
Scharfe Kritik an den USA EU und UN verteidigen Internationalen Strafgerichtshof
Die US-Regierung sanktioniert wegen angeblich grundloser Entscheidungen Richterinnen des Internationalen Strafgerichtshofs. Scharfe Kritik kommt von den Vereinten Nationen, die EU will mögliche Reaktionen prüfen.
Spitzenvertreter der EU haben scharfe Kritik an den US-Sanktionen gegen vier Richterinnen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) geübt.
Der IStGH ziehe die Täter der weltweit schwersten Verbrechen zur Rechenschaft und gebe den Opfern eine Stimme, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in sozialen Medien. Er müsse frei handeln können, ohne unter Druck zu stehen.
Im Gegensatz zum Internationalen Gerichtshof (IGH), der Streitigkeiten zwischen Staaten schlichtet, befasst sich der IStGH mit der strafrechtlichen Verantwortung von Individuen für schwerste internationale Verbrechen. Der IStGH ist unabhängig von den Vereinten Nationen und wird von seinen Mitgliedstaaten finanziert. 125 Staaten gehören aktuell dem IStGH an, darunter alle EU-Mitgliedstaaten und seit 2025 auch die Ukraine. Länder wie die USA, China, Indien und Russland sind jedoch keine Mitglieder.
EU will mögliche Reaktionen prüfen
Ähnlich äußerte sich die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Sie schrieb, die EU werde die wichtige Arbeit IStGH weiter unterstützen und seine Unabhängigkeit schützen. Eine Sprecherin sagte, man werde die Auswirkungen der Sanktionsentscheidung beobachten und mögliche Reaktionen prüfen.
Dazu könnte etwa die Anwendung der sogenannten Blocking-Verordnung zählen. Über diese könnten europäische Unternehmen dazu gebracht werden, an der Umsetzung von US-Sanktionen nicht mitzuwirken.
UN ruft zur Rücknahme der Sanktionen auf
Der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen, Volker Türk, kritisierte die US-Sanktionen ebenfalls scharf. Es handle sich um "Angriffe auf Richter wegen der Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit" und laufe der Rechtsstaatlichkeit direkt zuwider, so Türk.
Solche Übergriffe seien "zutiefst zersetzend für eine verantwortungsvolle Regierungsführung und die ordnungsgemäße Rechtspflege". Er rief die US-Regierung auf, die Maßnahmen unverzüglich zu überdenken und zurückzuziehen.
Vertragsstaaten weisen Sanktionen zurück
Auch die Versammlung der Vertragsstaaten des Den Haager Gerichts verwahrte sich "entschieden und unmissverständlich" gegen die Maßnahmen. Sie sprach in ihrer Stellungnahme von "bedauerlichen Versuchen", den Gerichtshof bei der Ausübung seiner unabhängigen richterlichen Funktionen zu behindern. Damit werde der internationale Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, gegen Straflosigkeit und für die Erhaltung einer regelbasierten Ordnung ausgehöhlt.
Die Präsidentin der Versammlung der Vertragsstaaten, Päivi Kaukoranta, rief dazu auf, "sich geschlossen für die Verteidigung des Gerichtshofs und den Schutz der im Römischen Statut verankerten Werte einzusetzen, unbeeindruckt von jeglichem Druck von außen oder von Zwangsmaßnahmen".
US-Besitz der Richterinnen eingefroren
Die US-Regierung wirft dem Gericht mit Sitz in Den Haag ein grundloses und gezieltes Vorgehen gegen die USA und Israel vor. Zwei sanktionierten Richterinnen legt Washington konkret zur Last, eine Untersuchung gegen US-Soldaten in Afghanistan genehmigt zu haben.
Den zwei anderen Richterinnen werfen die USA vor, dass sie im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den früheren Verteidigungsminister Joav Galant ermöglicht haben.
Aufgrund der Sanktionen wird etwaiger Besitz der Richterinnen in den USA eingefroren. Zudem dürfen US-Firmen und US-Bürger keine Geschäfte mehr mit ihnen machen. Ein Einreiseverbot erließ die US-Regierung hingegen nicht.
Nicht die ersten US-Sanktionen gegen den IStGH
Die betroffenen Richterinnen sind die ugandische Richterin Solomy Balungi Bossa, die Peruanerin Luz del Carmen Ibáñez Carranza, die aus Benin stammende Reine Alapini-Gansou sowie die aus Slowenien stammende Richterin Beti Hohler.
Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident Sanktionen angeordnet, als das Gericht mutmaßliche Kriegsverbrechen von US-Soldaten in Afghanistan untersucht hatte. Diese machte sein Nachfolger Biden wieder rückgängig.