, ARD Istanbul, tagesschau, 12.05.2025 16:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Mai 2025 um 15:00 Uhr.