Afghanische Frauen halten ihre Kinder auf dem Arm.

Afghanistan "Gesundheit der Frauen wird in Zukunft stark eingeschränkt"

Stand: 07.06.2023 14:26 Uhr

Seit der Machtübernahme der Taliban hat sich die Lage der Frauen in Afghanistan drastisch verschlechtert. Durch das Studienverbot fehlt es an Frauenärztinnen. Dramatisch - da Frauen nur von Frauen behandelt werden dürfen.

Von Claudia Schaffer, ARD-Hauptstadtstudio

Täglich bis zu 100 Geburten hat Maria Fix als leitende Krankenpflegerin in dem kleinen Bezirkskrankenhaus in der Provinz Helmand koordiniert. Eine Klinik, die von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen seit zwölf Jahren betrieben wird - komplett finanziert durch Spendengelder.

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Es ist die einzige Klinik, die es in einem riesigen Einzugsgebiet mit etwa 1,5 Millionen Menschen, noch gibt. "Die Menschen sind unternährt, vor allem seit dem Regierungswechsel", erklärt Maria Fix. "Es gibt vor allem viele Mütter und Kinder, die nicht genügend zu essen haben." Häufig gehe es um Schwangerschaften, die einfach sein könnten, aber so zur einer Risikoschwangerschaft werden könnten, so die Krankenpflegerin.

Weltweit eine der höchsten Müttersterblichkeiten

Die Müttersterblichkeit ist in Afghanistan weltweit eine der höchsten, selbst in Großstädten wie in Kabul. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat sich diese Entwicklung noch zugespitzt. Von 100.000 Müttern sterben laut Weltgesundheitsorganisation 600 bei der Geburt. "Bei uns sind auch Mütter gestorben, aber die Zahl war im Verhältnis zur allgemeinen Zahl in Afghanistan sehr gering", so Fix.

Überall in Afghanistan herrscht großer Mangel an Hebammen und Frauenärztinnen. Ein Problem, das sich noch weiter verschärfen wird, nachdem die Taliban im vergangenen Dezember ein Studienverbot für Frauen ausgesprochen haben. Dramatisch für ein Land, in dem Frauen grundsätzlich nur von Frauen behandelt werden dürfen, Verhütungsmittel nicht erlaubt sind und Schwangerschaftsabbrüche häufig aus Verzweiflung ohne medizinische Hilfe durchgeführt werden.

Mangel an medizinischen Einsatzkräften

"Ich hatte auch viele Kolleginnen, die Medizin studiert haben und von denen ich weiß, dass sie leider ihr Medizinstudium abbrechen mussten. Und es ist auch meine Befürchtung, dass das in Zukunft die Gesundheit der Frauen stark einschränken wird", berichtet die Krankenpflegerin. "Es geht ja manchmal auch nur um Kleinigkeiten, wie man zum Beispiel die Nabelschnur richtig behandelt, nachdem das Kind auf die Welt gekommen ist."

Die medizinische Versorgung der Frauen in Afghanistan hänge extrem vom Einsatz internationaler Hilfsorganisationen ab, sagt Parnian Parvanta, stellvertretende Vorsitzende der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. Sie stammt selbst aus Afghanistan und war acht Jahre alt, als ihre Familie nach Deutschland geflohen ist. Als Frauenärztin weiß sie, wie sehr sich die Situation für die Frauen seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan verschlechtert hat und wie schwer es ist, medizinische Einsatzkräfte für ein Land wie Afghanistan zu finden.

Für die 32-jährige Maria Fix, die als Krankenpflegerin gerade in Amsterdam ihren Master für International Health macht, steht es aber außer Frage, dass sie wieder nach Afghanistan zurück will. Sie hat sich von den Taliban nie persönlich bedroht gefühlt. Was sie motiviert, ist die Kraft der Menschen in Afghanistan, trotz schwierigster Lebensumstände nicht aufzugeben. "Wir hatten zum Beispiel mal ein Kind, das kam auf die Welt mit nur einem Kilo. So viel Überlebenswillen in so einem kleinen Kind, das hat mich wirklich sehr beeindruckt."

Claudia Schaffer, ARD Berlin, 07.06.2023 13:40 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 07. Juni 2023 um 13:21 Uhr.