Eine Wahlurne mit dem Wappen der Russischen Föderation mit Stimmzetteln steht in einem Wahllokal.

Verhöre von Golos-Mitarbeitern Russland geht gegen unabhängige Wahlbeobachter vor

Stand: 17.08.2023 18:06 Uhr

Golos spielt eine Schlüsselrolle bei der Beobachtung von Wahlen in Russland. Nun gehen russische Behörden gegen Mitarbeiter der Organisation vor. Golos vermutet, dass es dem Kreml vor allem um die Präsidentschaftswahl geht.

Mit Hausdurchsuchungen und Festnahmen gehen russische Behörden gegen die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos vor. Mehrere Mitarbeiter wurden zu Verhören auf Polizeiwachen gebracht. Angeblich soll Grigory Melkonjanz, eines der Führungsmitglieder von Golos, Aktivitäten einer in Russland unerwünschten Organisation vorbereitet haben, was ein Strafverfahren nach sich ziehen könnte.

Konkret geht es dabei um die Zusammenarbeit mit dem European Network of Election Monitoring Organizations (ENEMO), einem Zusammenschluss von Wahlbeobachterorganisationen in Osteuropa, zu dem auch Golos bis zum Jahr 2021 gehörte.

Der Co-Vorsitzende Stanislaw Andrejtschuk sagte jedoch, man habe schon länger nicht mehr aktiv mit ENEMO zusammengearbeitet. Doch im Laufe der vergangenen zwei Jahre habe es immer wieder Versuche gegeben, ein Verfahren einzuleiten, "weil einer der Teilnehmer von Golos angeblich mit ihr interagierte. Die Begründung sei gewesen, "dass auf der ENEMO-Website geschrieben stand, dass Golos Teil dieser Vereinigung sei, obwohl es zwei Jahre lang keine wirkliche Interaktion gab", so Andrejtschuk.

"Eher wegen der Präsidentschaftswahlen"

Das Vorgehen der russischen Behörden stünde im Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen in Russland, vermutet er. So wolle man die Beobachtung von Kommunal-, Regional- und Gouverneurswahlen im September erschweren, wenn nicht sogar verhindern, so Andrejtschuk. Doch wahrscheinlich spiele die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2024 die größere Rolle.

"Nun heißt es, dass wegen der Wahlen im September ein Strafverfahren eröffnet wurde. Das ist klar aber wohl eher wegen der Präsidentschaftswahlen im März", vermutet Andrejtschuk. "Die Formulierung, dass man die Aktivitäten einer nicht in Russland registrierten Organisation unterstützt, ist erst kürzlich in unserer Gesetzgebung aufgetaucht." Derzeit liefen in mehreren Regionen Durchsuchungen, so der Co-Vorsitzende von Golos.

Golos bekam den Andrej-Sacharow-Preis

Die Wahlbeobachter von Golos gibt es seit dem Jahr 2000. Die Organisation wurde gegründet, mit dem Ziel das Wahlrecht der russischen Bevölkerung zu gewährleisten und zu der Entwicklung einer freiheitlichen Gesellschaft beizutragen.

Nachdem Golos im Jahr 2012 der Andrej-Sacharow-Preis des Helsinki Komitees verliehen worden war, wurde die Organisation in Russland zum "Ausländischen Agenten" erklärt. Golos bestritt, das Preisgeld angenommen zu haben und weigerte sich, sich als "Ausländischer Agent" registrieren zu lassen. Es folgte eine mehrmonatige Sperre.

Doch auch nach der Neugründung als Bewegung Golos, gingen die russischen Behörden weiter gegen sie vor - unter anderem mit Geldstrafen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen.

Ein Moskauer Gericht ordnete zwischenzeitlich sogar die Auflösung von der Bewegung Golos an. 2021 wurde sie erneut auf die Liste der sogenannten "Ausländischen Agenten" gesetzt.

Stephan Laack, ARD Moskau, tagesschau, 17.08.2023 16:27 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. August 2023 um 18:34 Uhr.