Ein ukrainischer Soldat hält Maschinengewehrmunition während einer militärischen Übung mit französischen Soldaten auf einem Truppenübungsplatz an einem ungenannten Ort in Polen.

SIPRI-Bericht für 2023 Weltweite Militärausgaben so hoch wie nie

Stand: 22.04.2024 00:01 Uhr

Ob der Krieg in der Ukraine oder in Nahost: Laut dem Bericht des Forschungsinstituts SIPRI haben Staaten weltweit 2023 so viel für ihr Militär ausgegeben wie nie zuvor - und ein Ende scheint nicht in Sicht.

Von Julia Wäschenbach, ARD Stockholm

Am meisten Geld geben die USA, China und Russland für ihr Militär aus. Doch auch mit Blick auf die ganze Welt vermeldeten die Stockholmer Friedensforschenden einen neuen, düsteren Rekord: 2023 stiegen die Militärausgaben der Länder zusammengenommen auf knapp 2,3 Billionen Euro an, wie SIPRI-Analyst Nan Tian erklärt.

"Dass die Ausgaben so hoch sind wie nie und so drastisch angestiegen, spiegelt die sich verschlechternde Lage auf der Welt wider", sagt er. Staaten rüsteten auf und setzten auf militärische Stärke statt auf Diplomatie. "Sie wählen Wege, die zu Eskalation statt Deeskalation führen. Das ist sehr besorgniserregend für die ganze Welt."

Deutschland holt bei Militärausgaben auf

Infolge des Kriegs in der Ukraine haben viele europäische NATO-Länder wesentlich mehr in ihr Militär investiert als vorher. Auch Deutschland machte einen Sprung - obwohl bislang nur ein kleiner Teil des schon vor zwei Jahren beschlossenen Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Verteidigung eingesetzt worden sei, so Nan.

Ursula Schröder, Direktorin Institut für Friedensforschung Universität Hamburg, zum SIPRI-Bericht über Militärausgaben

tagesschau24, 22.04.2024 18:00 Uhr

2023 lag Deutschland laut SIPRI auf Platz sieben. "Falls Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATO wie geplant erreicht, liegt es wahrscheinlich künftig weltweit auf Platz vier - und hätte die mit Abstand größten Militärausgaben in West- und Mitteleuropa."

Ukraine gibt 37 Prozent des BIP für Verteidigung aus

Elf der 31 NATO-Länder erreichten im vergangenen Jahr das Zwei-Prozent-Ziel, vier mehr als 2022. Auch Russland hat angekündigt, noch mehr investieren zu wollen. Das werde für die Ukraine zur immer größeren Herausforderung, sagt der SIPRI-Experte.

Während Russland zuletzt knapp sechs Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgegeben habe, waren es in der Ukraine 37 Prozent. "Die wirtschaftliche Bürde des Kriegs ist viel höher für die Ukraine als für Russland. Deshalb stellt sich natürlich die Frage, wie viel länger die Ukraine so viel Geld investieren kann, zumal der Bedarf noch weiter steigt", sagt er.

Klimakrise droht vergessen zu werden

Wenn Länder kurzfristig ihre Militärausgaben erhöhen, übersehen sie laut den Stockholmer Friedensforschenden andere wichtige Bereiche wie die Gesundheit - aber auch langfristige Bedrohungen wie die Klimakrise, sagt Nan. "2023 war das wärmste Jahr, das wir erlebt haben, und März 2024 der wärmste Monat überhaupt. Deshalb müssen Regierungen ein Gleichgewicht finden: Wie viel soll für das Militär - und wie viel für die soziale und menschliche Sicherheit ausgegeben werden?"

Für die unmittelbare Zukunft sehen die Experten schwarz. Bei vielen Konflikten gibt es keine Aussicht auf eine baldige Lösung. Als Beispiel nennt Friedensforscher Nan Tian die Situation im Gazastreifen: Israels Investitionen in sein Militär erhöhen die Spannungen und das Potenzial für einen größeren regionalen Konflikt im Nahen Osten.

"Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Sicherheitslage 2024 oder auch 2025 verbessern wird", sagt er. "Die Konflikte dauern an, natürlich auch der Krieg in der Ukraine. Niemand weiß, wann das enden könnte." Deshalb würden die Militärausgaben der Länder zumindest kurzfristig weiter ansteigen. "Man kann also davon ausgehen, dass sich die Sicherheitslage in der Welt weiter verschlechtern wird."

"Wir leben in turbulenten und gefährlichen Zeiten" - mit diesen Worten, sagt Nan Tian, lasse sich die Entwicklung auf der Welt beschreiben.

Julia Wäschenbach, ARD Stockholm, tagesschau, 21.04.2024 17:30 Uhr