Libysche Demonstrierende verbrennen in Tripolis Reifen als Zeichen des Protests (aufgenommen am 27. August 2023)

Nach Bericht zu Israel-Treffen Libyen suspendiert Außenministerin

Stand: 28.08.2023 09:29 Uhr

In Libyen ist es zu gewaltsamen Protesten gekommen. Zuvor war bekannt geworden, dass sich die Außenministerin mit ihrem israelischen Amtskollegen getroffen haben soll - obwohl die Staaten keine offiziellen Beziehungen unterhalten. Die Politikerin wurde suspendiert.

Nach einem offenbar inoffiziellen Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Eli Cohen ist die libysche Außenministerin Nadschla al-Mangussh "vorläufig suspendiert" worden. Der libysche Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba stellte seine Außenministerin Berichten zufolge am Sonntag von ihren Aufgaben frei, um den Fall zu untersuchen.

Libyen und Israel unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen. Libyen erkennt Israel nicht an, laut einem Gesetz aus dem Jahr 1957 sind Kontakte zu Israel strafbar. Die libysche Nachrichtenseite Al-Wasat meldete unter Berufung auf Sicherheitskreise, die Außenministerin sei inzwischen mit einem Regierungsflugzeug in die Türkei geflogen.

Gewaltausbruch in Tripolis

Das Bekanntwerden des Treffens hatten in Libyen massive Proteste ausgelöst. Der dreiköpfige Präsidialrat, der die drei Regionen Libyens vertritt, verlangte eine "Klarstellung" von der Regierung, wie der libysche Fernsehsender al-Ahrar TV unter Berufung auf ein Schreiben von Ratssprecherin Nadschiwa Wheba berichtete. 

In den Straßen der Hauptstadt Tripolis kam es zu gewaltsamen Protesten. Augenzeugen zufolge zündeten Demonstranten Reifen an und blockierten Straßen. Demonstranten forderten demnach den Rücktritt der Regierung von Dbaiba. Ein im Internet verbreitetes Video soll zeigen, wie Menschen die Residenz von Dbaiba in Brand setzen. Es ist unklar, ob sich der Regierungschef zu dem Zeitpunkt in dem Gebäude befand. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Libysches Außenministerium dementiert ein Treffen

Das Außenministerium in Tripolis dementierte Gespräche mit Cohen in Rom. Bei dem Treffen in der italienischen Hauptstadt habe es sich lediglich um eine "informelle" und "unvorbereitete" Zusammenkunft gehandelt. In einer Stellungnahme des Ministeriums hieß es, man lehne eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel kategorisch ab.

Zuvor hatte Cohens Büro mitgeteilt, er und seine libysche Amtskollegin seien vergangene Woche in Rom zusammengekommen. Bei dem laut Israel von Italien vermittelten Gespräch ging es demnach um "das große Potenzial der Beziehungen zwischen beiden Ländern". Dies sei ein "erster Schritt in den Beziehungen zwischen Israel und Libyen", so Cohen. "Die Größe und die strategische Lage Libyens bieten eine immense Chance für den Staat Israel", hieß es in der Erklärung. Demnach fand das Treffen unter der Schirmherrschaft des italienischen Außenministers Antonio Tajani statt.

Immer wieder Kontakte zwischen beiden Ländern

Kontakte zwischen Vertretern beider Ländern hatte es Berichten zufolge bereits zuvor gegeben - wenn auch nicht auf dieser hochrangigen Ebene. Israelische Medien meldeten vor knapp zwei Jahren, der mächtige und vor allem im Osten des Landes einflussreiche General Chalifa Haftar, der damals für die Präsidentenwahl kandidierte, habe militärische und diplomatische Unterstützung in Israel gesucht. Im Gegenzug habe er Beziehungen zu Israel aufnehmen wollen, sollte er die Wahl gewinnen. Diese fand allerdings niemals statt.

In Libyen war nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. In dem faktisch gespaltenen Land ringen zwei Regierungen und etliche Milizen um die Macht. 2020 trat eine Waffenruhe in Kraft. Vereinzelt kommt es aber immer wieder zu Gewalt und Zusammenstößen verfeindeter Milizen. Mehrere ausländische Staaten, darunter die Türkei und Russland, sind an dem Konflikt beteiligt. Alle diplomatischen Bemühungen, den Konflikt friedlich beizulegen, scheiterten bisher.

Israel normalisiert Beziehungen in der Region

Im September 2020 hatte Israel unter US-Vermittlung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain vereinbart. Marokko und der Sudan kündigten solche Schritte danach ebenfalls an. Zuvor unterhielten mit Ägypten und Jordanien nur zwei arabische Staaten Beziehungen zu Israel.

Anna Osius, ARD Kairo, tagesschau, 28.08.2023 06:50 Uhr