Wähler füllen ihre Stimmzettel in Virginia aus.

US-Bundesstaaten Wie die Abtreibungsdebatte die Wähler mobilisiert

Stand: 08.11.2023 18:36 Uhr

Ohio, Virginia, Kentucky: Bei Abstimmungen in diesen US-Staaten haben die Demokraten mehrere Erfolge erzielt. Vor allem die heftige Diskussion um das Thema Abtreibung bewegte die Wähler. Die Partei dürfte weiter darauf setzen.

Voriges Jahr hat der Oberste Gerichtshof der USA das bisher geltende Recht auf Abtreibung gekippt und an die Bundesstaaten zurückverwiesen. Die Republikaner werteten das damals als großen Erfolg. Doch die Stimmung im Land scheint anders zu sein, wie sich gestern in Ohio zeigte.

56 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten dort dafür, das Recht auf, wie es heißt, "reproduktive Freiheit" in der Verfassung zu verankern. Damit ist vor allem das Recht auf Abtreibung gemeint, aber auch die Wahl von Verhütungsmitteln oder künstliche Befruchtung. "Abtreibung gehört zur Gesundheitsversorgung. Zugang zu Abtreibung ist geltendes Recht in Ohio", jubelte dort Lauren Blauvelt von Planned Parenthood, einer Organisation für Familienplanung, die auch Abtreibungen anbietet.

Viele Trump-Anhänger in Ohio

Das Ergebnis ist überraschend deutlich. Ohio ist ein sehr konservativer Staat, der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat hier viele Anhänger. Und Gouverneur Mike DeWine, auch er ein Republikaner, hatte bei Fox News bis zum Schluss versucht, seine Wählergruppen zu mobilisieren: Das sei ein radikaler Vorschlag, egal, ob jemand für oder gegen Abtreibung sei, das gehe deutlich zu weit, so DeWine.

Die Republikaner in Ohio möchten Abtreibungen ab der sechsten Schwangerschaftswoche verbieten. Damit sind sie nun gescheitert. Abtreibungen bleiben in Ohio bis zu dem Zeitpunkt erlaubt, an dem der Embryo außerhalb des Mutterleibs leben kann, also etwa zur 22. bis 24. Woche.

Hoffnungsträger Youngkin scheitert

In Virginia wollte Gouverneur Glen Youngkin, ein Republikaner, einen Kompromiss austesten: Schwangerschaftsabbrüche sollten erst ab der 15. Woche verboten werden, eine Regelung, die von einer Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner in Umfragen unterstützt wird. Auf dem Stimmzettel stehe die Wahl zwischen "keinen Grenzen" und "vernünftigen Grenzen", hatte Youngkin im Wahlkampf argumentiert. Er glaube, Virginia könne sich auf "Vernunft" verständigen.

Doch es kam anders: Gestern wurde über alle 140 Sitze im Abgeordnetenhaus und Senat von Virginia abgestimmt. Die Demokraten behielten ihre Mehrheit im Senat und eroberten das Abgeordnetenhaus. Virginia bleibt damit der einzige unter den Südstaaten, in dem Abtreibungen noch bis zur 26. Woche möglich sind. Und Youngkin ist seinen Status als Hoffnungsträger der Republikaner los. Immer wieder war er als Geheimwaffe gegen Donald Trump gehandelt worden und sollte womöglich zu einem späten Zeitpunkt noch in den Präsidentschaftswahlkampf einsteigen. Das dürfte nach der aktuellen Schlappe nun vorbei sein.

Glen Youngkin

Virginias Gouverneur Youngkin galt als Hoffnungsträger, doch sein Ruf scheint nun dahin.

Bidens Schwäche bleibt sein Alter

Auch im tief konservativen Kentucky jubelten die Demokraten: Ihr Gouverneur Andy Beshear wurde wiedergewählt, obwohl die Republikaner einen starke Gegenkandidaten ins Rennen geschickt hatten. Doch auch hier ging es um Abtreibung: In Kentucky sind Abtreibungen grundsätzlich verboten, bis auf wenige Ausnahmen. Der demokratische Gouverneur hatte vergeblich sein Veto eingelegt. Doch sein Widerstand kam bei den Wählerinnen und Wählern offenbar gut an.

Die Ergebnisse vom Dienstag bestätigen einen Trend. Immer wenn in den Bundesstaaten direkt oder indirekt über Abtreibung abgestimmt wurde, verloren die Gegner - selbst in konservativen Staaten. Das sei ein Markt der Ideen, meinte David Urban, ein früher Wahlkampfberater von Donald Trump, bei CNN, "wenn deine Idee nicht gekauft wird, denk' dir am besten eine neue aus".

Für die Demokraten dagegen dürfte klar sein: Das Recht auf Abtreibung werden sie auch im Wahlkampf 2024 ganz nach vorn rücken. Fragt sich nur, ob es reicht, um den stärksten Vorbehalt gegen Präsident Joe Biden aufzuwiegen: sein Alter. Fast 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler trauen ihm nicht zu, weitere vier Jahre zu regieren. In aktuellen Umfragen liegt der 80 Jahre alte Biden in wichtigen Swing States zum Teil deutlich hinter dem 77 Jahre alten Trump.

Katrin Brand, ARD Washington, tagesschau, 08.11.2023 17:17 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. November 2023 um 18:36 Uhr.