Ein Armeehubschrauber fliegt im Vorfeld des Nationalfeiertags über das Zentrum von Paris

Frankreichs Nationalfeiertag Proteste, Paraden und Probleme

Stand: 14.07.2023 04:12 Uhr

Liberté, égalité, fraternité: Das feiert Frankreich am heutigen Nationalfeiertag. Doch die Angst ist groß, dass die Gewalt der vergangenen Wochen nun wieder aufflammen könnte. Ein Ausblick.

Feuerwerk ist in Frankreich gerade ein zweischneidiges Schwert. Gerade am 14. Juli ist es traditionell der Soundtrack, um pathos-geladen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu zelebrieren. Nach dem Tod des 17-jährigen Nahel Ende Juni aber flogen Feuerwerkskörper nächtelang auch auf Polizeikräfte und öffentliche Gebäude. "Bitte nicht schon wieder", dachte sich da wohl so mancher Bürgermeister und blies die Party zum "quartorze juillet" vorsichtshalber ab.

"Es liegt schon gewisse Spannung über diesem Nationalfeiertag", Sabine Rau, ARD Paris, zur Lage am Nationalfeiertag in Frankreich

tagesschau, 14.07.2023 12:00 Uhr

Das sei unmöglich, findet Marine Le Pen, die Fraktionschefin des extrem rechten Rassemblement National. "Ich bin fassungslos, dass einige Kommunen sich entschieden haben, die Feierlichkeiten zum 14. Juli einfach zu streichen", sagte sie. "Stellen Sie sich das mal vor: In unserer großen, französischen Demokratie verzichten wir auf unseren Nationalfeiertag - und das nur wegen möglicher Gewaltausbrüche oder weil ein paar wenige sich vielleicht dazu entschließen, Krawall zu machen?" In Wirklichkeit zeige das, "dass einige Kommunen das Vertrauen in den Staat komplett verloren haben".

Marine Le Pen, Fraktionschefin des Rassemblement National, spricht bei einem Auftritt

"Ich bin fassungslos", sagt Marine Le Pen mit Blick auf abgesagte Feiern am Nationalfeiertag.

Regierung will "Härte zeigen"

Dieses Bild will die französische Regierung offenbar dringend korrigieren. Schon Ende voriger Woche hatte sie den Verkauf von Feuerwerk an Privatleute verboten. Niemand müsse Veranstaltungen absagen, hatte Innenminister Gérald Darmanin am Mittwoch betont - und eine lange Liste an Sicherheitsvorkehrungen präsentiert.

"Insgesamt werden am 13. und 14. Juli 130.000 Polizeikräfte im Einsatz sein. Pro Abend sind 45.000 von ihnen speziell dafür zuständig, Gewalt im städtischen Raum zu verhindern", erläuterte der Innenminister. "Wir wollen maximale Sicherheit garantieren, damit die Bürger den Nationalfeiertag genießen können - und damit nicht eine Handvoll Kriminelle für Unannehmlichkeiten sorgt. Wir werden Härte zeigen gegen alle, die diesen Tag verderben wollen."

 

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin spricht bei einer Pressekonferenz

Innenminister Gérald Darmanin kündigte den Einsatz Zehntausender Polizisten an.

Politischer Druck von den Konservativen

"Härte zeigen" und "Ordnung herstellen": im Zusammenhang mit den Unruhen waren das von Beginn an die Prioritäten der französischen Regierung. Der politische Druck hinter dieser Haltung kommt dabei nicht nur von Rechtsaußen, sondern besonders von den Konservativen Les Républicains.

Deren Parteispitze hatte vorige Woche eine Reihe von law-and-order-Maßnahmen vorgeschlagen. "Auch Jugendliche müssen die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen - weshalb wir die volle Strafmündigkeit ab 16 wollen", hatte Parteichef Éric Ciotti erklärt. "Und es muss möglich sein, Minderjährige, die die öffentliche Ordnung gefährden, in Schnellverfahren zu verurteilen - wie es auch bei Erwachsenen möglich ist."

Die Républicains beschränken sich aber nicht nur auf sicherheitspolitische Forderungen, sondern versuchen immer öfter, die Bruchlinien und die Probleme in der Gesellschaft durch Herkunft zu erklären. Bruno Retailleau, der Chef der Républicains im Senat, sieht eine Verbindung zwischen den Krawallen und der Immigration. "Ich habe mit vielen Bürgermeistern gesprochen, und alle sagen: die Probleme gibt es vor allem dort, wo regelrechte 'Migrationsghettos' entstanden sind", so Retailleau. "Natürlich sind die meisten dieser Menschen Franzosen - auf dem Papier. Und leider stellen wir für die zweite und dritte Generation von Einwanderern fest, dass es Rückschritte gibt. Einen Rückzug auf die ethnischen Wurzeln."

Lücke neben dem Rassemblement National besetzen

Es sind vor allem die französischen Konservativen, die den öffentlichen Diskurs gerade immer weiter nach rechts verschieben. Und damit versuchen, den politischen Raum zwischen der vermeintlich zu laxen Regierung und dem Rassemblement National zu besetzen. So analysiert es der Politikwissenschaftler Émilien Houard-Vial bei France Culture.

"Es gibt bei den Républicains diesen Willen, mit dem Ist-Zustand zu brechen; gewissermaßen zu sagen: Es reicht mit den lauwarmen Lösungen, mit technischen Lösungen - vor allem bei Themen wie Immigration", so Houard-Vial. "Und gleichzeitig ist man ja nicht der Rassemblement National und will zeigen, dass man es besser machen kann. Die Républicains wollen einerseits inhaltlich glaubwürdig erscheinen, sogar wenn sie sich an die Wählerschaft des RN wenden. Nach dem Motto: Wir haben die gleichen Ideen - aber sind eher in der Lage, sie auch umzusetzen."

Macron plant keine Rede am Nationalfeiertag

Und Präsident Emmanuel Macron? Der bleibt bei seiner bekannten Haltung des "weder-noch". Macron hatte sich Mittwoch am Rande des NATO-Gipfels in Vilnius geäußert. Und dabei - hörbar genervt - nochmal betont, dass die Ereignisse der vergangenen Wochen weder ein soziales noch ein sicherheitspolitisches Problem seien.

"Liegt es daran, dass der Staat zu wenig in die Banlieues investiert hat? - Nein! Wir investieren weit mehr als vor Beginn meiner ersten Amtszeit", betonte Macron. "Liegt es an einem Mangel an Sicherheitskräften oder Justizpersonal, wie andere sagen? - Nein! Wir haben mehr als 10.000 Stellen geschaffen." Die Dinge seien komplexer. "Wir werden strukturiert arbeiten, um in den kommenden Wochen und Monaten die bestmögliche Antwort zu finden", sagte der Staatschef.

Heute werde sich der Präsident allerdings nicht äußern, hieß es aus dem Élysée-Palast - aber wohl "in den kommenden Tagen". Ein Zeichen dafür, dass Macron wohl noch keine zündende Idee hat, wie er "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" und die aktuelle Lage in einer Rede zusammenbringen will.

Carolin Dylla, ARD Paris, tagesschau, 13.07.2023 19:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 14. Juli 2023 um 08:51 Uhr.