Afghanische Bauern sammeln Rohopium auf einer Mohnplantage.

Opiumverbot in Afghanistan Taliban hoffen auf internationale Anerkennung

Stand: 18.04.2022 14:24 Uhr

Opiumanbau war lange die Haupteinnahmequelle der Taliban. Nun wollen sie ihn unter Strafe stellen. Das Regime erhofft sich dadurch internationale Anerkennung - die Not vieler Bauern dürfte aber wachsen.

Abdul Rahman ist gerade dabei, die Opiumernte auf den Feldern bei Kandahar im Süden Afghanistans einzubringen. Die Region war jahrzehntelang Anbaugebiet für Opium, daraus wird Heroin gemacht. "Wenn die Taliban den Opiumanbau jetzt verbieten, dann müssen sie uns helfen umzustellen. Und auch die Welt muss uns helfen", meint er.

Auch Mohamad Tajs Familie baut seit 28 Jahren Opium an. Nun soll damit Schluss sein: Die Taliban haben den Opiumanbau verboten. Taj hat 25 Familienmitglieder zu versorgen, sein Land ist gepachtet. Der Opiumanbau war seine Haupteinnahmequelle.  

Anfang April erklärte die Taliban-Regierung, die Ernte solle sofort zerstört werden. Wer dem nicht nachkomme, der werde bestraft. Doch seitdem ist nichts auf den Feldern bei Kandahar passiert. "Wenn wir nicht weiter ernten können, dann haben wir ein Problem", sagt Bauer Rahman. "Nach 20 Jahren Bürgerkrieg ist jeder verschuldet. Wie sollen wir unsere Kinder ernähren?"

Afghanische Bauern ernten Mohn

Afghanische Bauern bei der Schlafmohnernte.

Anbauverbot soll Anerkennung bringen

Der Opiumanbau war die Haupteinnahmequelle der Taliban während des Bürgerkriegs. Sie kontrollieren den Drogenhandel und besteuern ihn. Offiziell haben sie sich nie dazu geäußert. Internationale Beobachter gehen davon aus, dass sie allein im Jahr 2020 etwa 20 Millionen US-Dollar einnahmen. Von 2015 bis 2020 kamen 80 Prozent der weltweiten Opiumproduktion aus Afghanistan, das Land war Weltmarktführer. Schon einmal hatten die Taliban den Anbau von Opium bei Strafe untersagt, als sie zwischen 2000 und 2001 Afghanistan regierten.

Was bedeutet das erneute Verbot? Ajai Sahni ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Konfliktbewältigung in Neu-Delhi, das Daten zu Drogenanbau und -handel in Südasien erhebt. "Das Ziel des Opiumverbots der Taliban ist, der Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft näherzukommen. Das ist für die Taliban sehr wichtig, weil dann Gelder fließen können", erklärt er.

Bislang geht die internationale Hilfe nicht an die Taliban, sondern über UN-Organisationen direkt an die Afghanen. Die Taliban versuchten, durch das Opiumanbauverbot eine Art von Entschädigung von der internationalen Gemeinschaft zu bekommen, meint Sahni - nach dem Motto: "Seht her, der Opiumanbau macht einen sehr großen Teil des Einkommens unserer Bauern aus. Wenn sie die Ernte vernichten, müssen sie in irgendeiner Weise entschädigt werden." Ein solches Argument könnte bei den Geberländern auf Zustimmung stoßen, meint der Experte.

Verstärkung der Synthetikdrogen-Schwemme?

Abdul Haq Akhondzada ist als stellvertretender Innenminister der Taliban für Drogenpolitik zuständig. Im ARD-Interview stellt er fest, dass das Anbauverbot zwar erlassen wurde, es aber nicht sofort umgesetzt werden soll. "Die Bauern haben viele Probleme. Wir haben gesagt, dass die diesjährige Opiumernte nicht beeinträchtigt wird. Erst danach wird der Anbau verboten."

Er gibt unumwunden das Ziel der Taliban-Regierung zu: "Wir wollen, dass Sie uns helfen, denn jeder weiß, dass unser Land in großen Schwierigkeiten steckt. Es hat 40 Jahre lang Kriege erlebt." Der Opiumanbau sei für die Afghanen eine Möglichkeit gewesen, ihre Familien zu ernähren. "Die ganze Welt muss uns helfen. Sie muss fest zu uns stehen", sagt Abdul Haq Akhondzada.

Der Opiumanbau und -handel sei eine sehr wichtige Einnahmequelle für die Taliban als aufständische Gruppe gewesen, sagt Experte Ajayi Sahni aus Neu-Delhi. Für die Taliban-Verwaltung versiege diese Einnahmequelle jetzt. Der Drogenhandel werde von Warlords, kleinen Gruppierungen vor Ort und kriminellen Organisationen jenseits der pakistanischen Grenze kontrolliert.

Die Auswirkungen des Opiumverbots auf europäische Märkte beurteilt er so: "Wenn die Verfügbarkeit von Heroin in Europa zurückgeht, wird es dort zur Verlagerung zu anderen Drogen geben, vor allem zu synthetisch erzeugten."

Zugleich entwickle sich gerade eine andere Konfliktregion als neuer Hauptproduzent von Opium: Myanmar. Dort würden die Anbauflächen ausgebaut - weil es dort keine Regierung mehr gebe, die genügend Einfluss habe, um das zu verhindern.