Khieu Samphan im Gerichtssaal der Außerordentlichen Kammer der Gerichte Kambodschas in Phnom Penh

Kambodscha Letztes Urteil gegen Rote Khmer

Stand: 22.09.2022 10:38 Uhr

Das Sondergericht über den Massenmord der Roten Khmer hat das Urteil gegen den früheren Staatschef Khieu Samphan bestätigt. Er bleibt in Haft. Damit beendet das Tribunal nach 16 Jahren seine Arbeit.

Mit dem Urteil gegen einen ehemaligen Anführer der Roten Khmer in Kambodscha hat das Sondergericht zur Ahndung der Verbrechen des mörderischen Pol-Pot-Regimes nach 16 Jahren seine Arbeit beendet. Das von den Vereinten Nationen gestützte Tribunal in Phnom Penh lehnte den Berufungsantrag des letzten Überlebenden der damaligen Staatsführung, Khieu Samphan, ab.

Letzter lebender, ranghoher Vertreter

Der heute 91-Jährige ist der letzte überlebende ranghohe Vertreter der Roten Khmer. 2018 war er wegen des Völkermords an ethnischen Vietnamesen verurteilt worden - die Ermordung der kambodschanischen Bevölkerung wurde nicht als Genozid eingestuft. Im vergangenen Jahr hatte er dagegen Berufung eingelegt. Er hat stets bestritten, in die ihm zur Last gelegten Taten verwickelt gewesen zu sein.

Richter Kong Srim wies in seinem Urteil die Versicherungen des ehemaligen Staatschefs zurück. Khieu Samphan habe "direkte Kenntnis von den Verbrechen gehabt" und das Ziel der anderen führenden Vertreter der Roten Khmer geteilt, sagte der Vorsitzende der außerordentlichen Kammer des Obersten Gerichts. Das Gericht weise deshalb die Argumente der Verteidigung zurück.

Selbst bei einem Freispruch wäre Khieu Samphan aber im Gefängnis geblieben, da er bereits 2014 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Das Urteil wurde 2016 bestätigt.

500 Menschen bei Urteilsverkündung

Khieu Samphan wohnte der zweieinhalbstündigen Urteilsverkündung im Rollstuhl bei. An ihr nahmen auch ungefähr 500 Angehörige von Opfern, Überlebende, Diplomaten sowie Vertreter der kambodschanischen Regierung teil. Gerichtssprecher Nth Pheaktra sprach anschließend von einem "historischen Tag".

Hintergrund

Die Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha dauerte von 1975 bis 1979. Durch Zwangsarbeit, Hungersnöte, Folter und Mord kamen in diesen Jahren Schätzungen zufolge etwa 1,7 Millionen Menschen ums Leben - fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

1975 stürzten sie die von den USA unterstützte und unbeliebte Regierung. Das neue Regime unter Pol Pot wollte einen geldlosen Bauernstaat verwirklichen. Es zwang die Städter aufs Land und verordnete ihnen Schwerstarbeit.

Hunderttausende Menschen starben durch Hungersnöte, Seuchen und Zwangsarbeit. Weitere Hunderttausende Verdächtige wurden als Feinde des Regimes gefoltert und ermordet. Insgesamt fielen der Schreckensherrschaft der Roten Khmer fast zwei Millionen Menschen zum Opfer - fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

1979 vertrieben vietnamesische Truppen die Roten Khmer und zogen in die seit vier Jahren verlassene Hauptstadt Phnom Penh ein. Jahrelang wurde niemand zur Rechenschaft gezogen, weil Kambodscha zum Spielball der Weltmächte wurde und im Bürgerkrieg versank. Pol Pot starb 1998 unbehelligt in der Provinz.

Insgesamt drei Verurteilte

Das Tribunal zur Aufarbeitung der Herrschaft der Roten Khmer unter Diktator Pol Pot war 2006 gegründet worden. Insgesamt hat das Gericht drei mutmaßliche Drahtzieher der Roten Khmer schuldig gesprochen und verurteilt: Den 2019 gestorbenen Chefideologen Nuon Chea, den 2020 gestorbenen früheren Chef des Foltergefängnisses S-21, Kaing Guek Eav alias Duch und Ex-Staatschef Khieu Samphan.

Kein Prozess gegen vier Verdächtige

Berichten zufolge sollen die Gerichtskosten mehr als 330 Millionen Euro betragen haben. Gegen vier Verdächtige, bei denen es sich um Rote-Khmer-Funktionäre mittleren Rangs gehalten haben soll, wurde wegen Differenzen unter den Juristen des Gerichts kein Prozess abgehalten.

Das Tribunal war so aufgebaut, dass kambodschanische und internationale Juristen zusammenarbeiteten. Damit es zu einem Prozess kam, mussten sie sich einig werden. Die internationalen Vertreter wollten die vier Verdächtigen vor Gericht stellen.

Doch die Kambodschaner lehnten das ab, nachdem der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen erklärt hatte, es werde keine weiteren Strafverfolgungen geben, weil diese zu Unruhen führen könnten. Hun Sen, der seit 37 Jahren in Kambodscha regiert, war einst selbst ein Kommandeur der Roten Khmer mittleren Rangs gewesen.

Nach dem Abschluss seines letzten Falls wird sich das Sondertribunal voraussichtlich in drei Jahren auflösen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. September 2022 um 12:00 Uhr.