Der Sturm auf das US-Kapitol vom 6. Januar 2021

Sturm auf US-Kapitol Verklärung oder Aufklärung?

Stand: 07.10.2021 11:32 Uhr

Fast genau neun Monate liegt der gewaltsame Sturm auf das US-Kapitol zurück. Doch sowohl juristisch als auch politisch bleibt das Datum ein Streitthema. Und die Aufklärung der Ereignisse gestaltet sich kompliziert.

Als sich der Ex-Schwimmer Klete Keller schuldig bekannte, kehrte der 6. Januar für kurze Zeit in den Schlagzeilen zurück. Keller war am Sturm aufs Kapitol beteiligt.

Auf Bildern von diesem Tag ist der 39-Jährige grölend in einer Jacke des Olympia-Teams der USA zu sehen. Die Anklage gegen den früheren Goldmedaillen-Gewinner und andere Tatbeteiligte war Teil der fortlaufenden Ermittlungen des FBI, erklärt der Journalist Hunter Walker, der den Newslettter "The Uprising" schreibt:

Das ist bei Weitem die größte Untersuchungsaktion in der Geschichte der Behörde. Sie hat bereits zu Anklagen in mehr als 600 Fällen geführt. Die Ermittler konzentrieren sich vor allem auf die Menschen, die an dem Tag ins Kapitol eingedrungen waren.

Beinahe jeden Tag gebe es Neuigkeiten zu Anklagen und Gerichtsverfahren, so Walker.

U-Ausschuss für die politische Aufarbeitung

Ein zweiter Teil der Aufarbeitung liegt auf politischer Ebene - beim Untersuchungsausschuss im Repräsentantenhaus. "Der Untersuchungsausschuss nähert sich von der anderen Seite. Sie beginnen an der Spitze", sagt Walker weiter. So seien vier wichtige Vertraute des früheren US-Präsidenten Donald Trump von dem Gremium vorgeladen worden.

Heute läuft die Frist dafür ab. Mark Meadows, der frühere Stabschef Trumps, ist zum Beispiel aufgefordert, Dokumente an den Ausschuss zu übergeben. Ebenso Trumps Ideologe Steve Bannon.

"Ob sie der Aufforderung nachkommen, muss man abwarten. Unsicher ist auch, was Ex-Präsident Trump vorhat, wenn einer der Vertrauten der Vorladung folgt", sagt Jonathan Shaub. Er ist Jura-Professor an der Universität von Kentucky und hat früher im Justizministerium in Washington gearbeitet.

Loyalität versus Aufrichtigkeit?

Shaub zufolge könnten die Vorladungen für Trumps Vertraute am Ende bei der Aufklärung gar nicht so entscheidend sein. Der Ausschuss habe eine ganze Reihe anderer Anfragen rausgegeben. An Leute die kooperieren. "Zum Beispiel Telefongesellschaften und Bundesbehörden, die die Vorladungen als bindend erachten. Und die sich nicht loyal gegenüber dem abgewählten Präsidenten Trump verhalten müssen", so Shaub.

Doch dort, wo der Zwang zur Loyalität besteht, wird die Gewalt des 6. Januar immer wieder infrage gestellt - also der Versuch von Trump und dessen Anhängern, die Wahl des amtierenden Präsidenten Joe Biden doch noch zu verhindern.

So tut es auch Ex-Vize-Präsident Mike Pence im Fernsehsender FoxNews: "Die Medien wollen ablenken von Bidens gescheiterter Agenda und konzentrieren sich auf den einen Tag im Januar. Sie versuchen damit, die Absichten von 75 Millionen Amerikanern infrage zu stellen."

"Republikaner versuchen, alles zu verklären"

Pence spricht von "einem Tag im Januar" und nicht vom Sturm auf Kapitol. Es scheint, mit jeder Woche sind sich die Menschen in den USA weniger einig, was wahr und was falsch ist. "Wir haben eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne", erklärt Journalist Walker. Und es gebe eine Reihe von Republikanern, "die versuchen, alles zu verklären". "Die sprechen wohlwollend über die Leute, die das am 6. Januar getan haben. Die haben sogar Veranstaltung vor Gefängnissen organisiert, in denen Verdächtige festsitzen", sagt Walker.

Neben den Interessen von Republikanern spielen Fernsehsender wie NewsMax eine Rolle. Mutmaßliche Straftäter werden dort im Programm als politisch Verfolgte interviewt.

Zwischenwahlen als Stimmungsbild

Ist die Verklärung bald schon größer als der Versuch, die Ereignisse aufzuklären und Drahtzieher unter Umständen zur Verantwortung zu ziehen? "Ich nehme an, das finden wir bald raus. Kommendes Jahr sind Zwischenwahlen. Und ich bin gespannt, wie viele Sitze die Republikaner bekommen, die den Sturm auf das Kapitol verteidigen", so Walker weiter.

Viele Amerikaner, auch in der Regierung Biden, wollen nach vorn schauen und nicht zurückblicken. Walker hält das für falsch. Er ist der Meinung, nach den traumatischen Ereignissen und der Gewalt zu Beginn des Jahres, ist die Gefahr für die Demokratie in den USA nicht gebannt.

Torsten Teichmann, Torsten Teichmann, ARD Washington, 07.10.2021 10:36 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 07. Oktober 2021 um 11:05 Uhr.