Wladimir Putin während seiner Neujahrsansprache

Angriff auf die Ukraine Putins Krieg kommt Russland teuer zu stehen

Stand: 03.01.2024 12:40 Uhr

Im neuen Haushalt stellt Russland einen Rekord auf: Jeder dritte Rubel soll in den Sicherheits- und Militärapparat fließen. Doch Umfragen deuten eine Kriegsmüdigkeit an. Das liegt auch an den wirtschaftlichen Folgen.

"Liebe Mitbürger", begann Russlands Präsident Wladimir Putin seine kurze Neujahrsansprache. "Das Jahr 2023 ist Geschichte, jetzt müssen wir vorankommen und die Zukunft gestalten." Bemerkenswert war einerseits, dass Putin den Krieg gegen die Ukraine mit keinem Wort direkt erwähnte - sondern nur ganz allgemein den Soldaten dankte. Und dass Putin andererseits nicht erneut vor Militärs auftrat, sondern bewusst vor friedlicher, ziviler Moskauer Kulisse.

Wäre da nicht auf den großen elektronischen Reklametafeln Moskaus die allgegenwärtige Werbung, sich als Vertragssoldat für die "spezielle Militäroperation" zu melden: Man könnte den Krieg in der Hauptstadt fast ausblenden. Aber er hat seinen Preis - auch jenseits der offiziell nicht veröffentlichten Zahlen von Gefallenen und Verwundeten.

"Der Staatshaushalt ist fraglos sehr kompliziert", so der stellvertretende Parlamentschef Alexander Shukow. Man werde "wegen der 'speziellen Militäroperation' sehr ernsthafte Geldmittel für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes ausgeben". Im neuen Staatshaushalt wird ein Rekord aufgestellt: Jeder dritte Rubel soll in den Sicherheits- und Militärapparat fließen. 

Importe über Umwege

Die Pakete westlicher Sanktionen haben die Wirtschaft und insbesondere für Großstädter das Konsumverhalten verändert. Autos, Kinofilme, Elektronik oder Kosmetik aus dem Westen sind knapper, müssen über Umwege - als sogenannte Parallelimporte - ohne Zustimmung der Hersteller eingeführt werden und sind teurer. Russland bemüht sich um Ersatz aus dem eigenen Land oder verstärkt vor allem aus China.

Auch die für die Staatseinnahmen so wichtigen Öl- und Gasexporte in den Westen sind zurückgegangen. Hier versucht Russland, neue Märkte zu erschließen. Fast schon trotzig wiederholt Präsident Putin - auch beim ersten medialen Auftritt in diesem Jahr in einem Militärkrankenhaus bei Moskau -, dass die russische Wirtschaft durch Sanktionen nicht zu zerstören sei.

"Als die westlichen Unternehmen unseren Markt verließen, wurde der Zusammenbruch erwartet", sagte Putin. Es sei erwartet worden, dass Unternehmen ihre Arbeit einstellen und Tausende arbeitslos würden. Dass die Menschen auf die Straßen gehen würden, um Brot und Arbeit zu fordern. "Stattdessen haben wir mit 2,9 Prozent die geringste Arbeitslosigkeit in der Geschichte Russlands", erklärte der russische Präsident. Zwar sei die Inflation hoch - aber unter Kontrolle, so Putin.

Rüstungsproduktion laut Ministerium hochgefahren

Die Rüstungsproduktion Russlands - Panzer, Raketen, Munition - wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums dramatisch hochgefahren. Die Botschaft dahinter: Uns werden die Reserven nicht ausgehen. Die massiven, brutalen Drohnen- und Raketenangriffe auf die Ukraine in den vergangenen Tagen sollen das offenbar unterstreichen. Sie zeigten auch, dass sich trotz der zurückhaltenden Neujahrsansprache kein Kurswechsel des russischen Präsidenten im Krieg gegen die Ukraine andeutet.

Es ist ungewiss, wie genau sich Russland ohne den Krieg gegen die Ukraine entwickelt hätte: wirtschaftlich und in den kulturellen, wissenschaftlichen, auch in den außenpolitischen Beziehungen sowie bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien. Sicher ist, dass es dem Land erheblich besser gehen würde. 

Für eine offene Debatte fehlen kritische Medien

Wächst also die Kriegsmüdigkeit? Umfragen deuten das an. Aber zur neuen Normalität Russlands gehört auch, bei Androhung hoher Strafen keine Kritik an der "speziellen Militäroperation" zu üben. Das macht es schwer, die wirkliche Stimmung im Lande einzuschätzen.

Für eine offene Debatte über den Preis und den Sinn des Krieges fehlen die kritischen Medien - sie sind verboten und aus dem Land getrieben worden. In wenigen Wochen, Ende Februar, beginnt das dritte Kriegsjahr. Ohne erkennbaren Fahrplan dafür, wie ein Übergang zum Frieden mit der Ukraine aussehen könnte.

Frank Aischmann, ARD Moskau, tagesschau, 03.01.2024 11:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Januar 2024 um 05:13 Uhr.