Ein brennendes Auto nach Kämpfen in Tripolis.

Wagner-Söldner in Libyen Bleibt es bei der Wagner-Unterstützung für Haftar?

Stand: 28.06.2023 12:23 Uhr

In Libyen unterstützen Wagner-Truppen den mächtigen Milizenführer Haftar im Osten des Landes. Was passiert nun nach dem Wagner-Aufstand in Russland mit dem Kräfteverhältnis im nordafrikanischen Land?

Offiziell hat Russland es nie zugegeben, doch dass es Wagner-Söldner in Libyen gibt, ist ein offenes Geheimnis. "In einigen Ländern ist Wagner offiziell da, sprich: Die russische Regierung sagt dann auch, dass Wagner beispielsweise in Mali ist", erklärt Politikwissenschaftler Wolfram Lacher, der für die Stiftung Wissenschaft und Politik zu Libyen forscht. "In Libyen wurde diese Präsenz niemals so offiziell bestätigt, und zwar weder von der russischen Seite noch von der Seite Haftars."

Die Situation im Land ist kompliziert: Zwei Regierungen beanspruchen die Macht für sich. Vor vier Jahren marschierte der mächtige Milizenführer Khalifa Haftar aus dem Osten des Landes in Richtung Tripolis, um die Hauptstadt im Westen einzunehmen, ein Vormarsch, der Libyen in einen langen Krieg stürzte.

Wagner-Söldner sollen ihn dabei unterstützt haben - als Scharfschützen, beim Bedienen der Artillerie und bei der Flugabwehr. Doch als die Türkei begann, ihre Gegner zu unterstützen, zog Haftar seine Einheiten wieder ab und damit auch die Wagner-Söldner. "Seitdem befinden sich die Wagner-Kräfte in mehreren Basen im Zentrum und im Süden des Landes und verstärken dort die Frontlinie für Haftar", sagt Lacher.

Ausländische Kämpfer halten Kräfte-Gleichgewicht

Das Land Libyen sei seither zweigeteilt, auf der einen Seite die Kräfte Haftars, auf der anderen Seite die Kräfte der Regierung. Auf beiden Seiten sei jeweils eine ausländische Militärpräsenz vorhanden: Wagner-Truppen und türkische Kämpfer. Das habe seitdem in Libyen ein Kräftegleichgewicht gewahrt. "Das heißt, die Tatsache, dass es in Libyen seit Mitte 2020 keinen offenen Krieg mehr gibt, ist letztlich der Militärpräsenz der Türkei und von Wagner zu verdanken," analysiert Lacher.

Seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar Al-Gaddafi ist es keiner Seite gelungen, das gesamte Land zu kontrollieren. Haftar hatte einst als Offizier unter Gaddafi gekämpft, lebte später im Exil in den USA. 2011 kehrte er nach Libyen zurück und beteiligte sich am Sturz Gaddafis. Mittlerweile kontrolliert er den Osten und Süden Libyens, also etwa zwei Drittel des Landes. Weiter nach Westen konnte er nicht vordringen. Mit Hilfe der Wagner-Söldner hält er aber auch seine Gegner von einem Vormarsch ab.

Wagner-Piloten flögen Kampfflugzeuge, die im Zentrum Libyens stationiert wurden, so Lacher. "Sie stellen eine erhebliche Abschreckung für jegliche Kräfte aus Westlibyen dar, dieses Kräftegleichgewicht zwischen Ost und West infrage zu stellen."

Haftar hat wohl nicht viel zu befürchten

Doch wie loyal sind die Söldner aus Osteuropa? Ob Haftar sie finanziert oder sie Geld aus einer anderen Quelle bekommen, ist unklar. Die jüngsten Ereignisse in Russland, als Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin einen bewaffneten Aufstand anzettelte, dürften dem libyschen Milizenführer Kopfschmerzen bereitet und ihn verunsichert haben, sagt Lacher. Denn für ihn sei Wagner wichtig, um die Kontrolle über diese Basen in Zentral- und Südlibyen zu halten und seine Gegner abzuschrecken

Wirklich viel zu befürchten hat Haftar vermutlich nicht. Denn die Wagner-Söldner gelten als eine außenpolitische Waffe Russlands. Und das, sagt Politikwissenschaftler Lacher, wolle seinen Einfluss in Libyen nicht aufs Spiel setzen. Schon deshalb werde Moskau sich auch künftig um die Wagner-Söldner in Libyen kümmern. "Diese Präsenz wird über über russische Militärflüge und die Militärbasis in Syrien versorgt."

Bei der Anzahl der in Libyen stationierten Kampfflugzeuge sei klar, dass das nicht das Werk einer privaten Militärfirma sein könne, sondern das eines Staates. "Insofern ist Haftar auch klar, dass es sich hier um das Interesse der russischen Führung handelt und nicht nur um das Interesse eines russischen Oligarchen, der möglicherweise nicht mehr die Gunst Putins besitzt."

Anne Allmeling, ARD Kairo, tagesschau, 28.06.2023 11:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Juni 2023 um 06:12 Uhr.