Graffito in Tel Aviv, das Präsident Biden als "Captain America" zeigt

Nach Angriff des Iran Israel ringt um die richtige Antwort

Stand: 15.04.2024 16:24 Uhr

Nach dem Angriff des Iran wägt Israel mögliche Reaktionen ab. Während Rechtsextreme in der Regierung Vergeltung fordern, versucht Präsident Herzog zu deeskalieren. Verteidigungsminister Gallant sieht sogar eine Chance.

Eine in Kriegszeiten gewöhnliche Nachricht schaffte es am Morgen in die Schlagzeilen in Israel: Die israelische Armee habe in der Nacht erneut eine Drohne abgefangen, die aus dem Osten kam. Normalerweise wird ein Drohnenangriff genau verortet und klargemacht, wer auf Israel zielt - meist ist es die Hisbollah im Norden. Könnte diese jetzt aus dem Iran stammen? Der Gedanke ist nicht mehr abwegig, die Stimmung im Land angespannt.

Der Angriff des Iran auf Israel am Wochenende hat Spuren hinterlassen. Auch wenn Armeesprecher Daniel Hagari von einer erfolgreichen Abwehr mit Hilfe der internationalen Partner spricht: "Der Iran und seine Verbündeten haben 350 Kamikazedrohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen aus dem Iran, Irak, Jemen und aus dem Gebiet der Hisbollah im Libanon auf Israel abgefeuert. Mit 60 Tonnen Sprengstoff." Die Bedrohung aus dem Iran habe man mit überlegener Technologie und mit internationalen Verbündeten abwehren können, so Hagari weiter. So sei es gelungen, 99 Prozent der Geschosse auf Israel abzufangen.

"Versuch, Israel zu zerstören"

Derweil berichtet das "Wall Street Journal", dass die Hälfte der ballistischen Raketen - laut israelischer Armee sollen es 110 gewesen ein - entweder einen Fehlstart hatten oder abgestürzt seien, bevor sie ihr Ziel erreichten. Dennoch: Hätte die Luftabwehr nicht so gut funktioniert, hätte es Tausende Tote geben können, schreibt eine israelische Tageszeitung. Dies sei ein Versuch gewesen, Israel zu zerstören, heißt es weiter.

Israels Präsident Isaac Herzog wandte sich mit einer Ansprache auf Englisch an die Bevölkerung: "Das Letzte, das Israel seit der Staatsgründung in dieser Region will, ist Krieg. Wir wollen Frieden. Wir sind friedliebende Menschen. Wir haben wieder und wieder Frieden mit unseren Nachbarstaaten geschlossen. Natürlich hören wir unseren Partnern und Verbündeten zu und respektieren ihre Sichtweise."

"Ich denke, dass eine Eskalation durchaus eine Option ist", Nahost-Experte Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft und Politik, zur angespannten Lage nach Iran-Angriff auf Israel

tagesschau24, 15.04.2024 19:00 Uhr

Raum für Spekulationen

Die Botschaft war auch an die internationale Gemeinschaft gerichtet. Beruhigend wirkte sie dennoch nicht. Herzog fügte hinzu: Den Angriff des Iran könne man als Kriegserklärung werten. Israel halte sich aber zurück, weil man die Konsequenzen bedenke. Raum für Spekulationen, wie die Antwort Israels auf den Angriff aus dem Iran aussehen wird, gibt es nun allemal.

Die werden angetrieben durch die rechtsgerichteten Kräfte in der Regierung. Sie fordern Vergeltung mit voller Gewalt. So wie der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich: "Teheran muss beben und zwar schnell. Schande über uns, wenn uns der Iran in nie dagewesener Weise angreift mit solcher Intensität. Es muss eine Antwort geben, schnell, scharf, intensiv und sehr, sehr schmerzhaft", fordert Smotrich.

Gallant sieht Chance

Immerhin setzte Israels Premierminister Benjamin Netanyahu dieses Mal auf eine direkte Absprache mit dem Partner USA per Telefon. Danach soll ein direkter Gegenschlag Israels abgesagt worden sein, berichten israelische Medien.

Auch Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant schlug bei einem Treffen mit dem amerikanischen Botschafter in Israel versöhnlichere Töne an. Er sehe in der Krise eine Chance so Gallant: "Wir haben hier eine Gelegenheit, eine strategische Allianz gegen diese ernste Bedrohung aus dem Iran aufzubauen. Der Iran droht damit, nukleare Sprengköpfe auf die Raketen zu setzen." Dies könne eine sehr ernste Sache werden, so Gallant. "Die USA, Israel und seine Verbündeten stehen angesichts dieser Bedrohung Schulter an Schulter zusammen."

Verteidigungsbündnis statt Gegenangriff, Beruhigung statt Eskalation. Noch ist alles offen. Immerhin lockerte Israel einige Beschränkungen. Zahlreiche Schulen durften am Morgen wieder öffnen. Das Land bleibt in Alarmbereitschaft. Und auch der Krieg geht weiter - in Gaza sowie an der Nordgrenze zum Libanon. Dort wurden gerade laut Militärangaben vier israelische Soldaten bei einer Explosion verletzt.

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 15.04.2024 12:26 Uhr