Mohammad Abu Saif arbeitet für die ARD in Gaza.
Protokoll

Krieg im Nahen Osten Ein Journalist im Gazastreifen

Stand: 02.12.2023 10:42 Uhr

Der 31-jährige Mohammad Abu Saif berichtet für die ARD aus dem Gazastreifen, wo seit Freitag wieder gekämpft wird. Wie arbeitet er, während ihn Alltagssorgen und der Verlust seiner Familie plagen.

Explosionen, Schüsse, Drohnengeschwirr - die Lage im Gazastreifen ist unübersichtlich. Mittendrin ist Mohammad Abu Saif. Gerade ist der Journalist unterwegs, um ein Video von einem Krankenhaus zu drehen. Die Situation sei sehr sehr schlecht, berichtet er, es seien Luftangriffe und Panzer zu hören, Menschen würden fliehen.

Der 31-Jährige berichtet für die ARD. Fast täglich pendelt er unter Einsatz seines Lebens zwischen der Mitte des Gazastreifens, der Stadt Chan Yunis im Süden und dem Grenzübergang Rafah zu Ägypten hin und her.

Während der Waffenruhe, die jetzt zu Ende ist, habe er Zeit gehabt nachzudenken. "Ich habe das Gefühl, dass ich mal einen wirklich ruhigen Ort brauche, um zu mir selbst zu finden. Der Druck steigt. Meine Energie wird jeden Tag weniger", erzählt er. Er spüre den Konflikt zwischen der harten Realität im Gazastreifen und seinem Wunsch, einfach Ruhe zu finden.

Noch am Abend zuvor, während der Waffenruhe, war Mohammad Abu Saif in der Nähe des Flüchtlingslagers Nuseirat unterwegs. Hier sah er Hunderte Menschen stehen, die darauf gewartet hätten, ein wenig Gas zum Kochen zu ergattern. Irgendwann nach Stunden hätten sie - wenn sie Glück gehabt hätten - vielleicht einen Bruchteil von dem bekommen, was es sonst gibt, sagt Mohammad.

Viele in der Menge hätten miteinander gestritten, als er sich der Gruppe genähert habe, um die Frage, wer zuerst dagewesen sei. "Ich habe sie gefragt: Gibt es hier überhaupt Gas und Benzin? Einer sagte: 'Nein.' Warum seid ihr dann hier?, fragte ich. Er sagte: 'Wir haben gehört, dass gestern fünf Motorräder und ein Auto etwas Benzin bekommen haben'", schildert Mohammad die Szene. Es sei unglaublich - die Leute würden sich streiten, obwohl sie nicht wüssten, ob etwas da ist. "Die Lage ist miserabel."

Familienangehörige und Freunde verloren

Auch an Mohammad, der viele Kämpfe in Gaza erlebt hat, geht der Krieg nicht spurlos vorüber. Er schlafe kaum. Früh am Morgen stehe er auf, um Interviews zu machen. Dann versuche er, Essen für sich, seine Frau und einige Verwandte zu finden.

Von den Hilfslieferungen, über die er berichtet hat, habe er nie etwas bekommen, sagt er. Als er einmal über einen Straßenbäcker berichtet habe und nah heranwollte, um zu filmen, habe der zu ihm gesagt: "Ok, aber bitte mich nicht um Brot oder Mehl."

Wenn Mohammad Abu Saif über sich selbst spricht, ist seine Stimme fast brüchig. "Ich arbeite als Journalist. Aber ich muss auch für meine Familie sorgen. Jeder Tag ist beschwerlich. Alles ist schwer zu kriegen. Leider habe ich auch Freunde und Familie verloren. Ich bin sehr traurig."

25 Familienangehörige und sechs Freunde habe er seit Kriegsbeginn verloren. Sie hätten ihm sehr nahegestanden. Er wisse nicht, ob er sich daran gewöhnt, sie nicht mehr zu sehen.

Kaum Toilettengänge - aus Angst, krank zu werden

Auch wie es nach dem Krieg weitergehen wird, ob er in seine Heimat Gaza-Stadt zurück kann, ist ungewiss. Früher habe er nicht aus Gaza weggewollt. Jetzt sei alles anders.

Um ihn herum sind Detonationen zu hören, manche sehr nah, manche weiter weg. Er versuche auch wenig zu trinken, weil die Toiletten ein Gesundheitsrisiko sind, merkt er noch an. Die Gefahr krank zu werden und ohne ärztliche Versorgung zu sein, sei allgegenwärtig. Auch während der Waffenruhe.

"Ich möchte nur, dass der Krieg endet", sagt Mohammad zum Schluss. Seine Wohnung und das Haus seines Vaters seien zerstört worden. Deshalb könne er nicht in Gaza bleiben.

Seine Idee für die Zukunft formuliert er vage: "Ich möchte ein sicheres und ruhiges Leben für mich und meine Familie. Das wünsche ich mir auch für alle Menschen in Gaza."

Doch Ruhe ist nicht in Sicht. Schon wird wieder gekämpft, wieder ist es laut. Der Journalist konzentriert sich auf seine Arbeit.

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 01.12.2023 11:50 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. Dezember 2023 um 05:17 Uhr.