Annalena Baerbock wird bei ihrer Ankunft von Philipp Ackermann, Botschafter in Indien, begrüßt

G20-Treffen in Indien Baerbock will Schulterschluss gegen Moskau

Stand: 02.03.2023 03:49 Uhr

Außenministerin Baerbock hofft bei dem G20-Treffen in Indien auf ein klares Signal gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Das ist von Gastgeber Indien aber kaum zu erwarten.

Rund ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kommen die Außenminister der G20-Runde führender Wirtschaftsmächte zu Beratungen in Indien zusammen. Auf der Tagesordnung stehen in Neu-Delhi neben dem Krieg auch die globale Nahrungsmittel- und Energiekrise sowie die Entwicklungszusammenarbeit und die Terrorismusbekämpfung.

Am Morgen landete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in der indischen Hauptstadt. "Diesen großen globalen Herausforderungen müssen wir unsere ganze Kraft widmen", sagte Baerbock vor ihrer Abreise in Berlin. "Dazu gehört auch, dass wir dem zynischen Spiel Russlands entgegentreten, das versucht einen Keil in die Weltgemeinschaft zu treiben."

Baerbock: Hunderte Millionen Menschen betroffen

Die Grünen-Politikerin rief zu einem Schulterschluss gegen Russland auf. Russlands Angriffskrieg treffe nicht nur unschuldige Menschen in der Ukraine, er gefährde "auch die Nahrungs- und Energiesicherheit vieler hundert Millionen Menschen weltweit".

Baerbock verwies in ihrer Erklärung auf die Abstimmung der UN-Vollversammlung über eine Resolution, in der ein Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine gefordert wird. 141 der 193 UN-Mitgliedstaaten hatten am vergangenen Donnerstag für den Text votiert. Es stimme sie zuversichtlich, dass "die große Mehrheit der Staaten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen brutalen Krieg Russlands erneut beim Namen benannt hat", erklärte Baerbock.

Gastgeber Indien nimmt in Bezug auf den russischen Angriffskrieg eine neutrale Haltung ein. Das Land ist im Energie- und Rüstungsbereich stark von Russland abhängig. Bisher hat es sich an keiner UN-Resolution oder an Sanktionen gegen Russland beteiligt.

"Konflikt" statt "Krieg"

Außenstaatssekretär Vinay Kwatra wehrte sich auf einer Pressekonferenz gegen den Vorwurf, man finanziere den Krieg indirekt durch den Kauf russischen Öls: "Das tun wir nicht. Ihr habt den Krieg sehr lange unterstützt, indem ihr euch sehr lang von russischer Energie und chinesischen Importen abhängig gemacht habt." Sein Land sei nicht für den Krieg: "Wir glauben an Diplomatie und Dialog." Kwatra sprach auch von einem "Konflikt" in der Ukraine, nicht von einem Krieg.

Regierungschef Narendra Modi hatte beim jüngsten Staatsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Neu-Delhi die Rolle Indiens als Brückenbauer betont: "Seit Beginn der Entwicklungen in der Ukraine hat Indien darauf gedrängt, diesen Streit durch Dialog und Diplomatie zu lösen. Indien ist bereit, zu jeglichen Friedensbemühungen beizutragen."

Der indische G20-Chefunterhändler Amitabh Kant sagte, trotz des wachsenden diplomatischen Interesses des Westens fehle diesem das richtige Verständnis für Indiens Lage: "Das liegt daran, dass Sie nicht in dieser Nachbarschaft leben." Die westlichen Länder hätten weder Pakistan, Afghanistan oder China als Nachbarn. "Und in dieser südasiatischen Region wird es für Indien sehr schwierig werden, wenn es Russland verärgert."

Was macht Lawrow diesmal?

Mit Spannung wird erwartet, ob der russische Außenminister Sergej Lawrow bei dem Treffen in Neu-Delhi wie bei dem jüngsten G20-Außenministertreffen auf der indonesischen Ferieninsel Bali für einen Eklat sorgen wird. Damals verließ er den Saal nach seiner Rede und hörte sich die Wortmeldungen seiner Kritiker nicht mehr an.

Das G20-Treffen in Indien gilt als die erste große Konferenz seit Bali, bei der Lawrow mit westlichen Kolleginnen und Kollegen zusammentrifft. Beim Besuch einer Buchmesse in Neu-Delhi bezeichnete Lawrow Indien als Freund. Beide Länder akzeptierten keine "neokolonialen Praktiken" von einseitigen Sanktionen, Drohungen und Erpressung sowie sonstigen Druck. Moskau wirft den USA und dem "kollektiven Westen" immer wieder vor, sich wie eine globale Kolonialmacht aufzuführen.

"Lawrow wird viel, viel Gegenwind entgegen kommen", Oliver Mayer, ARD Neu-Delhi, zu Treffen G20-Außenminister in Neu-Delhi

Morgenmagazin

Treffen mit chinesischem Außenminister geplant

Heute soll bei der ersten Arbeitssitzung über eine Stärkung des Multilateralismus, Nahrungsmittel- und Energiesicherheit sowie über die Entwicklungszusammenarbeit gesprochen werden. Am Nachmittag stehen unter anderem die Themen Terrorbekämpfung und humanitäre Hilfen auf der Tagesordnung.

Baerbock will sich am Rande der Beratungen auch mit dem neuen chinesischen Außenminister Qin Gang treffen. Auch US-Außenminister Antony Blinken wird zu den G20-Beratungen erwartet.

60 Prozent der Weltbevölkerung repräsentiert

Baerbock sagte, sie wolle bei dem G20-Treffen Deutschlands Prioritäten einbringen: "Wir arbeiten an Lösungen für die Schuldenkrise, denn viel zu viele Länder drohen unter enormen Schuldenlasten zusammenzubrechen." Es gehe auch um den weltweiten Kampf gegen Hunger. "Und wir setzen uns für eine neue internationale Finanzarchitektur ein, weil der Klimawandel Naturkatastrophen immer schlimmer und teurer macht", so Baerbock.

Zu den G20 gehören die Europäische Union und die stärksten Volkswirtschaften aller Kontinente. Die Gruppe erwirtschaftet nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, 75 Prozent des weltweiten Handels und macht rund 60 Prozent der Weltbevölkerung aus.

Mit Informationen von Charlotte Horn, ARD-Studio Neu-Delhi

Charlotte Horn, Charlotte Horn, ARD Neu-Delhi, 01.03.2023 18:53 Uhr